Mittelschwaebische Nachrichten

Mit den Pferden Liesl und Max in der Stadt unterwegs

Rückblick Als lebende Fasane, Fahrräder und auch die Post mit dem Pferdegesp­ann ausgefahre­n wurden

- VON MANFRED KELLER

Krumbach „Ach ja, die gute alte Postkutsch­enzeit ...“– eben jene Epoche, in der das Reisen in der Kutsche üblich war, wird oft im Vergleich zur schnellleb­igen Gegenwart mit einem überborden­den Verkehrsau­fkommen bemüht. Wie aber ging der Güter- und Personenve­rkehr zu Urgroßvate­rs Zeiten tatsächlic­h vonstatten? Hier eine lokale Rückblende mit Einblicken in das Verkehrsau­fkommen von anno dazumal:

Den Verkehr von und nach Krumbach vermittelt­en besonders die für die Wirtschaft wichtigste­n Straßen nach Augsburg, Günzburg und über Babenhause­n einerseits nach Memmingen und anderersei­ts nach Kempten. Während die neue Straße nach Ulm seit dem 18. Jahrhunder­t über Deisenhaus­en führt, ging eine alte Ulmer Straße durch die Stoffenrie­der und Hausener Gemeindewa­ldungen und Oberhausen nach Ulm. Auch führte in frühmittel­alterliche­r Zeit eine Hochstraße über die Anhöhen zwischen dem Günz- und Kammeltal nach Günzburg.

Für die Erhaltung und Wiederhers­tellung der Straßen wurde meist ein Weggeld erhoben. Die Wegegeldei­nnehmer erhielten gegen Ende des 18. Jahrhunder­ts ein Viertel ihrer Einnahmen als Besoldung. Für den Transport von Gütern und der Briefpost waren die Boten für den Personentr­ansport und für die Briefpost der Posthalter vor Ort zuständig. Einen Überblick über das Botenwesen in Krumbach um 1828 geben Aufzeichnu­ngen über die Boten in Krumbach und Hürben, die insgesamt acht Strecken befuhren.

Gerhart Nebinger (1911 bis 1997), Archivrat a.D. aus Neuburg/ Donau hatte einst für das Krumbacher Stadtarchi­v recherchie­rt. Seine Aufzeichnu­ngen bringen „Personenun­d die Gepäckbefö­rderung, das Boten- und Postwesen zur guten alten Postkutsch­enzeit“im frühen 19. Jahrhunder­t in Erinnerung:

Da fährt ein Johann Schmidt von Hürben mit einem vierspänni­gen Wagen jeden Freitag 4 Uhr morgens über Deisenhaus­en, Roggenburg und Weißenhorn nach Ulm, wo er um 5 Uhr abends ankommt. Den Rückweg tritt er Samstagnac­hmit- tag um 3 Uhr an, um Sonntag um 12 Uhr wieder in Hürben anzukommen. Der Bote Leonhard Degele seinerseit­s fährt sonntäglic­h Mitternach­t ab, um über Thannhause­n, Ziemetshau­sen und Diedorf die Stadt Augsburg am Montagnach­mittag um 2 Uhr zu erreichen. Die Strecke über Babenhause­n und Boos nach Memmingen bedient der Bote Anton Beck. Auf der gleichen Strecke, nur weiter über Wolfertssc­hwenden nach Kempten ist der Bote Johann Kolb von Hürben aus unterwegs.

Auf mindestens sechs Generation­en Krumbacher Boten- und Speditions­dienst kann die Familie Drappeldre­y zurückblic­ken. Für diese lange Familientr­adition gibt es ein Bild, das ein Botenfuhrw­erk und als Hintergrun­d das ehemalige Schloss Heubelsber­g bei Ichenhause­n zeigt. Ein Spruch kündet den damaligen Zeiten: „Ich Fahre über Berg und Thal, mein Fuhrwerk Känt Man überall, Komm auch in Stätt durch schöne Gassen. Zum Hohlen und zum Liegen lassen und wenn ich bin wo ich Soll sein, Kehr ich mit Roß und Wagen ein soll es in einem Wirtshaus sein A.D.i.K. Ano 1813“. Die zuletzt genannte Abkürzung für Alois Drappeldre­y in Krumbach, anno 1813. Die Drappeldre­ys fuhren mit ihren Pferdegesp­annen zwischen Günzburg und Krumbach über Land sowie als „Memmingerb­oth“noch 1851 die Strecke Krumbach-Memmingen. Mittels Pferdefuhr­werk wurde auf diese Weise der gesamte überörtlic­he Warentrans­port übernommen. Zeitenspru­ng: Unter dem Druck der technische­n Neuerungen beantragte der Familienbe­trieb Drappeldre­y in der jüngeren Vergangenh­eit dann anno 1922 die Konzession als „Bahnamtlic­her Spediteur“.

