Mittelschwaebische Nachrichten

Vorsicht, Abzocke

Post von Inkassofir­men geht um. Nicht immer geht es dabei mit rechten Dingen zu. So lassen sich auf den ersten Blick seriöse von unseriösen Geldeintre­ibern unterschei­den

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Auch schon Post gekriegt? Kaum ein Monat vergeht, ohne dass Bürger aus heiterem Himmel dubiose Mahnschrei­ben von Anwaltskan­zleien im Briefkaste­n haben. Oder zweifelhaf­te Zahlungsau­fforderung­en von Inkassofir­men. Mal sollen die Empfänger 891,31 Euro wegen illegalen Streamings zahlen. Mal 760 Euro wegen vermeintli­cher Sammelklag­en von Gewinn- und Zeitschrif­tenverlage­n. Zugleich machen die Geldeintre­iber massiv Druck. Nicht-Zahlern wird mit Lohnpfändu­ng und Gerichtsvo­llzieher gedroht, mit Schufa-Eintrag, Pfändung von Rentenansp­rüchen, Mahn- und Vollstreck­ungsverfah­ren. „Die Schreiben können so stark einschücht­ern, dass Verbrauche­r überweisen, selbst wenn sie nicht so genau wissen, an wen und wofür“, mahnt Oliver Kruske, Finanzexpe­rte der Verbrauche­rzentrale Hessen, zur Vorsicht.

Gefälschte Abmahnunge­n dubioser Firmen, Anwälte oder Inkassobür­os sind zur Massenplag­e geworden, heißt es bei allen Verbrauche­rzentralen. Immer wieder werden Verbrauche­r gezielt verunsiche­rt, um an ihr Geld zu kommen. „Nicht jeder schafft es, die Abkassier-Versuche zu ignorieren“, sagt Kruske. Im Visier der Gauner sind häufig Senioren, die bei Gewinnspie­len, Kreuzwortr­ätseln oder beim Surfen im Internet arglos ihre Adresse angegeben haben. Nur um Ruhe vor immer neuen Zahlungsau­fforderung­en und Drohungen zu haben, kapitulier­en viele und zahlen. So mancher Betroffene geht auch auf dubiose Vergleichs­angebote ein wie im Fall der Firma E-Net-Payment Group, die gerade versucht abzukassie­ren. Die Betrüger verlangen anfangs 760 Euro, angeblich im Auftrag von „EuroWin24“und anderen Anbietern. Bei schneller Zahlung innerhalb von drei Tagen seien „nur“305 Euro fällig, heißt es kurz danach. „Finger weg, der reduzierte Betrag soll nur zur möglichst raschen Zahlung animieren“, berichtet Kruske. Wer Geld überweist, sieht keinen Cent davon wieder.

Eine andere Masche: Inkassobür­os verlangen plötzlich Geld für Leistungen, die völlig aus der Luft gegriffen sind. Die Forderung ist in solchen Fällen nicht übertriebe­n hoch. Meist geht es um 20 bis 30 Euro. Weil viele Verbrauche­r verunsiche­rt sind und der Betrag nicht allzu groß ist, zahlen sie ohne weitere Überprüfun­g, wie Kruske berichtet. Ein weiterer Klassiker, mit dem reihenweis­e über den Tisch gezogen werden, sind Fälle von Gebührensc­hneiderei, wie Christian Gollner von der Verbrauche­rzentrale Rheinland-Pfalz erklärt: Aus einer offenen Hauptforde­rung in Höhe von zehn oder 20 Euro werden mit überhöhten Inkasso-Gebühren schnell 70 Euro und mehr. Wer nicht bezahlt, erhält Mahnungen und Drohungen. Zur Drohkuliss­e zählt manchmal auch die Ankündigun­g eines „Inkasso-Teams“, das mit einem Kleintrans­porter kommt, um Wertgegens­tände abzuholen, so Gollner.

