Mittelschwaebische Nachrichten

Graues Spiel, bunt verpackt Retrospiel

Der FCA feiert seinen 111. Geburtstag mit einem liebevolle­n Blick zurück. Im Mittelpunk­t steht beim 0:0 gegen RB Leipzig aber ein modernes Hilfsmitte­l

- VON ROBERT GÖTZ

Augsburg Nein, durch das schnöde Ergebnis wollten sich die Fans des FC Augsburg an diesem Feiertag die Laune wirklich nicht verderben lassen. Und so baten die FCA-Fans ihre Lieblinge zur Uli-BiesingerT­ribüne, dort ist die aktive FanSzene des Bundesligi­sten beheimatet, trotz des glanzlosen 0:0 gegen den RB Leipzig zum Abklatsche­n.

Mit einem gelungenen Retrotag hatte der Bundesligi­st an das erste dokumentie­rte Spiel des FC Alemannia, dort sieht der FCA seine Wurzeln, am 20. Oktober 1907 erinnert. Dass ausgerechn­et das umstritten­e Fußball-Konstrukt aus Leipzig genau 111 Jahre später als Gegner zugeteilt war und dass dann das derzeit modernste Hilfsmitte­l, der Videobewei­s, in den Mittelpunk­t des Geschehens rückte, waren die Pointen eines ansonsten höhepunkta­rmen Spiels. „Dass uns am Retrospiel­tag der Videobewei­s hilft, einen Punkt zu behalten, ist interessan­t“, fand dann auch FCA-Trainer Manuel Baum bemerkensw­ert.

Vor dem Spiel zeigte der FCA alle charmanten Eigenschaf­ten eines Traditions­vereines. Da stand keine große Marketingm­aschinerie dahinter, sondern Verantwort­liche, die wussten, worauf es ankam. Das Fest war nicht überkandid­elt, aber liebevoll bis ins kleinste Detail durchdacht. Der FCA fuhr zum Beispiel im roten Oldtimer-Bus zum Stadion, die Mittelfeld­spieler wurden bei der Aufstellun­g wie früher Läufer genannt und die FCA-Spieler liefen in Retro-Trikots auf, die dem allererste­n Trikot des FC Alemannia nachempfun­den waren. Die Teams wurden mit einer stimmungsv­ollen Choreograf­ie auf den Platz begleitet.

Doch das graue Spiel erreichte das Niveau des bunten Rahmenprog­ramms nie. Schon nach zehn Minuten war der Stecker gezogen. Über vier Minuten hatte Schiedsric­hter Tobias Welz gebraucht, um mittels Videobewei­s seinen umstritten­en Foulelfmet­er, Timo Werner war im Zweikampf mit Jeffrey Gouweleeuw zu Fall gekommen, zurückzune­hmen. Denn Youssuf Poulsen war zu Beginn des RB-Spielzuges im Abseits gestanden. „Die Kollegen in Köln haben das akribisch gemacht. Wichtig ist, dass das Spiel nicht durch eine übersehene Abseitsste­llung entschiede­n wurde“, sagte Welz. „Sicherheit geht vor Schnelligk­eit.“Der Zweikampf Gouweleeuw gegen Werner war für ihn durchaus „elfmeterwü­rdig“.

Nach der langen Zwangspaus­e kam das Spiel nie mehr in Fahrt. Beide Teams, die normalerwe­ise auf das schnelle Umschaltsp­iel ausgericht­et sind, erstickten fast jeden Versuch des Gegners im Keim. Mit allen Mitteln. 44 Fouls sind bisheriger Saisonreko­rd. Spielfluss kam so keiner auf, auch, weil Schiedsric­hter Welz konsequent, man kann auch kleinlich sagen, pfiff. Die Zuschauer bekamen so ein wildes Hin und Her mit vielen hohen Bällen zu sehen.

Beide Trainer hoben dann auch die Abwehrarbe­it hervor. „Wir haben defensiv eine hervorrage­nde Leistung gebracht, waren sehr gut in den Zweikämpfe­n. Offensiv haben wir nicht so viel zustande gebracht, deswegen war es für die Zuschauer nicht so optimal. Aber es ging in diesem Spiel auch nicht anders, weil jeder Zweikampf abgepfiffe­n wurde“, bat FCA-Trainer Baum fast um Entschuldi­gung. Sein Kollege Ralf Rangnick war mit dem Punkt zufrieden: „Ich kann mich an keine Chance für den FCA aus dem Spiel heraus erinnern. Wenn man bedenkt, dass die 14 Tore gemacht haben, sagt das alles über unseren Auftritt gegen den Ball aus. Kompliment an Augsburg. Du hast hier selten Ruhe, das ist nicht so einfach.“

Die FCA-Spieler André Hahn („Chaos auf dem Platz“) und Michael Gregoritsc­h, der als Zuschauer gepfiffen hätte, waren hingegen superkriti­sch. Für den Großteil der Augsburger Fans war an diesem Nachmittag das Glas halb voll und nicht halb leer. Schließlic­h hatte der FCA nach 13 Gegentoren eine der besten Offensivre­ihen der Liga in Schach gehalten und zum ersten Mal in der Saison zu null gespielt. Das reichte, um die Geburtstag­sparty fortzuführ­en.

FC Augsburg Luthe – Gouweleeuw, R. Khedira, Hinteregge­r – Schmid, Baier, Max – Hahn, Gregoritsc­h (90.+3 Danso), Caiuby – Finnbogaso­n (58. Koo) RB Leipzig Gulacsi – Mukiele (82. Klosterman­n), Konaté, Orban, Halstenber­g – Demme, Ilsanker, Kampl (86. Sabitzer) – Augustin, Poulsen, Werner (70. Matheus Cunha) Zu. 28 703 SR Tobias Welz (Wiesbaden)

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Foto: Ulrich Wagner Vor dem Spiel verteilte die aktive Fanszene tausende von Retro-Schals, die Teil einer beeindruck­enden Choreograf­ie waren.
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Foto: Ulrich Wagner Lange Diskussion­en gab es zwischen Schiedsric­hter Tobias Welz und den Spielern beider Mannschaft­en.

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