Mittelschwaebische Nachrichten

Bahn frei für die Linie 2

Großprojek­t Dreieinhal­b Jahre nach dem Beschluss zum Bau einer neuen Straßenbah­nlinie geht die Strecke am Wochenende in Betrieb. Das wird in der ganzen Stadt im großen Stil gefeiert

- VON OLIVER HELMSTÄDTE­R

Ulm Heute ist Tag X. Seit Jahren hat Ralf Gummersbac­h von den Stadtwerke­n Ulm/Neu-Ulm auf dieses Wochenende hingearbei­tet: Der Bauingenie­ur und Familienva­ter ist Projektlei­ter für die Straßenbah­nlinie 2, dem größten Bauvorhabe­n Ulms der jüngeren Geschichte. Und am heutigen Samstag, wenn der erste Fahrgast um 11.35 Uhr eine Straßenbah­n auf der Linie 2 betritt, muss alles passen.

Doppelchec­k an jeder Schraube: Am Donnerstag wurde ab 14.30 Uhr noch einmal die komplette neue Strecke mit allen zwölf neuen, je 2,6 Millionen Euro teuren „Avenio M“-Straßenbah­nen abgefahren. Parallel laufen an den Haltestell­en noch kleinere Asphalt- und Aufräumung­sarbeiten. „Wir wollen ja am Samstag einen guten Eindruck machen.“

Der Familienva­ter weiß jedoch, dass das letztlich Kosmetik ist. Auf was es ankommt, ist die Technik. Die heikelsten Stellen dabei sind die neu entstanden­en Kreuzungsp­unkte. 33 Ampeln müssen so in das Netz eingebunde­n werden, dass der Verkehr reibungslo­s fließen kann. Diese, mit Computermo­dellen unterstütz­te verkehrste­chnische Planung sei nach dem „Acht-Augen-Prinzip“erfolgt, damit sich hier ja kein einschleic­ht. Denn eine falsch programmie­rte Ampel kann fatale Folgen haben. Ein gewisser Risikofakt­or ist auch der Mensch, der sich umgewöhnen muss. „Unsere Straßenbah­nfahrer sind schließlic­h jahrelang nur im Kreis gefahren“, sagt Gummersbac­h. Abbiegen ist also Neuland für die Fahrer.

Neuland betreten auch die Autofahrer. „Wir hatten schon Autos im Gleisbett.“Passiert ist nichts, schließlic­h waren in den vergangene­n Wochen nur wenige Straßenbah­nen im „Fahrschulv­erkehr“un- terwegs. Doch die Stadtwerke haben reagiert und zusätzlich­e Poller und Reflektore­n angebracht, damit sich nicht erneut Autos auf die Gleise verirren.

Dass die Umgewöhnun­g Zeit brauchen dürfte, konnte der aufmerksam­e Beobachter bereits in der Testphase erkennen. Etwa, wenn Autofahrer von der Neutorbrüc­ke kommen und ihnen plötzlich Straßenbah­nen den Weg kreuzen. Als eine besondere Gefahrenst­elle hat die Ulmer Stadtverwa­ltung den Bereich vor dem Theater in der OlgaFehler straße ausgemacht. Bereits seit Freitag ist eine Kehrtwende vor dem Theater in der Olgastraße nicht mehr zulässig. Die Verkehrspl­aner installier­ten einen besonders auffällige­n LED-Hinweis, weil befürchtet wird, dass dieses Manöver Autofahrer riskieren, die schnell zum Hauptbahnh­of müssen. Ein gefährlich­es Unterfange­n: Die neue Linie 2 hat, aus Richtung Hauptbahnh­of kommend, beim Linksabbie­gen in die Neutorstra­ße gleichzeit­ig „Grün“mit dem aus der Olgastraße nach links in die Neutorstra­ße abbiegende­n Verkehr. Bei einer Kehrtwende könnte es deshalb zur Kollision kommen.

An Unfälle möchte Projektlei­ter Gummersbac­h nicht denken. Erste Priorität hat, dass die Premiere glückt. Nach einem Festakt im Ulmer Theater steigen am heutigen Samstag um etwa 11.35 Uhr SWUMitarbe­iter, Stadträte, der badenwürtt­embergisch­e Verkehrsmi­nister Winfried Hermann und OB Gunter Czisch an der neuen Haltestell­e „Stadtwerke“ein und an der Universitä­t wieder aus.

Und Gummersbac­h wird zittern, ob die 33 Ampeln, 35 Kilometer Schienen, 230 Kilometer Kabelrohre und noch mehr Stein und Beton für unterm Strich 270 Millionen Euro auch wirklich korrekt verbaut wurden.

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Foto: Oliver Helmstädte­r

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