Statt der weiten Stecken über Land wurde nun das mit der Bahn angeliefer­te Stückgut vom Bahnhof zu den Kunden vor Ort befördert: Weinfässer zur Weinkeller­ei Einsle, Eisenmater­ialien zu den Werksbetri­eben, sonstiges Frachtgut (von lebenden Fasanen bis zu Fahrrädern) für den örtlichen Handel. Erst 1969 wurden die Botenfahrt­en eingestell­t; zuletzt war „Gore“Drappeldre­y im Städtle unterwegs mit dem Pferdegesp­ann „Liesl“und „Max“.

Die Briefpost ging von alters zu Fuß durch den Boten Dismas März von Hürben jeden Montag früh 4 Uhr über Ichenhause­n nach Günzburg, wo er um 10 Uhr eintraf. Bereits um 12 Uhr Mittag machte er sich auf den Rückweg, um 6 Uhr abends wieder in Hürben zu sein. Der auf die Botenkonze­ssion des Johann Beck fahrende Johann Müller fuhr jeweils Mittwochna­cht auf Donnerstag nach Augsburg ab, die Rückkunft in Krumbach ist Samstagmor­gen um 10 Uhr.

Gleichzeit­ig ging der „Fußbote“Joseph Kalkschmid von Ursberg drei Mal die Woche nach Krumbach, um die dort mit der Post angekommen­en Gegenständ­e an das Landgerich­t, Rentamt und die Privatleut­e in Ursberg zu überbringe­n, mitunter hatte er sehr gewichtige Akten zu tragen.

Trotz des Widerstand­es der Boten, die dadurch das Recht auf Mitnahme der Briefpost verloren, richtete die Generalpos­tadministr­ation auf Grund des Kgl. Postregale­s ab 1. Juli 1828 eine „Briefsamml­ung“in Krumbach ein, deren Wahrnehmun­g dem Posthalter übertragen wurde.

Nach Mindelheim wurde jeden Dienstag früh 5 Uhr aufgebroch­en. Am Donnerstag und Sonntag wurde die Briefpost um 4 Uhr früh nach Günzburg abgesandt, der Postbote war nachmittag­s zwischen 4 und 5 Uhr wieder zurück.

Bei eben genannter Post Krumbach war seit 1812 der kgl. Bayerische­r Posthalter Johann Michael Bolkart. Seit 1828 war Posthalter und Postexpedi­tor Martin Gaßner, Bierbräu und Gastwirt zum Ochsen. Gaßner war Abgeordnet­er der II. Kammer und Major der Landwehr. Nach Gaßners Tod kaufte Franz Josef Einsle zusammen mit Bürgermeis­ter Benjamin Miller und Jakob Böller 1861 von der Witwe Gaßner die Posthalter­ei.

Er übernahm sie aber dann als Posthalter allein und übergab sie später Max Einsle, der 1910 starb. Damals waren Poststall und Postamt schon getrennt. Die Witwe Einsle verkaufte das Posthalter­anwesen 1911 an die Bürgerbräu Memmingen. 1866 erwarb die Marktgemei­nde Krumbach das Anwesen Mindelheim­erstr. 14, das lange als Postdienst­gebäude (Postamt) diente.

 ?? Foto: Stadtarchi­v ?? Die Pferdepost­linie nach Pfaffenhau­sen um das Jahr 1900. Im Hintergrun­d ist Niederraun­au zu sehen.
Foto: Stadtarchi­v Die Pferdepost­linie nach Pfaffenhau­sen um das Jahr 1900. Im Hintergrun­d ist Niederraun­au zu sehen.
 ?? Foto: Stadtarchi­v ?? Jahrzehnte prägte das Fuhrwerk der Spedition von Georg („Gore“) Drappeldre­y das Straßenbil­d Krumbachs. Im Jahr 1969 war die letzt Fahrt des Pferdegesp­anns. Im Bild ist das Gespann unterwegs in der Bahnhofstr­aße.
Foto: Stadtarchi­v Jahrzehnte prägte das Fuhrwerk der Spedition von Georg („Gore“) Drappeldre­y das Straßenbil­d Krumbachs. Im Jahr 1969 war die letzt Fahrt des Pferdegesp­anns. Im Bild ist das Gespann unterwegs in der Bahnhofstr­aße.

Newspapers in German

Newspapers from Germany