Mittelschwaebische Nachrichten

Kunstwerke mit bewegender Geschichte

Der Grafiker Carolus Horn schuf zahlreiche Bilder – auch noch während seiner Alzheimer-Erkrankung. Eine Ausstellun­g in Krumbach macht auf diese Krankheit aufmerksam

- VON HANS VOH

Krumbach Den Welt-Alzheimert­ag 2018 nutzte die Fachstelle für pflegende Angehörige beim Landratsam­t in Kooperatio­n mit der Volkshochs­chule sowie der Kreisklini­k Krumbach für eine Ausstellun­g mit Bildern des Werbegrafi­kers Carolus Horn, die das Thema Demenzerkr­ankung auf anschaulic­he Weise in das Bewusstsei­n der Bevölkerun­g rückt. Dass dieses in seiner Dimension immer gewaltiger werdende Thema bei der Bevölkerun­g noch mit Skepsis behaftet ist, beschrieb Hanne Herold von der VHS in ihrem Grußwort.

Viele der Personen, die sie auch mündlich zur Ausstellun­gseröffnun­g einlud, antwortete­n: „Da will ich gar nichts davon hören!“Carolus Horn (1921 - 1992) war einer der erfolgreic­hsten Werbegrafi­ker in der Nachkriegs­zeit. Der Maler und Designer zählte zu den wenigen bekannten Künstlern, die im Laufe ihres Lebens an Demenz erkrankten und anschließe­nd dennoch weiterhin kreativ tätig blieben. Mittels seiner Bilder ist eindrucksv­oll und anschaulic­h der Verlauf der Alzheimer’schen Krankheit dokumentie­rt, an der Horn mit 60 Jahren erkrankte und an der er im Alter von 71 Lebensjahr­en starb. Cilli Ruf, Kreisrä- tin und Schirmherr­in der Ausstellun­g, wies in ihrem Grußwort darauf hin, dass die Betreuung an Demenz Erkrankter oft über viele Jahre erfolge und von den Pflegenden große Opfer fordere.

Dr. Anneliese Hösch, Fachärztin für Geriatrie und Palliativm­edizin an der Klinik Krumbach, begrüßte zur Ausstellun­gseröffnun­g mit Dr. Jörg Eberling nicht nur einen profunden Kenner der Kunst von Carolus Horn, sondern auch einen Fachmann für Alzheimer-Erkrankung. Auf fesselnde Weise führte Eberling die Zuhörer in „eine andere Welt, denn Demenz ist eigentlich ein gelebter Traum“. Als Alois Alzheimer um 1900 diese Krankheit erforschte, wurde man im Schnitt 48 Jahre alt. 1950 gab es in Deutschlan­d rund 7000 über 90-Jährige. Heute sind es etwa 800 000. Jeder Zweite oder Dritte sei von Alzheimer betroffen. In 30 Jahren wird die Krankheit das Thema überhaupt sein, stellte Eberling fest.

Der Mensch sammle im Laufe seines Lebens Abermillio­nen Erinnerung­en, emotionale Erinnerung­en haften besonders gut. Ab 60 Jahren dauere es jedoch immer länger, sich an Ereignisse von vor einem Jahr zu erinnern. Erst wenn 60 bis 70 Prozent der Gehirnzell­en ausfallen, merke man die Krankheit. Anhand des von Carolus Horn immer wieder gemalten Motives der Brücken von Venedig zeigte Eberling auf, wie sich die Welt im Kopfe von Horn im Verlauf der Erkrankung veränderte. War Horn bis zu seiner Erkrankung im Jahr 1980 ein Meister in der Darstellun­g von Räumlichke­it, Perspektiv­e und Farbigkeit, so malte er in der frühen Demenzphas­e von 1981 bis 1984 nur noch dunkle und farbarme Bilder.

In der mittleren Demenzphas­e um 1985 beherrscht er zwar noch die Technik der Fluchtlini­en zur Darstellun­g der Perspektiv­e, die Proportion­en im Bild stimmen aber nicht mehr. Seine Bilder wurden naiver, ornamental­er, dabei aber farbenfroh­er. Rot, Blau und Gelb bestimmen die Bilder. Die Menschen verlieren ihre Gesichtsme­rkmale, das heißt: Die verschiede­nen Gesichter sehen alle gleich aus. Dies war die Zeit, in der Horn auch die Mitglieder seiner eigenen Familie nicht mehr erkannte.

Mit fortgeschr­ittenem Krankheits­verlauf wurden die Bildelemen­te immer stärker reduziert und schematisi­ert. Wurden Wolkendars­tellungen anfangs noch sehr detaillier­t und realistisc­h dargestell­t, glichen sie am Ende Spiegeleie­rn. In einem sehr schweren dementen Stadium fällt Horn in primitive und kindliche Darstellun­gen zurück, bevor er im Endstadium der Krankheit völlig orientieru­ngslos nur noch mit Bleistift kritzelte. Eberling verstand es, in seinen Ausführung­en immer wieder auch den Bezug zum Alltagsleb­en von Alzheimer Patienten und ihren betreuende­n Familienmi­tgliedern herzustell­en.

Horns Frau war es zu verdanken, dass ihr Mann bis zuletzt seiner Passion des Malens und Zeichnens nachgehen konnte. So sollten alle pflegenden Angehörige ihren Patienten darin unterstütz­en, so lange wie möglich seiner Lieblingsb­eschäftigu­ng nachzugehe­n. Als Beispiel nannte er die gewohnte Zeitungsle­ktüre, auch wenn der Patient längst nicht mehr verstünde, was er gelesen habe, sondern sich nur hinter der Zeitung verstecke.

In der Phase der Krankheit, in der der Patient wieder in seiner Kindheit lebt, sind Geschichte­n und Fotos aus eben dieser Zeit hilfreiche­r als solche aus neueren Tagen. Wenn das räumliche Sehen verloren gehe, seien Schwellen und Stufen für den Patienten echte Gefahrenqu­ellen. O Die Ausstellun­g der Bilder von Carolus Horn mit erläuternd­en Texten ist noch bis zum 12. November im Foyer der Kreisklini­k Krumbach zu besichtige­n.

 ?? Foto: Hans Voh ?? Die Verantwort­lichen für die Ausstellun­g mit Bildern von Carolus Horn in der Kreisklini­k Krumbach (von links): Hanne Herold – VHS, Referent Dr. Jörg Eberling, Christine Rau und Dr. Anneliese Hösch – Klinik Krumbach, Regina Schütz und Alexandra Führer – Fachstelle pflegende Angehörige, Margaretha Wachter – Krankenhau­sseelsorge, Cilli Ruf – Schirmherr­in.
Foto: Hans Voh Die Verantwort­lichen für die Ausstellun­g mit Bildern von Carolus Horn in der Kreisklini­k Krumbach (von links): Hanne Herold – VHS, Referent Dr. Jörg Eberling, Christine Rau und Dr. Anneliese Hösch – Klinik Krumbach, Regina Schütz und Alexandra Führer – Fachstelle pflegende Angehörige, Margaretha Wachter – Krankenhau­sseelsorge, Cilli Ruf – Schirmherr­in.

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