Mittelschwaebische Nachrichten
Sinkende Umsätze: R-Pharm muss neue Wege einschlagen
Wirtschaft Der Pharmagigant Pfizer vergibt weniger Aufträge an seinen Nachfolger in Illertissen – wo das zu deutlichen Einbußen führt. Man reagiert mit einem groß angelegten Umbauprozess
Illertissen Wenn es schon eine Metapher sein muss, dann die richtige: Dunkle Wolken am Horizont seien es nicht, auf die R-Pharm Germany mit Sitz in Illertissen zusteuert, sagt Geschäftsführer Holger Weyhers. Und überlegt: „Wir managen gerade ein Gewitter.“Zuletzt sind die Umsätze zurückgegangen. Und zwar massiv, wie es in einer E-Mail heißt, die im Juli intern im Unternehmen verschickt wurde. Schuld an der Misere ist der ehemalige Besitzer des Werks. Oder besser gesagt, die Art der Geschäftsbeziehung mit ihm. Im Jahr 2014 hatte der US-Pharma-Riese Pfizer den Standort Illertissen komplett an den russischen Konzern R-Pharm veräußert, seither ließ der Verkäufer am einstigen Sitz verpacken. Garantien gab es damals offenbar nicht. Die Zusammenarbeit endet 2018 offiziell. Nun steht zwar fest: Danach geht sie weiter, zumindest einmal ein Jahr lang. Doch es gibt weniger Aufträge, was 2019 bei R-Pharm in Illertissen deutlich zu spüren sein wird. Um 50 Prozent soll das Volumen bei der Verpackungstätigkeit abnehmen. Darauf reagiert R-Pharm: „Wir wollen die Abhängigkeit von Pfizer verringern und und uns breiter aufstellen“, sagt Weyhers. Dem voran geht eine Schlankheitskur.
Gearbeitet wird ab 2019 statt wie bisher in drei nur noch in zwei Schichten. Auch Stellen werden abgebaut, 45 von momentan 340 sollen es sein. Betriebsbedingte Kündigungen seien nach derzeitigem Stand nicht vorgesehen, sagt Personalchef Steffen Tospann. Stattdessen werden befristete Verträge nicht verlängert. Man stimme sich mit Gewerkschaft und Betriebsrat ab. Trotz des Abbaus werden neue Mitarbeiter gesucht. Denn R-Pharm suche neue Geschäftsmodelle und investiere. Allein acht Millionen Euro in ein Entwicklungszentrum: In der 500 Quadratmeter umfassenden Anlage kümmern sich zwölf Mitarbeiter darum, medizinische Wirkstoffe nach den Wünschen des Herstellers zu verpacken, also in Tabletten und Dragees. Offenbar mit Erfolg: Zu den Kunden gehörten namhafte Großfirmen. „Wir sind sehr gut gebucht“, sagt Weyhers.
Daneben will sich R-Pharm Germany die ehemaligen Sowjetstaaten stärker als Märkte erschließen – als Zwischenhändler. Der Ansatzpunkt: Es gebe Hersteller, die Länder wie Kasachstan oder Aserbaidschan als zu kleinteilig und zu mühsam ansähen. Verdienen will R-Pharm auch an eigenen Produkten: Hier rückt neben der Pharmasparte – in der man laut Weyhers nach wie vor das Kerngeschäft sieht – die Lifestyle-Branche in den Fokus. So wurde etwa die Wachmacherkapsel „Nao“, die Koffein und das Grünteepulver Matcha enthält, in Illertissen entwickelt. Im hippen Berlin werde momentan getestet, wie das ankommt, sagt Weyhers. Mit seiner knallroten Verpackung soll sich das Produkt von der Kon- kurrenz abheben. Ein anderes Nahrungsergänzungsmittel made in der Vöhlinstadt ist „Bloom“, es soll zu schöner Haut verhelfen.
Entwickeln, herstellen, vermarkten: Dafür sind Fachkräfte gefragt, kommen sollen die vorwiegend aus der bestehenden Mitarbeiterschaft, sagt Personaler Tospann. Wer bislang in der Verpackung tätig war, soll zum Beispiel in der Fertigung eine Chance erhalten. „Da bieten sich tolle Möglichkeiten“, sagt Tospann. Das klingt gut. Wie schlimm ist die Lage bei R-Pharm also wirklich? „Ich bin sehr optimistisch“, sagt Geschäftsführer Weyhers. Allerdings sei die Zeit für das Unternehmen auch „sehr spannend“. Das mache sich in der Belegschaft bemerkbar, wo durchaus Unsicherheit herrsche. Aber eben auch Aufbruchstimmung.
Abstand nehmen will R-Pharm, anders als gedacht, vom Markt für Generika, also den Nachahmerpräparaten. Hinter dieser Entscheidung stehe der weltweite Wettbewerb: In anderen Ländern lasse sich günstiger produzieren. „Der Billigste gewinnt“, sagt Weyhers. „Wir müssen den Standort Illertissen so ausrichten, dass wir nicht auswechselbar sind.“
Trotz allem stehe eine gute Botschaft im Zentrum: Für R-Pharm Germany soll es weitergehen. Alexey Repik, Selfmade-Milliardär und Gesellschafter der russischen Konzernmutter, stehe „voll und ganz“hinter seinem Unternehmen in Illertissen. „Es geht mit Volldampf in die Zukunft“, sagt Geschäftsführer Holger Weyhers. Am Ende also wieder eine Metapher. Hoffentlich die richtige.