Mittelschwaebische Nachrichten

Die Zeit der Haarspalte­r

- VON ERICH PAWLU redaktion@mittelschw­aebische-nachrichte­n.de

Es heißt: „Wir wollen sein ein einig Volk von Brüdern.“Das schrieb Schiller. Heute behaupten alle Medien, dass wir ein gespaltene­s Volk sind. Donald Trump, die Asylantenf­rage, Friedrich Merz und der Dieselmoto­r erweisen sich als besonders wirksame Spaltstoff­e.

Trotz erlebter Spaltung in Bundesrepu­blik hüben und DDR drüben ist die Politik von der neuerliche­n Spaltbarke­it der Volksseele überrascht. Aber schon flüstern die profession­ellen Besänftige­r durch jeden Türspalt ihre Beruhigung­en: Auch in der Kunst erzeuge erst der Zwiespalt von Hell und Dunkel die richtige Bildspannu­ng. Und korrekte Spaltung sei nicht nur beim Holzhacken erwünscht. Auch das hitzige Zwiegesprä­ch zwischen Ehepartner­n lebe von gespaltene­n Ansichten. Schlimmer als die nationale Spaltung seien gespaltene Fingernäge­l und gespaltene Haarspitze­n.

Nun wollen wir hoffen, dass diese Textspalte keine weitere Spaltung der Meinungen insbesonde­re unter Haarspalte­rn erzeugt. Eine dauerhafte Volksspalt­ung ist jedenfalls ein Zeichen der Schwäche. Vielleicht liegt es daran, dass die Fußballer der Nationalma­nnschaft und die Problemlös­er der Europäisch­en Union im vergangene­n Jahr keinen Spaltbreit vorangekom­men sind. Die Ursache kannte schon der Theologe Johann Arndt, als er 1610 folgenden Satz veröffentl­ichte: „Dieweil die höchste Stärcke aus der einigkeit kömpt, die Schwachhei­t aber aus der Spaltung / so folget / das je grösser Einigkeit ist / je grösser ist die stärcke.“

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