Mittelschwaebische Nachrichten
Meisterhaft
Die Dortmunder wollen noch nicht über den Titel reden. Das erledigen dafür die Münchner für sie. Nach einem spektakulären Spiel ist die Favoritenfrage geklärt
Jubilar Lukas Klostermann und Yussuf Poulsen haben RB Leipzig auf Platz drei der Bundesliga geschossen. In seinem 100. Pflichtspiel für die Sachsen erzielte Abwehrmann Klostermann beim 3:0 über Bayer Leverkusen in der 68. Minute den zweiten Treffer. Yussuf Poulsen hatte RB in der 27. Minute in Führung gebracht und sorgte in der 85. Minute für den Endstand. Damit blieben die Leipziger auch im zehnten Liga-Spiel in Serie ungeschlagen und zum fünften Mal hintereinander ohne Gegentor.
„Wichtig war, dass die Null wieder stand“, sagte RB-Trainer Ralf Rangnick. Trotz der Lauerstellung auf die Tabellenspitze wollte der Leipziger Trainer aber nicht höhere Ziele formulieren. „Entscheidend ist, wie die Mannschaft sich entwickelt. Gegen so eine Mannschaft wie Leverkusen so wenig zuzulassen, da muss man den Hut vor den Jungs ziehen.“Leverkusen ist weiterhin nur drei Punkte von einem direkten Abstiegsplatz entfernt im unteren Tabellendrittel.
Auf die Frage nach einer möglichen Wachablösung im deutschen Fußball wollte Mats Hummels nicht taktieren. „Es kann natürlich sein, dass es in diesem Jahr einen anderen Meister gibt“, sagte der Nationalspieler nach dem 2:3 des FC Bayern München im spektakulären Spitzenspiel bei Borussia Dortmund. „Wenn man sieht, wie der BVB spielt, und dass er sieben Punkte vorn ist, wäre es arg vermessen, es nicht für realistisch zu halten, dass es in diesem Jahr so kommen könnte“, erklärte der Weltmeister von 2014.
Seine Bosse Hasan Salihamidzic und Karl-Heinz Rummenigge schwärmten derweil lieber von einer „tollen Leistung“und „sensationellem Charakter“. Auch Präsident Uli Hoeneß zeigte sich angesichts der Leistung bei „bis Weihnachten wieder optimistisch“. Bei der Suche nach dem Titelkandidaten käme aber „an Dortmund keiner vorbei“. Die Statistik zumindest sagt, dass die Bayern einen solchen Rückstand zu einem vergleichbaren SaisonZeitpunkt bisher nicht mehr aufho- len konnten. Dennoch versprach Hoeneß: „Wir werden die Meisterschaft bis zum letzten Spieltag spannend halten.“Auch Joachim Löw sieht keinen Grund, den Serienmeister der vergangenen sechs Jahre bereits abzuschreiben. „Dass es mal so eine Phase gibt, ist normal. Die Mannschaft ist auch ein bisschen im Umbruch“, sagte der Bundestrainer.
Es ist schon kurios: In den vergangenen Jahren fehlte es an Münchner Gegnern, um die Liga spannend zu machen. Nun müssen die Bayern versprechen, für Spannung zu sorgen. Schon dies zeigt die veränderte Perspektive nach nur elf Spieltagen. Zwar beherrschten die Bayern den BVB im hochklassigen Gipfeltreffen, das quasi als Werbespot für die Bundesliga in über 200 Ländern live übertragen wurde, eine Halbzeit lang. Doch dann deckten die Dortmunder die Münchner Schwächen in vielen Bereichen auf.
Eine Machtverschiebung deutet sich an. Damit dies nicht dauerhaft ist, kündigte Hoeneß schon mal an: „Im nächsten Sommer wird sich das Gesicht der Mannschaft ziemlich verändern.“Vorstandschef Rummenigge empörte sich aber eher über eine unfreiwillige Bierdusche auf der Tribüne nach dem 2:3. Auf den neuerlichen Beweis von fehlenden taktischen Vorgaben oder zumindest ihrer Umsetzung reagierte er demonstrativ gelassen. „Seit sechs Jahren gab es eine Dauerparty von Bayern München“, sagte er: „Heute hat Dortmund mal wieder die Nase vorne. Das muss man mal akzeptieren. Und bis Weihnachten eine Serie hinlegen.“
Doch es knirscht augenscheinlich weiter im Bayern-Gefüge. Torhüter Manuel Neuer fühlte sich jedenfalls von seinen Kollegen häufig im Stich gelassen. „Dortmund hatte viel mehr als drei Chancen“, sagte Neuer: „Es hat immer wieder gebrannt. Immer war wer frei.“Die Dortmunder wirken derzeit nicht nur flexibler, dynamischer und kompakter, sondern auch fitter. Und vor allem haben sie den jüngeren und breiteren Kader. Während Siegtorschütze Paco Alcácer (73. Minute) am elften Spieltag das elfte Dortmunder Joker-Tor schoss, kamen bei den Bayern kaum Impulse von der Bank.
Dennoch sei es „noch viel zu früh, über den Meistertitel zu sprechen“, sagte der wieder einmal starke Marco Reus, der die beiden Bayern-Führungen durch Robert Lewandowski (26./52.) zweimal egalisierte (49./Foulelfmeter/67.). „Nichts“würde der Ausgang des Top-Spiels für die Vergabe der Meisterschaft bedeuten, versicherte Reus hartnäckig und schwärmte lieber blendend gelaunt über die Qualität des Liga-Gipfels.