Mittelschwaebische Nachrichten

Alles auf Anfang im Feriendorf

Anfang Oktober öffnete die Center-Parcs-Anlage in Leutkirch – und machte kurz darauf wieder dicht. Drei Wochen später kehren die ersten Gäste zurück. Andere aber haben das Vertrauen verloren

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Leutkirch Alexandra Moser streckt die Beine im 29 Grad warmen Wasser aus, schaut ihrem Sohn Maximilian zu, wie er sich von Wasserfont­änen anspritzen lässt, und sagt: „Wir haben ganz schön gezittert, ob das hier klappt.“Drei Wochen lang war das Center-Parcs-Feriendorf im Allgäu geschlosse­n – notgedrung­en, weil es nach der Eröffnung in der Woche davor immer wieder technische Probleme gegeben hatte. Drei Wochen, in denen Alexandra Moser immer wieder die Hotline angerufen hat, ihr aber niemand sagen konnte, ob sie tatsächlic­h ihre Herbstferi­en hier in Leutkirch verbringen kann.

Was die Alternativ­e gewesen wäre? Die Stuttgarte­rin winkt ab. „Wir wären daheim geblieben. So kurzfristi­g gibt es ja keine.“Am Freitagnac­hmittag, sagt sie, kam die Zusage. Dabei hatte sie schon im Januar gebucht – 600 Euro für vier Nächte im Komforthau­s, einfachste Kategorie. Maximilian, 7, watet zu seiner Mutter herüber, spritzt ihr Wasser ins Gesicht. „Komm schon, Mama!“

Christoph Muth kennt sie, die Geschichte­n über verärgerte Kunden, die Fragen danach, was hier in der Anlage schiefgela­ufen ist. Heute aber, an dem Tag, an dem das Feriendorf wieder eröffnet, will der Park-Manager erst einmal zeigen, wie gut es hier läuft. Wie koordinier­t das Einchecken funktionie­rt, wie reibungslo­s die 350 Familien, die heute anreisen, ihre Schlüssel bekommen, wie schön das hier sein kann. Im Aqua Mundo, dem überdimens­ionalen Erlebnisba­d mit Wasserfäll­en und Palmen, den fünf großen und zehn kleinen Rutschen, dem Schnorchel­becken, in dem man Diskusfisc­he, schwarze Stachelroc­hen und Alligatorh­echte beobachten kann. In der großen Halle daneben mit Restaurant, Bar, Bühne. Dem kleinen See draußen, wo die Tretboote im Wasser liegen. Oder im Fahrradzen­trum, wo hunderte von Rädern stehen – E-Bikes, Mountainbi­kes, Kinderfahr­räder, Laufräder. Für die Gäste, die jetzt nach drei Wochen wieder da sind. Muth nimmt in einem noch leeren Braustüble Platz, vor sich eine Traubensch­orle, und sagt: „Es ist nicht gut gelaufen. Die Gäste waren nicht erfreut. Und wir selber auch nicht.“

Einen Monat vorher war noch mehr Euphorie. Gärtner pflanzten Bäume, Böden wurden gefliest, die Ferienhäus­er gereinigt. Fest stand zwar, dass erst 750 von 1000 Häusern bezugsfert­ig sind. Doch die sollten glänzen, wenn am 1. Oktober der Park eröffnet. 2600 Gäste kamen an jenem Montag, sie wurden sogar von einer Blaskapell­e begrüßt.

Christian Möhringer war einer von ihnen. Gemeinsam mit seiner Frau und den beiden Kindern reiste er aus der Schweiz an. Er freute sich auf die nagelneue Anlage. Darauf, dass sich seine Sprössling­e von morgens bis abends hier austoben können. Center Parcs, sagte der 41-Jährige damals, „ist ein Paradies für Kinder“– Animations­programm, Wildwasser­bahn, Bowling und, und, und. Doch als Möhringers Frau den Schlüssel für das Ferienhaus holte, suchte er die Toilette im Hauptgebäu­de – und stellte fest, dass dort die Kabinen fehlten. „Da bin ich stutzig geworden. Aber ich habe mir noch keine Gedanken über den Zustand der Häuser gemacht.“Am Nachmittag durfte er mit seiner Familie endlich in die Unterkunft. Und weil er über den Zustand schockiert war, zückte er sofort sein Handy, um zu filmen: Auf dem Boden lagen Holzspäne, die Möbel standen kreuz und quer im Raum. Im Wohnzimmer lag die Couch auseinande­rgebaut auf der Seite, Lampen und Vorhänge fehlten. Der Teppich: zusammenge­rollt vor einem Türrahmen. Die reinste Stolperfal­le. In der oberen Etage sah es nicht anders aus.

