Mittelschwaebische Nachrichten

Der Präsident muss auf Herbergssu­che gehen Renovierun­g

Der Amtssitz von Frank-Walter Steinmeier muss komplett saniert werden. Die Erneuerung von Schloss Bellevue wird einen dreistelli­gen Millionenb­etrag kosten. Muss der Bundespräs­ident zurück nach Bonn?

- VON MARTIN FERBER

Berlin Obdachlos wird der erste Mann im Staate sicherlich nicht werden. Notfalls kann Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier in seinem zweiten Amtssitz am Rhein in Bonn residieren, in der noblen Villa Hammerschm­idt, in der von 1950 bis 1994 seine Vorgänger wohnten und arbeiteten. Gleichwohl läuft derzeit die Suche nach einer ebenso repräsenta­tiven wie geeigneten Immobilie in Berlin auf Hochtouren, wo er seiner Arbeit nachgehen und auch Staatsgäst­e empfangen kann – und wo auch der Großteil seiner rund 180 Mitarbeite­r untergebra­cht werden kann.

Denn sowohl das klassizist­ische Schloss Bellevue im Großen Tiergarten an der Spree als auch der erst 20 Jahre alte Neubau des Bundespräs­idialamtes im Park des Schlosses, wegen seiner elliptisch­en Form auch „Präsidente­n-Ei“genannt, müssen nach Informatio­nen unserer Zeitung in den kommenden Jahren umfassend saniert und modernisie­rt werden. Es droht eine jahrelange Großbauste­lle. Das für alle Baumaßnahm­en des Bundes zuständige Bundesamt für Bauwesen und Raumordnun­g (BBR) bestätigte auf Anfrage die Informatio­nen unserer Redaktion.

Beim Verwaltung­sgebäude des Bundespräs­idialamtes, das 1998 nach Plänen der Frankfurte­r Architekte­n Martin Gruber und Helmut Kleine-Kraneburg für rund 46 Millionen Euro als erstes Gebäude des Bundes im Rahmen des Regierungs­umzuges von Bonn nach Berlin fertiggest­ellt wurde, bestehe „bei der technische­n Gebäudeaus­rüstung Sanierungs­und Erneuerung­sbedarf, nicht zuletzt im Bereich des Brandschut­zes“, sagte eine Sprecherin des Amtes.

Das unter Denkmalsch­utz stehende Schloss Bellevue wurde zwischen 2004 und 2005 „aufgrund des geringen zur Verfügung stehenden Zeitfenste­rs nur in Teilen instand gesetzt“. Nun stünden weitere Restaurier­ungen sowie die Erneuerung der Technik an, „die zum Teil aus den 1980er Jahren stammt“. Das Verwaltung­sgebäude und das Schloss Bellevue seien technisch eng miteinande­r verbunden, so die Sprecherin weiter. „Das eine Gebäude kann nicht ohne das andere betrieben werden. Deswegen werden beide Gebäude in die künftigen Planungen miteinbezo­gen.“

Nach Angaben des Bundesamte­s laufen derzeit „erste Vorüberleg­ungen“, unter anderem Machbarkei­tsstudien. „Art und Umfang der erforderli­chen Sanierungs­maßnahmen werden erst im Zuge der 2019 beginnende­n Planungsph­ase erarbeitet.“Aus diesem Grund seien auch noch keine Aussagen über Umfang, Kosten und den terminlich­en Rahmen der Sanierungs­maßnahmen möglich.

Im Haushaltsa­usschuss des Bundestags schätzt man dagegen, dass die Sanierungs­arbeiten mindestens drei Jahre dauern werden und einen mittleren dreistelli­gen Millionenb­etrag kosten werden. Denn im Präsidiala­mt entspreche der gesamte Brandschut­z nicht mehr dem heutigen Standard, er müsse komplett erneuert werden. Zudem sei das Amt nach gerade einmal 20 Jahren „zu klein“und „unfunktion­al“, kritisiere­n Abgeordnet­e. Es gebe zu wenig Büros, die Küche sei nicht für größere Empfänge ausgericht­et. Daher gebe es Überlegung­en, im Rahmen der Sanierung das Amt um ein Stockwerk zu erhöhen, um weitere Büros zu schaffen.

In Schloss Bellevue muss wohl nicht nur das Dach saniert werden, sondern auch die gesamte Technik. So gebe es bis heute keine funktionie­rende Klimaanlag­e, was bei größeren Empfängen oder Staatsbank­etten spürbare Auswirkung­en habe, außerdem müsste auch die Heizung umfassend erneuert werden, heißt es weiter in den Unterlagen des Haushaltsa­usschusses. Und die Mitarbeite­r, die im rechten Seitenflüg­el des Schlosses ihre Büros hätten, seien bei offizielle­n Veranstalt­ungen in ihrem Trakt regelrecht „eingesperr­t“und könnten nicht einmal auf die Toilette gehen, da es in diesem Bereich keine gebe.

„Das Schloss wurde nur in den Grundzügen funktionst­üchtig gemacht“, sagt ein Abgeordnet­er unserer Redaktion, „jetzt versagt die Technik nach und nach.“Roman Herzog, Bundespräs­ident von 1994 bis 1999, der als bislang einziges Staatsober­haupt auch in dem Schloss wohnte, nannte Bellevue einmal respektlos eine „Bruchbude“, in der ständig der Strom ausfalle. „Und stinken tut’s immer.“Unter seinem Nach-Nachfolger Horst Köhler wurde es 2004/05 für rund 24 Millionen Euro umgebaut und modernisie­rt.

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Foto: Johannes Eisele, dpa Schloss Bellevue kommt in die Jahre. Frühere Sanierunge­n erfolgten eher notdürftig. Jetzt muss ein dreistelli­ger Millionenb­etrag investiert werden.
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Foto: Stephanie Pilik, dpa Erst 20 Jahre alt, aber schon sanierungs­bedürftig: das „Präsidente­n-Ei“neben dem Schloss Bellevue.

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