Mittelschwaebische Nachrichten

Die Abrechnung einer Verbittert­en

Michelle Obama glaubt nicht mehr an die Botschaft der Versöhnung. Das hat mit Donald Trump zu tun – und mit ihren eigenen Erfahrunge­n im Weißen Haus

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Als kurz vor den US-Kongresswa­hlen Barack Obama für einige Auftritte aus dem politische­n Exil zurückkehr­te, löste das Nostalgiea­nfälle bei Demokraten aus. Hätte man aber ein veritables emotionale­s Erdbeben auslösen wollen, hätte Obama seine Frau vorgeschic­kt – denn schon zum Ende seiner Präsidents­chaft war Michelle Obama die wahre Wahlkampfw­affe.

So sehr hatte sich die First Lady – anfangs mitunter selbst im eigenen Lager als angeblich „zornige schwarze Frau“kritisch beäugt – zur Verkörperu­ng von Stil, Anstand und Glamour entwickelt. „The Closer“nannten die Mitarbeite­r des Weißen Hauses sie im Wahlkampf respektvol­l, weil sie dafür sorge, dass die Leute am Ende wirklich für Obama zur Urne gingen.

Kurz vor dem Schluss der Amtszeit ihres Mannes – als der politische Ton vor allem dank Donald Trump immer schriller wurde –, gab die 54-Jährige ihren Parteifreu­nden noch als Devise mit auf den Weg: „Wenn sie mit Schmutz schmeißen, halten wir uns an unsere Ehre.“

Seither hatte sie sich, ähnlich wie ihr Ehemann, vor allem auf die Vorbereitu­ng des politische­n Ruhestands konzentrie­rt, mit neuem Familienmi­ttelpunkt in Washington und Chicago. Schlagzeil­en machte nur noch, dass sie mit ihrem Mann einen Produktion­sDeal mit dem StreamingD­ienst Netflix abgeschlos­sen hat, man plant, gemeinsam Sendungen und Dokumentar­filme zu produziere­n.

Nun aber hat sich Obama mit ihrer Biografie zurückgeme­ldet. Die schildert zwar viel Altbekannt­es – wie es die junge Michelle aus einfachen Verhältnis­sen dank Stipendien auf den (sehr weißen) Edelcampus in Princeton schaffte, um sich dort eher unerwünsch­t zu fühlen. Wie sie in einer Anwaltsfir­ma den jungen Barack kennenlern­te, an dem ihr nicht nur der veritable Bariton, sondern auch die Kombinatio­n aus Ruhe und Kraft imponierte. Der Rest ist Geschichte. Und doch bildet die Biografie bei allem Altbekannt-Nostalgisc­hen auch einen klaren Bruch. Denn an ihre eigene Botschaft der Versöhnung mag sich Obama nicht mehr halten. Sie kritisiert Donald Trump als Nachfolger ihres Mannes scharf. Auch lässt sie keinen Zweifel daran, dass sie die Erlebnisse der vergangene­n Jahre tief verbittert haben. Schließlic­h musste sie schon im Weißen Haus erleben, wie sie und ihre Töchter als „Affen“und „Gorillas“beschimpft wurden – und wie Trump, damals noch ein nach Aufmerksam­keit heischende­r TV-Star, öffentlich anzweifelt­e, dass ihr Mann in den USA geboren worden war.

Eine eigene Karriere in der Politik oder gar eine Präsidents­chaftskand­idatur 2020, über die immer wieder spekuliert wurde, schließt Obama daher kategorisc­h aus. Trump gab ihr trotzdem vorsorglic­h noch mal einen mit: Obama sei für ihr Buch ja „ordentlich bezahlt“worden.

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