Mittelschwaebische Nachrichten
Das Ende einer Ära
Zehn Jahre hat Horst Seehofer die Geschicke seiner Partei gelenkt – erst in guten, dann in schlechten Zeiten. Nun hat er seinen Rücktritt als CSU-Chef angekündigt. Wie es jetzt weitergeht
aber, dass es einen „stimmigen, überzeugenden Dreiklang“von Partei, Inhalt und Personal geben müsse. Dann zitieren die Unterzeichner Juso-Bundeschef Kevin Kühnert mit den Worten: „Machen wir uns nichts vor. Erneuerung läuft auch über Gesichter.“Auch auf Bundesebene müsse über Köpfe geredet werden.
Auf einem Parteitag vor zwei Wochen in Günzburg hatte Kohnen noch viel Unterstützung von Teilnehmern erhalten. Kein Redner stellte sie offen infrage. Kohnen hatte bei dem Parteitag ihre umstrittene Kampagne zur Landtagswahl – ihr Konterfei auf den Wahlplakaten mit großen Schlagworten wie „Anstand“oder „Haltung“– verteidigt.
In dem offenen Brief ist nun hingegen von „beliebig einsetzbaren Schlagworten ohne tiefere Aussage“die Rede. „Der an zu vielen Stellen inhaltsleere Wahlkampf wurde in eine auf die Person der Spitzenkandidatin konzentrierte Kampagne verpackt“, wird kritisiert.
Sie gehen am Nachmittag fast wortlos hinein und kommen kurz vor 20.30 Uhr fast wortlos wieder heraus. Keiner der CSU-Bezirksvorsitzenden mag vor den Kameras etwas zum bevorstehenden Abgang von CSU-Parteichef Horst Seehofer sagen. Zu heikel ist das Thema, zu angespannt sind die Nerven. Und doch ist es abends dann allen klar: Die Ära des Mannes, der zehn Jahre lang die Geschicke der CSU – zuerst in guten, dann in schlechten Zeiten – lenkte, geht zu Ende.
Der Auftakt ist grotesk. So gerne Politiker sich sonst reden hören, so konsequent drücken sich die CSUGranden an diesem Nachmittag um brauchbare Aussagen herum. Seehofer kommt um 15.22 Uhr und merkt nur lapidar an: „Es gibt nix. Ingolstadt hat 1:1 gespielt. Bayern hat verloren. Das Wetter ist schön.“Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer spurtet vorbei. „Ich bin erkältet.“Ex-Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich gibt den stillen Beobachter. „Schau mer mal, sagt der Philosoph.“Wissen die Damen und Herren zu diesem Zeitpunkt schon, dass sich ihr Vorsitzender nach zehn Jahren im Amt und drei Wahlpleiten in Folge dem Druck aus der Partei beugt und den Vorsitz wie – über kurz oder lang – wohl auch das Amt des Bundesinnenministers abgibt? Oder gibt es da immer noch die unterschwellige Sorge, dass der Beharrungskünstler Seehofer es sich doch noch einmal anders überlegt und offener Streit unausweichlich wird? Wahrscheinlich stimmt beides. Offensichtlich aber ist: Keiner der CSU-Granden will noch Öl in das Feuer gießen, das ohnehin schon lichterloh brennt. Allen ist klar: Es muss ein Ende haben, und zwar eines, das der Partei nicht noch weiter schadet.
Stundenlang kommt niemand vor die Tür. Kaum SMS-Nachrichten dringen nach draußen. Der CSUChef, seine Stellvertreter und die Bezirksvorsitzenden ringen um die Aufstellung der Kandidatenliste für die Europawahl. Aber kurz vor 20.30 Uhr ist plötzlich Schluss und alle enteilen so schnell, wie sie gekommen sind – jetzt allerdings mit deutlich entspannteren Mienen.
Seehofer redet noch am meisten. Es bleibe bei dem angekündigten Fahrplan. Er werde sich nach der Vereidigung der Kabinettsmitglieder in Bayern erklären. Er wisse aber noch nicht genau an welchem Tag. Das hänge von seinen Terminen in Berlin ab. Jetzt fahre er erst einmal heim, weil das der beste Platz sei, um Entscheidungen zu treffen.
Der Grund für die entspannte Laune hat sich da schon herumgesprochen. Die CSU-Granden sind mit der Ankündigung Seehofers zufrieden. Er hat intern versprochen, er werde einem Neuanfang der Partei nicht länger im Weg stehen. Anfang kommenden Jahres soll bei einem CSU-Sonderparteitag ein neuer Parteivorsitzender gewählt werden. Ein bisschen Zeit hat Seehofer doch noch rausgeholt. Dass Ministerpräsident Markus Söder auch dieses Amt übernehmen wird, ist für die Mehrheit der CSU-Granden offenbar beschlossene Sache. Beide Ämter gehören in eine Hand, hat es schon die vergangenen Tage immer wieder geheißen. Und ein Konkurrent ist nicht in Sicht, seit sich der niederbayerische Europapolitiker Manfred Weber um das Amt des EU-Kommissionspräsidenten bemüht.
Söder wird also sehr wahrscheinlich der neue starke Mann an der Spitze der CSU sein – trotz der herben Stimmenverluste bei der Landtagswahl und obwohl ihm längst nicht alle in der Partei zutrauen, dass er sich auch auf dem schwierigen Berliner Parkett wird durchsetzen können.
Ruhig, eine nach Heu duftende Idylle voller Stille, so stellt sich mancher Städter das Landleben vor. Kein nervenaufreibender Verkehr mehr, keine lärmenden Menschen. Alles ruht in sich, man selbst auch.
Und dann werden diese Menschen, die Zuagroasten, mit der brutalen Wirklichkeit konfrontiert, wenn sie ihren Wohnsitz tatsächlich aufs Land verlegen. Da gibt es doch tatsächlich noch Kirchen, deren tonnenschwere Glocken mindestens zu jeder vollen Stunde beweisen, was sie musikalisch so drauf haben. Oder quicklebendige Kühe, die etwas kleinere, aber ebenfalls klangvolle Glocken um den Hals tragen. Heiliger Bimbam!
Letzteres ist einem Ehepaar im bayerischen Oberland ein Ärgernis. Seit drei Jahren streiten der Rinderweidenanrainer und seine Frau mit einer örtlichen Bäuerin. Von wegen Idylle. Das Gebimmel der Kühe würde ihnen den letzten Nerv rauben, behaupten die Kläger und zogen vor Gericht. Einig ist man sich bis heute nicht geworden.
Tatsache ist: Der Streit ist bereits jetzt in die Geschichte der skurrilsten Prozesse der Republik eingegangen. Allein bei Google findet man dazu 26 000 Einträge. Kein Wunder. Es geht ums große Ganze, um Existenzbedrohliches, ja um alles. Denn es geht neben dem Gebimmel auch um den Wertverlust der betreffenden Immobilie, um Gestank und um Gesundheitsgefahr durch Weidestechfliegen. Außerdem seien die Glocken Tierquälerei, meint das Ehepaar. Selbst präsentierte man einen modernen Lösungsvorschlag, die Idee, Kühe mit GPS-Sendern auszustatten. So wie im österreichischen Bregenz, wo Rindviecher solche Sender tragen, sodass der Bauer stets im Bilde ist, wo sich seine Tiere befinden.
Vielleicht sollte man die Rindviecher aber auch einfach komplett digitalisieren. Runter von der Weide, rein in die Cloud. Wenn die Glocken läuten, einfach den Ton leiser drehen. Und die Milch kann jeder online herunterladen.