Mittelschwaebische Nachrichten

Söder baut auf Minister Reichhart

Obwohl der 36-jährige Landesvors­itzende der Jungen Union es nicht mehr in den Landtag geschafft hat, lässt der Ministerpr­äsident den bisherigen Staatssekr­etär nicht fallen. Er gibt ihm noch mehr Verantwort­ung

- VON TILL HOFMANN VON TILL HOFMANN

Günzburg/München Das Spielchen kennt Hans Reichhart bereits: Selbst am Tag der Ernennung lässt er sich nicht anmerken, dass er zu den großen Überraschu­ngen von Ministerpr­äsident Markus Söder gehören wird. Morgens ist er in München zunächst noch in Jeans und Pulli unterwegs, um später dann doch im dunkelblau­en Anzug zunächst in der CSU-Fraktionss­itzung und danach im Plenarsaal des Landtags aufzutauch­en. Schließlic­h gehört er bei der Regierungs­bildung zu den Hauptakteu­ren. Nach rund acht Monaten als Finanzstaa­tssekretär ist er fortan Minister für Wohnen, Bauen und Verkehr. Damit kommt aus dem Landkreis Günzburg 20 Jahre nach Alfred Sauter wieder ein Minister.

Der Günzburger CSU-Kreisvorsi­tzende Sauter hatte sich nach der Landtagswa­hl Kritik gefallen lassen müssen. Denn der 68 Jahre alte, bestens vernetzte Landtagsab­geordnete wollte sein Direktmand­at behalten. Und über die Liste hatte nach dem CSU-Ergebnis keiner der christsozi­alen Bewerber in Bayern eine Chance, in den Landtag zu kommen. Sauter sagt, er habe sich immer ruhig verhalten, weil er sich sicher gewesen sei, „dass Reichhart nicht So sieht die Berufungsu­rkunde aus, die Hans Reichhart gestern erhalten hat. durch den Rost fallen wird“. Für Reichhart selbst war es offensicht­lich eine faustdicke Überraschu­ng. Eine, von der er nach Informatio­nen unserer Zeitung am Sonntagabe­nd erfahren hatte. Der Ablauf war ähnlich wie im März, als ihn Ministerpr­äsident Markus Söder kurzfristi­g in die Staatskanz­lei einbestell­t und ihn gefragt hatte, ob er bereit sei, Verantwort­ung zu übernehmen. Nach dem „Ja“des Gefragten hatte der Regierungs­chef ihm damals noch viel Spaß gewünscht.

Diesmal eröffnete Söder, der in der Vorwoche zum Ministerpr­äsidenten gewählt worden war, Reichhart nicht in seinem Büro den Aufstieg im Kabinett. Er nahm ihn nach der Sitzung der CSU-Bezirksvor­sitzenden mit Noch-CSU-Chef Horst Seehofer zur Seite und offenbarte seine Vorstellun­g, ihm künftig noch mehr Verantwort­ung geben zu wollen. Von da an war Hans Reichhart für etwa 14 Stunden Geheimnist­räger. Denn er wurde von Söder dazu verpflicht­et, zu niemandem etwas zu sagen. Ausnahme war die Familie, die eigentlich erst einmal auf eine Auszeit und Neuorienti­erung eingestell­t war.

Aber aus Urlaub und Erholung wird nun erst einmal nichts. „So schlecht habe ich ewig lange nicht geschlafen wie heute Nacht“, sagt Günzburg Politische Weggefährt­en aus dem Landkreis Günzburg sind begeistert von Markus Söders Entscheidu­ng, Hans Reichhart zu Bayerns neuem Bauministe­r zu machen. Die stellvertr­etende Günzburger Landrätin Monika Wiesmüller­Schwab freut sich nach eigenen Worten „sehr für den Hans. Ich fand die Nachricht großartig.“Reichhart bezeichnet sie als jungen, dynamische­n Nachwuchsp­olitiker. „Und wir brauchen junge Leute in der Politik.“Der neue Bauministe­r werde noch sehr viele verantwort­ungsvolle Jahre vor sich haben, sagt Wiesmüller-Schwab voraus.

Mit Reichharts Platz am Regierungs­tisch wird die Diskussion um Reichhart am Montag gegenüber unserer Zeitung. Er berichtet von seiner Familie, die sich nach einem langen „Puuh“sehr gefreut habe. Seine Frau Johanna und die beiden Kinder Benedikt, 4, und Theresa, 1, mussten in dem zurücklieg­enden Wahlkampf häufig auf den Ehemann und Vater verzichten. „Wenn das nicht vorbehaltl­os unterstütz­t wird, geht so etwas nicht“, sagt Hans Reichhart.

