Mittelschwaebische Nachrichten
Auszubildende händeringend gesucht
Welche Branchen von der aktuellen Entwicklung besonders betroffen sind und welche Projekte für eine Entspannung auf dem Ausbildungsmarkt sorgen sollen
Der Ausbildungsmarkt 2018 ist analysiert – die Zahlen sind vor allem aus Arbeitnehmersicht hervorragend, erklärte der Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Donauwörth, Richard Paul im Rahmen einer Pressekonferenz bei der Firma Haus Gerstlauer Amusement Rides in Münsterhausen. Wie schon im vergangenen Jahr übersteigt auch 2018 in Schwaben das Angebot an Ausbildungsplätzen die Zahl derer, die eine Lehrstelle suchen.
Bei einer am Tag zuvor verkündeten, nie da gewesenen Arbeitslosenquote von 1,5 Prozent, ist zwar die Zahl der Bewerber um einen Ausbildungsplatz im Berichtsraum 2017/2018 um 144 auf 3894 gestiegen, während das Stellenangebot um 48 auf 4605 sank. Doch das ändert nichts an den grundlegenden Fakten. Zum Stichtag Ende September waren noch immer 592 Stellen, davon 350 in Westschwaben (Landkreise Günzburg und Neu-Ulm) unbesetzt. Firmen aus Handwerk und Industrie suchen weiter händeringend nach Auszubildenden.
Die Handwerkskammer hat sogar eine Lehrstellenbörse und eine App entwickelt, um Interessenten auch jetzt noch den Einstieg in die Berufsausbildung zu ermöglichen, erklärt Anette Göllner, zuständig für Ausbildung bei der HWK Schwaben. Denn trotz der zahlreichen unbesetzten Ausbildungsplätze gibt es junge Menschen in Westschwaben, die noch keinen Lehrvertrag geschlossen haben.
Die Gründe, warum die noch nicht versorgten jungen Leute nicht eine der offenen Stellen annehmen, sind vielfältig. An erster Stelle steht der Berufswunsch, der mit dem Angebot womöglich nicht kompatibel ist. Aber da ist auch, stellt Josefine Steiger von der IHK fest, oftmals die Entfernung zwischen Ausbildungsstelle und Wohnort ein Hemmnis. Die Schulabgänger haben noch keinen Führerschein und der öffentliche Personennahverkehr sei oft unzureichend.
Erschwerend hinzu komme der Rückgang der Schülerzahlen und eine Tendenz zur Akademisierung, bei dem die HWK allerdings bereits eine Trendwende ausgemacht hat. Denn die Zahl der Abiturienten steigt, die sich nach der Schule für eine Berufsausbildung entscheiden. Die IHK Schwaben hat mit gezielten Maßnahmen zur Ausbildung von Flüchtlingen 510 Ausbildungsstellen besetzen können. Das sind fünf Prozent aller neuen Ausbildungsverträge in ihrem Zuständigkeitsbereich. Im Bereich der Agentur für Arbeit Donauwörth sind es 104 Personen, 74 davon in Westschwaben. Von 2015 bis 2017 konnten bereits 1200 Flüchtlinge in IHK-Berufsausbildungen gebracht werden. Nun haben die ersten bereits ihre Abschlussprüfung erfolgreich abgelegt.
Der „Mangelware“Azubi stehen immer mehr Ausbildungsbetriebe gegenüber. Sowohl die IHK als auch die Handwerkskammer verzeichnen eine deutliche Zunahme an Anbietern und an Ausbildungsplätzen. Ziel ist eine langfristige Fachkräftesicherung. So steigen Firmen, die über lange Zeit aus der Ausbildung ausgestiegen waren, wieder ein, andere bieten über die bisherigen Berufsfelder neue Berufe an. Und die Zahl der Erstausbilder ist im Handwerk um 50, in der Industrie um 400 signifikant angestiegen.
Mit zahlreichen Projekten wie der Teilzeitausbildung, der Ausbildung für junge Erwachsene oder speziell für junge Mütter sollen Personengruppen über die Agentur für Arbeit für eine Ausbildung erschlossen werden, die mit dem konventio15 nellen Ausbildungsablauf Probleme haben. Heute werden keine potenziellen Auszubildenden in speziellen Maßnahmen „geparkt“. Gerade eine Klassenstärke beträgt im Landkreis Günzburg die Zahl der angehenden jungen Auszubildenden, die über eine Berufsvorbereitungsmaßnahme den richtigen Einstieg suchen, „Das sind oft Schulabgänger, die noch sehr jung sind,“erklärt Armin Hirschbeck, Teamleiter Berufsberatung. Aber auch für die jungen Leute, die während der Ausbildung in eine Krise geraten, steht die Agentur für Arbeit zur Seite. Die Personengruppe, die entsprechende Angebote in Anspruch nehmen muss, ist laut Richard Paul klein. Lediglich rund 15 Auszubildende nutzen in ganz Westschwaben das Angebot. Solche Hilfen sollen verhindern, dass arbeitsfähige Personen ohne eine qualifizierte Ausbildung ins Berufsleben gehen. Denn für die ist das Risiko, arbeitslos zu werden und längerfristig zu bleiben überdurchschnittlich hoch.
Das Zahlenmaterial der Agentur bezieht sich nur auf gemeldete Daten. Man könne in die Berechnungen nur die Bewerber und Anbieter aufnehmen, die mit der Agentur in Kontakt getreten seien. Nicht selten aber würden Arbeitgeber und Auszubildende ohne Vermittlung durch das Amt zusammenfinden.
Dazu tragen offenbar auch die zahlreichen Praktika bei. So erfährt die Arbeitsagentur beispielsweise auf direktem Wege wenig über die Ausbildungssituation in Sozialberufen. Die sind zum überwiegenden Teil als schulische Ausbildung mit Praktika organisiert und nicht im dualen Ausbildungssystem. Auch die Vertreter der IHK und der HWK bedauern, dass sich die großen Arbeitgeber im Sozialbereich nicht in einer Kammer organisieren wie dies Handwerk und Industrie getan haben.
Unter den bei der Agentur für Arbeit organisierten Berufen leiden vor allem Betriebe des Handels, insbesondere des Lebensmitteleinzelhandels unter dem Lehrlingsmangel. Aber auch das Bauhandwerk und die Bereiche Nahrungsmittel, Gastronomie finden kaum Bewerber.