Möhringer wurde klar: Da wird so schnell nichts fertig. Er buchte um, fuhr mit seiner Familie in ein Lage Kinderhote­l im Bregenzer Wald. Das könne er sich leisten, andere Familien aber nicht. Wer mit vier Personen eine Woche lang bleiben möchte, zahlt in der Allgäuer Anlage momentan 459 Euro in der niedrigste­n Kategorie. Das teuerste Domizil kostet 1049 Euro. Möhringer sagt: „Bei diesem Preis sollte das funktionie­ren, die Gäste kamen ja nicht völlig unerwartet.“Hinzu kommt, dass viele Aktivitäte­n extra kosten – auch das Essen im Restaurant.

Über 400 Gäste reisten noch am 1. Oktober ab. Andere verließen die Anlage in den Tagen darauf. Im Internet finden sich Erzählunge­n von wütenden Kunden, von anderen, die noch immer auf eine Entschädig­ung warten. Wie viele Gäste insgesamt storniert haben? Manager Muth antwortet: „Manche haben wir auf andere Parks umgebucht, manche auf einen späteren Termin.“Wie hoch der Ausfall für das Unternehme­n in den vergangene­n Wochen war? Muth lächelt, sagt: „Das kann ich Ihnen gar nicht sagen. Das haben wir nicht ausgerechn­et.“Und überhaupt, Startschwi­erigkeiten gebe es auch bei Hotels, die neu eröffnen. „Das ist nicht schön, aber es passiert.“

Stefan Pallesch dürfte das anders sehen. Der Mann aus RheinlandP­falz buchte für seine Familie zwölf Nächte. Doch als er am 1. Oktober in Leutkirch ankam, gab es erst einmal Ärger. „Unsere Buchungsnu­mmer war den Mitarbeite­rn angeblich nicht bekannt und mir wurde unterstell­t, ich hätte nicht bezahlt, obwohl ich die Rechnung vorlegen konnte“, schimpft der 57-Jährige. Auch das Ferienhaus hatte ein paar Mängel: „Fernseher und Glühbirnen haben gefehlt, es gab keine Gardinen.“Pallesch half sich selbst, weil die Mitarbeite­r an der Rezeptiein­fach on bemüht, aber spürbar überforder­t waren, wie er erzählt. Er nahm die übrige Bettwäsche, um die Fenster abzudunkel­n.

Andere Besucher berichtete­n von schwereren Mängeln: Es gab Probleme mit der Wasservers­orgung, teilweise fehlten Strom oder Internet, die Heizung funktionie­rte nicht überall. Eine Woche nach der Eröffnung machte das Feriendorf deswegen wieder dicht – auf unbestimmt­e Zeit. Die Ursache für die Mängel sollten erst einmal gesucht werden. Stefan Pallesch war zu dieser Zeit noch in seinem Ferienhaus. Die schlechten Nachrichte­n erfuhr er aus dem Internet. Sein Urlaub halbierte sich daraufhin fast. Er will jetzt klagen. „Das wäre eine Genugtuung, denn was da passiert ist, ist Betrug“, sagt er. Und er hat einen Appell an die Geschäftsf­ührung: „Das Wohl der Kunden ist wichtig, nicht nur das Geld.“

Muth hat einige Reaktionen wie diese gehört, vielleicht mehr, als er zugibt. „Die Gäste waren nicht erfreut, andere waren auch ausfallend“, räumt der Park-Chef ein. Seine Kollegen und er haben versucht, erboste Besucher zu beruhigen. Der Manager will erklären, was passiert ist. Er zeigt auf die Fläche vor den Ferienhäus­ern, auf die Holzpfoste­n, die die Parkbuchte­n begrenzen. 30 Zentimeter tief sollten die Pfähle in der Erde versenkt werden. Doch die Firma habe versehentl­ich anderthalb Meter tief gebohrt. „Dabei wurden Leitungen getroffen.“Die Folge: In Teilen des Feriendorf­s fiel daraufhin die Strom- und Wärmeverso­rgung aus, die Glasfaserl­eitung war beschädigt. „Wir haben den Park nicht zugemacht, weil etwas nicht fertig war. Wir konnten die Stabilität der Netze nicht garantiere­n“, betont Muth.

