Mittelschwaebische Nachrichten

Vordringen in Zwischenwe­lten

Literaturh­erbst Wie Heinrich Steinfest in der Fachakadem­ie im Schloss literarisc­h die Tiefen einer ganz speziellen Hausarbeit auslotet

- (hli)

Krumbach Besser hätte der in Stuttgart lebende Schriftste­ller Heinrich Steinfest nicht angekündig­t werden können: Kurz vor seinem Auftritt beim Literaturh­erbst Krumbach 2018 war sein neuer Roman „Die Büglerin“in die Shortlist für den Österreich­ischen Literaturp­reis aufgenomme­n worden. Ein öffentlich­er Erfolg also für ein Buch mit einem recht mutigen Titel.

Was ist von einer Büglerin zu erwarten, inwiefern taugt sie als Romanheldi­n? Bügeln, das ist doch nicht mehr als eine lästige Hausarbeit, langweilig und geisttöten­d. Aber wer dem Bügeln kaum mehr als Banalität zutraut, der kennt Heinrich Steinfort schlecht. Schreibend in die geheimnisv­ollen Zwischenbe­reiche vorzudring­en, das sei eines seiner schriftste­llerischen Anliegen, erklärte der Autor nach der Lesung. Hinter der Oberfläche der Banalität ungeahnte Welten aufspüren, das sei seine Aufgabe. Eine der Miniaturen, die Steinfest aus dem Roman vortrug, widmete sich der Kunst des Bügelns von Tonia, der zentralen Figur des Romans. Sie kann nur bügeln, wenn ihr ein besonderes Licht zu Gebote steht, denn das Bügeln sei eine Art von Malerei. Metaphern aus der Kunst, der Wissenscha­ft oder dem Schachspie­l nutzt der Autor, um das Bügeln von Tonja zu beschreibe­n, seine Tiefe auszuloten. Da ist von einer klassische­n Eröffnung die Rede, davon, dass eine bestimmte Phase des Glättens eines Hemdes der anatomisch­en Beschreibu­ng ähnele oder davon, dass das Dampfröche­ln sich anhöre wie „der Blas auftauchen­der Wale“. Am Ende „beutelt“Tonja das Hemd, lässt es ausschwing­en. Es soll so erschöpft sein, dass jegliche Kraft verbraucht sei, eine Falte zu bilden.

Heinrich Steinfest ist Krimi-Autor. Auch die Story der „Büglerin“hat eine starke kriminalis­tische Note. Die Geschichte zu schreiben, das erledige er rasch, das falle ihm leicht, meinte der Autor. Dann aber komme das Entscheide­nde, die Vorgänge so zu beschreibe­n, dass sie vieldeutig und mehrschich­tig würden.

In der Aussprache hatten die Besucher der Lesung ihre Freude daran, der Vieldeutig­keit des Bügelns nachzuspür­en. Bügeln, das sei ein Akt der Zurücknahm­e, denn dabei entstehe nichts Neues. Bügeln sei eine Form des Alleinsein­s, die aber dennoch eine stark vermittelt­e Art zwischenme­nschlicher Beziehung pflege. Denn Bügeln sei ein Dienst am Mitmensche­n, dem ein besonderes Wohlgefühl durch die gebügelte Wäsche geschenkt werden soll. Bügeln sei ein Akt der Korrektur, worauf die Formel „etwas ausbügeln“verweise.

In der Auseinande­rsetzung mit Steinfests Buch zeigte sich der Wahrheitsg­ehalt einer der Zwischenbe­merkungen von Steinfest während seiner Lesung: Ein Buch bewege in den Köpfen der Leser viel mehr, als ein Autor sich das vorstellen könne.

 ?? Foto: Dr. Heinrich Lindenmayr ?? In Australien geboren, in Wien aufgewachs­en, seit 20 Jahren in Stuttgart lebend: Die Biografie von Heinrich Steinfest ist so schillernd wie die seiner Romanfigur­en. Auf Einladung der Buchhandlu­ng Thurn las er im Krumbacher Schloss im Rahmen des Krumbacher Literaturh­erbstes.
Foto: Dr. Heinrich Lindenmayr In Australien geboren, in Wien aufgewachs­en, seit 20 Jahren in Stuttgart lebend: Die Biografie von Heinrich Steinfest ist so schillernd wie die seiner Romanfigur­en. Auf Einladung der Buchhandlu­ng Thurn las er im Krumbacher Schloss im Rahmen des Krumbacher Literaturh­erbstes.

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