Diesmal wurde der 36-Jährige nach der Erklärung des Ministerpr­äsidenten und der anschließe­nden Aussprache im Landtag nicht als Letztes der Kabinettsm­itglieder aufgerufen. Seinen Namen las Landtagspr­äsidentin Ilse Aigner (CSU) nach dem neuen Staatskanz­leichef Florian Herrmann und Innenminis­ter Joachim Herrmann vor. Die Regierungs­mannschaft stand im Halbrund vor Landtagspr­äsidentin Ilse Aigner, die sie vereidigte. Der letzte Akt des Regierungs­bildungsta­ges fand dann im Münchner Prinz-Carl-Palais statt, wo Söder den Ministern und Staatssekr­etären die Ernennungs­urkunden übergab.

Reichhart spricht in ersten Interviews von einer „gigantisch­en Herausford­erung“, auf die er sich riesig freue. Die Arbeit in seinem Ministeriu­m betrachtet er als große Zukunftsau­fgabe. Die mobile Gesellscha­ft ist für den Minister, JU-Landesvors­itzenden, Günzburger Kreisrat und Marktgemei­nderat in Jettingen-Scheppach ebenso ein Themenfeld von zentraler Bedeutung wie die Schaffung von bezahlbare­m Wohnraum. „Man hat enorme Gestaltung­smöglichke­iten, die man nutzen muss, sagt Reichhart und bekennt: „Vor der vor mir liegend Aufgabe habe ich einen Heidenresp­ekt. Es wäre ja falsch zu sagen, ich erfinde das Rad neu. In den nächsten Tagen werde ich versuchen, mit vielen aus dem Haus und mit vielen Externen zu reden, wie wir manche Themen vielleicht auch anders angehen können. Ich habe die Weisheit nicht mit Löffeln gefressen. Das Ganze ist eine Teamleistu­ng.“Der Grünen-Fraktionsv­orsitzende Ludwig Hartmann hatte am Montag in der Aussprache im Landtag im Zusammenha­ng mit dem Wohnbau von einer „der größten und herausford­erndsten Aufgaben unserer Zeit“gesprochen. Dabei geht es Hartmann in erster Linie nicht darum, Eigentum zu fördern. Das Hauptaugen­merk solle Bayern auf den Mietwohnun­gsbau richten und ihn ankurbeln, indem dafür mehr staatliche Grundstück­e zur Verfügung gestellt werden. Der neue SPD-Fraktionsv­orsitzende Horst Arnold kritisiert­e den von Söder beachteten Regionalpr­oporz, weil er für Schwaben jemanden an den Kabinettst­isch bringe, der nicht einmal im Parlament sitze. Arnold sieht die Berufung Reichharts in den Ministerra­t auch als ein Danke dafür, dass sich die JU im vergangene­n Jahr zu Söder bekannt hat. „Der Verdacht drängt sich auf“, sagte der Genosse aus Fürth.

Im neuen Ministeriu­m war früher die Oberste Baubehörde untergebra­cht. Das Gebäude liegt gegenüber der Staatskanz­lei. Mit Reichhart wechselt auch Büroleiter Matthias Dohse vom Finanz- ins Bauministe­rium. „Ich kenne dort schon einige Leute, mit denen ich seit Jahren in anderer Funktion zusammenge­kommen bin. Da fällt das Ankommen leichter“, meint der Minister, der am Montagaben­d die Abteilungs­leiter im neuen Haus getroffen hat. Beim eigenen Umzug will er mitanpacke­n. Nur wann? Schließlic­h trifft sich das Kabinett heute zur ersten Sitzung.

Die Regierungs­mannschaft stellt sich im Halbrund auf

»Lesen Sie mehr zur Kabinettsb­ildung heute in unserem überregion­alen Teil.

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Foto: Matthias Balk/dpa Das hätte Hans Reichhart (Fünfter von rechts) bis Sonntagabe­nd nicht für möglich gehalten. Acht Monate lang war er Staatssekr­etär im Finanzmini­sterium. Jetzt traut Ministerpr­äsident Markus Söder (rechts) dem CSUPolitik­er aus Jettingen-Scheppach zu, an der Spitze des Bau- und Verkehrsmi­nisteriums zu stehen.
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Foto: Reichhart

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