Mittelschwaebische Nachrichten
Sturm-Ära endet mit einer Pleite
Deutschland belegt beim eigenen Turnier den letzten Platz. Die Nationalspieler verabschieden sich vom Bundestrainer. Zum Abschluss wird es noch einmal emotional
Nach der Niederlage zum Abschluss seiner Amtszeit hielt sich der erfolgreichste Bundestrainer der Geschichte des Deutschen Eishockey-Bundes bei seiner Abschiedsrede ganz kurz. „Ich kann mich eigentlich nur bedanken. Es tut auch weh, Tschüss zu sagen“, bekannte Marco Sturm, der sein letztes Spiel als Coach der DEBAuswahl am Sonntag beim Deutschland Cup in Krefeld mit 0:2 (0:0, 0:0, 0:2) gegen die Slowakei verlor.
Vor 4295 Zuschauern schaffte es das deutsche Team nicht, in 60 Minuten ein Tor zu erzielen. In dem zähen Match schossen die Slowaken dagegen kurz vor Ende durch Marcel Hascak (55. Minute) und Radovan Pulis (56.) zwei binnen 24 Sekunden. Dadurch beendet Deutschland das Vier-Nationen-Turnier erstmals seit 2005 wieder als Letzter. Wie im Vorjahr gewann Olympiasieger Russland durch ein 4:2 im entscheidenden Spiel gegen den Zweiten aus der Schweiz. Der erneut große Kampf des ersatzgeschwächten deutschen Teams, das Sturm gern ein kleines Abschiedsgeschenk gemacht hätte, wurde nicht belohnt. Schon gegen Russland und die Schweiz hatte es knappe Niederlagen nach Verlängerung und Penal- tyschießen gegeben. Sturm fliegt bereits am Montag nach Los Angeles, wo er beim NHL-Team der LA Kings Assistenzcoach wird und sich für einen Cheftrainerposten in der weltbesten Liga empfehlen will.
Schon vor dem Spiel gegen die Slowakei hatten sich die Spieler öf-
Selbstredend wird das OlympiaSilber von Pyeongchang immer mit Marco Sturm in Verbindung gebracht werden. Von dem gebürtigen Dingolfinger bleibt jedoch mehr als die Eishockey-Euphorie, die der Bundestrainer und sein Team in ungeahnt breiten Bevölkerungsschichten entfachten. Sturm hat verunsicherten deutschen Eishockey-Profis den Glauben an sich selbst zurückgegeben. Vor der Ära Sturm hätte sich kaum eine WhatsApp-Gruppe unter dem Titel „Mission Gold“gebildet. In der Zeit des Tiefstaplers Hans Zach wäre fentlich mit emotionalen Worten vom sichtlich gerührten Coach verabschiedet. „Das war hart“, verriet Sturm später. Kapitän Moritz Müller kämpfte auf dem Eis mit den Tränen, als die Botschaften und Bilder von den Olympischen Spielen im Februar eingeblendet wurden. In diese Anmaßung undenkbar gewesen. Es ist dieser amerikanische Glaube, dass man wirklich jeden Gegner schlagen kann, die der ehemalige Stürmer aus seinen 1006 Einsätzen in der National Hockey League mitgebracht hat. Es hat sich gezeigt, dass Fachkompetenz alleine nicht genügt. Außerdem: In einer auch in Deutschland nordamerikanisch geprägten Sportart muss der Bundestrainer deutsch sprechen, wenn er nicht nur die Köpfe, sondern auch die Herzen der Profis erreichen will. Die Fußstapfen, in die der Sturm-Nachfolger tritt, sind riesig. Doch zunächst muss DEB-Chef Reindl einen passenden Mann finden. Pyeongchang hatte Sturm Außenseiter Deutschland sensationell zur Silbermedaille geführt – dem größten Erfolg im deutschen Eishockey überhaupt. „Für mich persönlich waren die vergangenen Jahre mit dir die schönsten überhaupt in der Nationalmannschaft“, sagte Müller. Vize-Kapitän Marcus Kink meinte: „Du warst schon als kleiner Junge mein Idol. Bleib so, wie du bist – ein überragender Typ.“Und Verteidiger Sinan Akdag sagte: „Wenn du irgendwann mal zurückkommen willst – wir werden dich mit offenen Armen empfangen.“
Ein Abschied für immer von Sturm muss es auch nicht werden. „Ich habe angeboten, dass ich immer zur Stelle bin. Ich bin ja nicht weg vom Fenster“, sagte Sturm und betonte: „Es kann alles passieren. Ich schließe nichts mehr aus in meinem Leben.“Der deutsche NHLRekordspieler war ohne TrainerErfahrung 2015 überraschend Bundestrainer geworden und etablierte das DEB-Team fortan in der erweiterten Weltspitze. Höhepunkt seiner Amtszeit war das mit 3:4 nach Verlängerung dramatisch verlorene Olympia-Finale gegen Russland, als nur 55,5 Sekunden zu Gold gefehlt hatten. Die Nationalmannschaft der Frauen hat die Länderspielserie gegen Olympia-Gastgeber Japan mit einem Unentschieden abgeschlossen. Das Team von Bundestrainer Xavier Reckinger kam am Sonntag in Osaka zu einem 1:1 (1:0). Hannah Gablac (5.) erzielte das Tor für die deutsche Auswahl. „Wir hatten als Ziel ausgegeben, diese Serie in Japan zu gewinnen, was uns gelungen ist“, sagte Reckinger. „Das ist positiv mit einem Team, das neu zusammengestellt ist.“Im ersten Aufeinandertreffen hatte sich die DHB-Auswahl mit 3:0 durchgesetzt, im zweiten gab es eine 2:3-Niederlage. Das dritte Duell hatten die deutschen Frauen am Samstag mit 1:0 gewonnen. Für Nationalspieler Jérôme Boateng ist der Kampf gegen Fremdenfeindlichkeit die wichtigste gesellschaftliche Aufgabe in Deutschland. Das sagte der 30-Jährige der
und ergänzte: „Dass die AfD bei den Wahlen zuletzt so viele Stimmen bekommen hat, zeigt, dass leider nicht alles in die richtige Richtung geht. Da müssen wir alle aufpassen.“2016 hatte der AfD-Politiker Alexander Gauland mit dem Satz empört, die Leute wollten den dunkelhäutigen Boateng nicht als Nachbarn haben. „Der Umgang mit Menschen mit Migrationshintergrund ist sicher eine der größten Herausforderungen für unsere Gesellschaft derzeit“, sagte der Profi des FC Bayern. „Und der Kampf gegen Rassismus, denn leider bekomme auch ich den weiterhin zu spüren.“Bei Auswärtsspielen in der Bundesliga machen manche Zuschauer in seine Richtung Affenlaute oder brüllen „Scheißneger“auf den Platz, wie Boateng erzählte.