Mittelschwaebische Nachrichten
Heute kann der dicke Trommler den Bauch abschnallen
Literaturherbst Reinhard Stummreiter schreibt über den Weg, wie er sein enormes Gewicht halbierte
Krumbach Man kennt ihn. Auch in Krumbach. Im Fernsehen tritt Reinhard Stummreiter als „der dicke Trommler“der „Altneihauser Feierwehrkappel’n“auf. Mittlerweile hat der Oberpfälzer Kabarettist sein Gewicht halbiert – ein langer und schwieriger Prozess, über den er ein Buch geschrieben hat. Aus „Meine fetten Jahre sind vorbei“, erschienen im Kösel-Verlag, las er im Rahmen des Krumbacher Literaturherbstes in der Stadtbücherei.
Herein kommt er gewandet wie ihn alle kennen und lieben, in seiner dunkelblauen Feierwehrkappell’n-Jack’n, die ,notdürftig gegürtet, ganz schön um seinen Leib spannt. Begleitet wird er von Musiker Wolfgang Lell und dem Einmarschlied „Ach wie herrlich ist’s in Krumbach ... Zur Musik zieht er in langsamen Bewegungen die Uniformjacke aus – und auch einen darunterliegenden maßgeschneiderten Stoff-Bauch und wirft beides auf den Boden. Im blauen Hemd sitzt er nun vor dem zur Lesung aufgebauten Tischchen. Ein bissl nervös sei er, gibt er zu. Doch dann liest er aus seinem Buch – seiner Lebensgeschichte. Schonungslos lässt er die rund 60 Zuhörer in sein Innerstes blicken, das allen stets verborgen war und das er im Äußeren mit einer dicken Schutzschicht ummantelt hatte. 300 Kilogramm habe er auf die Waage gebracht – ein Zustand, den der Chef seiner Kapelle nicht mehr einfach so mit ansehen wollte und ihm mit Rausschmiss drohte, sollte er nicht abnehmen. Nicht nur wenige Kilogramm sollten herunter, sondern der Trommler sollte sich gewaltig anstrengen müssen.
Die Kapell’n ist sein Leben, da will er unbedingt dabei bleiben, außerdem braucht Stummreiter das Geld aus den Auftritten nach einem Scheitern als Wirt mit drückenden Schulden. Er muss sich unglaublich anstrengen und jeder im Publikum, der schon einmal eine Diät gemacht hat, kann nachfühlen, wie schwer es ist, Kilos loszuwerden. Gespannt lauschen die Zuhörer, als Stummreiter von seinen Versuchen mit Diätprogrammen wie „Optifast“erzählt, der Hüterin der Waage in der Kur, dem Termin beim Psychologen, dem Kilokalorienverbrauch von 13000 täglich, den Nussherndln, den Leberkassemmeln und den Operationen von Magenballon (erfolglos) und Magenverkleinerung (erfolgreich).
Hinreißend schildert Stummreiter die Operationsszene, bei der der Tisch nicht funktioniert und sich zunächst nicht in die Sitzstellung, in der Stummreiter operiert werden soll, verstellen lässt. Fast muss die Operation abgesagt werden, doch eine resolute Mechanikerin schwingt den Hammer und ist erfolgreich. Gewissermaßen, habe sie sein Leben gerettet, sagt der Autor. Von da an purzeln die Kilos kontinuierlich. Stummreiter ist schnell satt, hält ein Bewegungsprogramm ein und erobert sich Lebensqualität zurück. Denkwürdig ist ein Friedhofsbesuch, wo er ans Grab der in seiner Kindheit verstorbenen Mutter gehen will. Den Rest müsse man aber im Buch weiterlesen, sagt er und macht die Zuhörer neugierig. Bald sind kurzweilige anderthalb Stunden mit immer wieder leichten Akkordeonklängen vorbei und viele stellen sich in die Schlange, um Bücher signieren zu lassen. Das Publikum hat höchsten Respekt für Stummreiters Lebensleistung.