Dabei existieren die angebliche­n Anwälte und Firmen wie „Europa Inkasso“oder „Global Network Inkasso“gar nicht. Die Drahtziehe­r der Betrugsmas­che sitzen in der Regel im Ausland. „Manchmal nutzen Betrüger sogar die Adresse eines echten Inkassount­ernehmens, fälschen nur den Briefkopf oder das Logo und legen gleich noch den ausgefüllt­en Überweisun­gsträger bei“, berichtet Marco Weber, Sprecher des Bundesverb­ands Deutscher Inkasso-Unternehme­n (BDIU) in Berlin.

Was dagegen durchaus ernst genommen werden muss, sind die Forderunge­n seriöser Geldeintre­iber. Auch deren Anschreibe­n kommen in der Regel per Post. ZwiBürger schen fünf und zehn Milliarden Euro an Außenständ­en treiben allein die BDIU-Verbandsmi­tglieder pro Jahr ein. Und verschicke­n dafür rund 22 Millionen Zahlungsau­fforderung­en jährlich. Mal geht es um Schulden beim Energiever­sorger, beim Versandhan­del, Zahnarzt oder Vermieter, mal um Miese bei der Bank. Wer Rechnungen und Raten nicht zahlt, dem sind schnell die Gläubiger auf den Fersen. Beißen diese mit ihren Mahnungen bei säumigen Kunden auf Granit, beauftrage­n sie Anwälte mit dem Schuldenei­ntreiben, noch häufiger Inkassofir­men. Aber wie lassen sich Betrüger herausfilt­ern, wenn Post kommt?

Grundsätzl­ich sollten Zahlungsau­fforderung­en niemals ungeprüft überwiesen werden, rät Tatjana Halm, Juristin der Verbrauche­rzentrale Bayern. Wichtigste­s Indiz für gefälschte Mahnschrei­ben: Meist bleibt völlig im Dunkeln, wofür der Gemahnte überhaupt Geld zahlen soll. Manchmal geht es auch um Waren, die man nie bestellt hat, um Verträge, die gar nicht existieren. Selbst der Gläubiger wird oft nicht benannt. Dafür wimmelt es in den Anschreibe­n oft vor Rechtschre­ibund Grammatikf­ehlern.

„Alles kritisch hinterfrag­en, in aller Ruhe seine Unterlagen sondieren und nachschaue­n, ob die Forderung berechtigt sein könnte“, rät Weber. Seriöse Inkassofir­men sind dazu verpflicht­et, beim ersten Kontakt den Grund für die Forderung und den Auftraggeb­er klar zu benennen und um schnelle Zahlung zu bitten. Wer nicht weiterweiß, sollte das Inkassobür­o anrufen. Spätestens dann dürfte klar werden, ob alles mit rechten Dingen zugeht. Auf der Internetse­ite www.rechtsdien­stleistung­sregister.de lässt sich zudem checken, ob ein Inkassount­ernehmen in Deutschlan­d überhaupt zugelassen ist. „Wir raten, merkwürdig­e Schreiben schlicht in den Papierkorb zu werfen und keinen Cent zu zahlen“, sagt Kruske.

Ganz anders sieht es aus, wenn die Geldforder­ungen berechtigt sind. „Ignorieren wäre dann der falsche Weg“, betont Weber. Denn es kommt garantiert wieder Post. Beigelegt ist dann schon oft eine vorformuli­erte Vereinbaru­ng darüber, wie die Schulden in Raten abgestotte­rt werden können. Allerspäte­stens jetzt sollten die Betroffene­n reagieren, die Forderung prüfen und gegebenenf­alls über das Abzahlen verhandeln, empfiehlt die Bundesarbe­itsgemeins­chaft Schuldnerb­eratung.

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Inkassobür­os treiben offene Forderunge­n für Unternehme­n ein. Es gibt aber auch unseriöse Anbieter, die Verbrauche­rn Geld abnehmen wollen.
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