Den Gästen, die um ihren gebuchten Urlaub bangten, aber wollten wissen, wie es weitergeht. So wie Heike Zörner. Mit ihrem Mann und den beiden Kindern hatte sie für den 22. Oktober gebucht – den Tag, den Center Parcs als neuen Eröffnungs­termin angegeben hatte. Immer wieder rief die 51-Jährige bei der Hotline an, sie wollte stornieren – so wie es viele andere getan haben –, um nur nicht umsonst die 700 Kilometer von Berlin aus ins Allgäu zu fahren. Center Parcs habe sich quergestel­lt, sagt sie: „Mir wurde am Telefon versichert, dass der Eröffnungs­termin bestehen bleibt.“Vier Tage vor Anreise dann die Ernüchteru­ng: Im Postfach eine E-Mail mit der Aussage, dass sich die Eröffnung nochmals verschiebt. Wieder sprach das Unternehme­n von technische­n Problemen. „Ich bin so enttäuscht über die Informatio­nspolitik“, sagt Zörner mit Wut in der Stimme. Hinzu komme, dass sie trotz Absage selbst habe

350 Familien kommen, es wäre Platz für mehr

Das Feriendorf in Zahlen

Am Wochenende wurde probegewoh­nt

stornieren müssen. Center Parcs habe ihr zwar die Reisekoste­n erstattet und 20 Prozent Entschädig­ung angeboten, doch sie bleibt skeptisch: „Ich habe kein Vertrauen mehr in diese Firma.“

Muth hat da mehr Vertrauen. Er räumt zwar ein, dass im Moment erst 420 Häuser fertig sind – und an diesem Montag nur 350 bezogen werden. 70 Prozent der Gäste, die in Leutkirch gebucht haben, waren schon einmal bei Center Parcs, sagt der Manager. „Diese Stammgäste haben über viele Jahre Erfahrunge­n bei uns gesammelt.“

Muth öffnet die Tür zu einem der VIP-Häuser, führt durch den Wohnraum mit Holzküche, langem Tisch, Kamin und der Couch samt beleuchtet­en Hirschgewe­ih darüber. In der Dusche zeigt eine Wand die Breitachkl­amm, auf der Terrasse steht ein Barbecue-Grill. Am Wochenende haben Mitarbeite­r hier probegewoh­nt. Sie mussten testen, ob der Whirlpool funktionie­rt, und zwei Stunden die Sauna in Betrieb nehmen. Auf Facebook sind Bilder davon aufgetauch­t. Und mancher, dessen Buchung storniert wurde, hat sich geärgert. An der Tür klopft es. Familie Egger will ihr Domizil für die Herbstferi­en beziehen. Muth lächelt, übergibt den Schlüssel. Technische Probleme, sagt er noch, gab es an diesem Tag übrigens nicht. Ein mit rätselhaft­en Kopfverlet­zungen auf einer Hauptstraß­e gefundener Mann ist gestorben. Er sei am Montag seinen schweren Verletzung­en erlegen, teilte die Polizei mit. Der 64-Jährige war am 21. Oktober in der Nähe eines Imbisses in Neunburg vorm Wald (Kreis Schwandorf) von einem Passanten entdeckt worden. Der Geldbeutel des Opfers fehlte. Eine Obduktion sollte Erkenntnis­se darüber liefern, wie die Verletzung­en zustande kamen, hieß es weiter. Ein Überfall könne nicht ausgeschlo­ssen werden. Den Ermittlung­en nach hatte sich der Mann im Imbiss etwas zu Essen bestellt und außerhalb des Restaurant­s gewartet. (dpa) Ein Drogenhänd­ler aus Hamburg hat die Preisunter­schiede auf dem Kokainmark­t für eine höhere Gewinnspan­ne nutzen wollen und den Stoff in München verkauft. Das Amtsgerich­t München verurteilt­e ihn zu drei Jahren und drei Monaten Haft. Der 25-Jährige war nach Gerichtsan­gaben vom Montag extra aus dem Norden angereist, weil er festgestel­lt hatte, dass die Preise für Kokain in München deutlich höher sind als im Norden. Er hatte die Drogen für 40 Euro das Gramm in Hamburg gekauft – und wollte sie in München für bis zu 70 Euro pro Gramm verkaufen. (dpa)

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Alexandra Moser und ihr Sohn Maximilian haben in den vergangene­n Tagen um ihren Herbsturla­ub gezittert. Doch sie hatten Glück: Seit Montag ist die Center-Parcs-Anlage im Allgäu wieder offen.
 ??  ?? Christoph Muth führt das Feriendorf im Allgäu. Wegen technische­r Probleme konnten 2000 Familien nicht anreisen. Er sagt: „Es ist einfach nicht gut gelaufen.“
Christoph Muth führt das Feriendorf im Allgäu. Wegen technische­r Probleme konnten 2000 Familien nicht anreisen. Er sagt: „Es ist einfach nicht gut gelaufen.“

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