Mittelschwaebische Nachrichten
Im Spannungsfeld zwischen Romantik und rauer Wirklichkeit
Schäferin Ruth Häckh erzählt auf eine beeindruckende Weise über eine uns fremd gewordene Welt
Krumbach Dieser Literaturabend passte hervorragend ins Heimatmuseum, mit einem Buch über den traditionellen Beruf des Schäfers/der Schäferin, sowie mit den Schäferliedern, die Christoph Lambert und Dagmar Held zum Besten gaben. Harmonische Lieder erklangen zum „böhmischen Bock“einem Dudelsack, der brummt und quietscht, wie Lambert sagte.
In den Liedern wird gern davon gesungen, wie lustig und schön die Schäferei ist. Sie erzählen vom Sommer, vom Tanzen und der Natur.
Aber Ruth
Häckh erzählt auch von dem harten Leben als Schäferin, bei Wind und Wetter, im Sommer wie im harten Winter. Sie erzählt in ihrem Buch von den immer größer werdenden Schwierigkeiten und Hindernissen, mit denen sie als Schäferin kämpfen muss. Am Ende ihres Vortrages muss sie einem Zuhörer sagen, dass nach ihr niemand aus der Familie die Schäferei weiter betreiben wird.
Aber: Das ganze Buch mit seinen authentischen Fotos ist leicht lesbar, mit großem Sachverstand und Herzblut geschrieben; es ist eine einzige Liebeserklärung an die jahrtausendealte Schäferei. Ruth Häckh beschreibt zunächst das Leben ihres Großvaters und Vaters als Schäfer. Die zogen noch mit ihren Schafherden im Herbst ins Winterquartier an den Bodensee, auf die Halbinsel Höri. Der Vater nahm sein „Bündel“mit frischem Hemd, Rasierapparat, Unterwäsche zum Wechseln und dem Schuhputzzeug mit. Im Frühjahr ging´s zurück auf die Schwäbische Alb. Sehr eindrucksvoll erzählt die Autorin, wie kalt es im Winter ist, wenn der Schnee durch jede Ritze dringt, die Zehen vor Kälte fast absterben, wie furchterregend heftige Gewitter sind und wie Nässe bei anhaltenden Regenperioden alles durchdringt. „Da können die Stunden lang werden.“Andererseits beschreibt sie aber auch das erfüllende Leben in der Natur mit ihren Schafen und Hunden in der Einsamkeit. Welche Freude es bereitet, den jungen Lämmern bei ihren Bocksprüngen zuzusehen und die Freude an den individuellen Eigenheiten der Schafe.
Aber sie muss sich mit so vielem auseinandersetzen: Die Widrigkeiten des Wetters und die Bedürfnisse oder Krankheiten der Tiere sind nicht das Schlimmste, von denen Ruth Häckh erzählt.
Die fremden Hunde. Besonders die, die frei herumlaufen. Sie erlebte, wie Hunde in ihre Herde einfielen, ihre Schafe anfielen und die Herde in Panik auseinandergetrieben haben. Viele Tiere wurden schwer verletzt, starben oder wurden zu Tode gehetzt. Zu allem Übel sind die Hundehalter uneinsichtig, zahlen - vielleicht - für den unmittelbaren Schaden, aber die Herde ist für lange Zeit traumatisiert. Spätfolgen sind unter anderem Fehlgeburten. Auch entfernen Hundehalter die Hinterlassenschaften ihres Hundes auf den Wiesen nicht, wodurch Schafe wiederum erkranken. „Die Menschen haben kein Verständnis für Schafe“, bedauert Ruth Häckh.
Zudem erschwert der zunehmende Verkehr immer mehr den Zugang zu offenen Weideflächen; Wiesen werden mehrfach im Jahr mit Gülle gedüngt, dann ist die Vielfalt der Kräuter und Gräser dahin. Früher waren die Bauern froh, wenn eine Schafherde über ihre abgeernteten Felder und Wiesen zog. So wurde noch einmal alles kurz gehalten und vor allem gut gedüngt. „Pferchrechte“wurden versteigert.
Zum Ende der Lesung macht Ruth Häckh eine Liebeserklärung an die Schäferei, an ihre Schafe und Hunde und an die Schönheit der Natur in den Jahreszeiten.
Auf die Frage von Besuchern: „Was, wenn Wölfe auch bis zur Schwäbischen Alb kommen?“Ruth Häckh: „Dann ist es aus mit der Schäferei und mit der Artenvielfalt auf der Schwäbischen Alb.“
Krumbach