Mittelschwaebische Nachrichten

Weihnachts­stimmung mit Miet-Tanne

Porträt Seit Jahren beleuchtet Walter Sager die Straßen in Augsburg. Um noch mehr Weihnachts­zauber zu verbreiten, hat er eine neue Idee. Verluste nimmt er dafür in Kauf

- VON JUDITH RODERFELD

Augsburg Irgendwen trifft Walter Sager immer. Irgendwer schüttelt ihm die Hand. Der 55-Jährige ist nicht unbekannt in seiner Stadt Augsburg. Ein Grund ist sein altes Café in der Annastraße. 14 Jahre führte er das „Lavazza“. Als es sich nicht mehr rechnete, warf er hin. Ein Rückschlag, aber für Sager kein Grund, am Boden zu bleiben. Noch während seines Café-Betriebs hatte er schon die nächste Idee. Er fing an, in der Weihnachts­zeit die Straßen zu beleuchten – mit Lichterket­ten, Bögen und Sternen. Nun hat „der Beleuchter“einen neuen Einfall – er vermietet künstliche, fertig geschmückt­e Weihnachts­bäume.

Seit eineinhalb Jahren schlummere die Idee für die Kunststoff­tannen schon in ihm, sagt er. Mehrere Ordner habe sie gefüllt. 2017 versuchte er den ersten Anlauf und vermietete die ersten Bäume an Geschäftsi­nhaber. Dieses Jahr stehen 33 seiner Bäume in Deutschlan­d, die meisten in der Region. Zum Beispiel beim Optiker, Goldhändle­r, auf Messen, im Autohaus oder bei Modeboutiq­uen sowie in der Augsburger Fleisch- und Viktualien­halle.

Seine Kunden entscheide­n vorab, wie groß die Tanne, wie dicht die Zweige und welche Farbe der Baumschmuc­k haben soll. Sager bestellt die Bäume dann bei einem polnischen Hersteller. Er erhält sie als Ganzes, in Folie verpackt, mit vielen LED-Lichtern und Kugeln behangen. Ihm geht es vor allem um den Service. Damit nimmt er Händlern die Deko-Frage rund um den Weihnachts­baum ab, quasi ein Rundum-Baum-Service. Die Zweige seiner künstliche­n Tannen fühlen sich weich an, hochwertig und riechen nicht nach Plastik. Das hat seinen Preis. Ein Drei-Meter-Baum kostet Sager zwischen 1200 und 1500 Euro. Die kleineren gibt es für weniger. Das summiere sich, sagt Sager. „Fast 30000 Euro habe ich schon in die Idee investiert.“Bis für ihn etwas herausspri­nge, dauere es. „Um kurzfristi­g Geld zu verdienen, dafür ist das nichts.“Bedrückt wirkt Sager deshalb nicht. Er glaubt daran, dass sein Plan funktionie­rt.

Und warum Bäume? „Bäume sind der Inbegriff von Weihnachte­n.“Sobald er die geschmückt­en Tannen aufstellt, in die Gesichter seiner Kunden blickt, weiß er: Die Idee war richtig. „Ich bringe etwas und lasse glückliche Leute zurück.“Die Freude anderer treibe ihn an. Egal, ob damals mit einer Tasse Kaffee im Lavazza oder jetzt mit leuchtende­n Straßen und bunt geschmückt­en Weihnachts­bäumen.

2013 begann er Schritt für Schritt damit, die Stadt zu erhellen. „Da hat alles angefangen“, sagt er und lacht. Seine Augen verkleiner­n sich zu Schlitzen. Doch seine Ideen sind nicht ausgeschöp­ft: Ihm schwebt etwa eine übergroße Christbaum­kugel in der Fußgängerz­one vor. Sager beginnt zu gestikulie­ren, als würde er seine Träume mit den Händen in die Luft malen. Sager – brauner Pullover, weite Hose und bequeme Sneaker – ist ein Macher. Seit er 24 ist, ist er sein eigener Chef. Braucht er Hilfe, engagiert er Subunterne­hmen, Hausmeiste­rservices. Für seine Visionen nimmt Sager Verluste in Kauf. „Das ist mehr als nur Arbeit für mich.“Für seine Beleuchtun­g unterstütz­en ihn Einzelhand­el und Stadt finanziell. Er lebt von Aufträgen und vom Messebau.

Sein 200-Quadratmet­er-Lager in Kleinaitin­gen im Landkreis Augsburg

Die Bäume produziert ein Hersteller in Polen

Pro Mietbaum ein Setzling – so Sagers Plan

ist mit Beleuchtun­g und Bäumen schon gut gefüllt. Wächst seine Baum-Vermietung, braucht er ein neues. Und nicht nur das. Alleine wäre das irgendwann nicht mehr zu stemmen, sagt er. 2019 will er ein Start-up gründen. Extra Mitarbeite­r stellt er nicht ein, dafür will er einzelne Aufgaben an andere Unternehme­n abgeben. Zum Beispiel an Designer, Logistiker und IT-Fachleute. „So bleibe ich autark und flexibel.“Für jeden vermietete­n Baum sollen Setzlinge gepflanzt werden. Der ökologisch­e Aspekt ist Teil seiner Idee und soll umgesetzt werden, sobald das Start-up steht.

Für einen 1,90 Meter großen Baum zahlen Mieter pro Saison rund 300 Euro. Hinzu kommt eine Pauschale für Aufbau, An- und Abfahrt. Sager will in den Monaten vor Weihnachte­n sogar noch einen kleinen Laden in der Innenstadt mieten. „Meine Weihnachts­werkstatt würde ich ihn nennen.“Dort könnten sich die Kunden die Bäume ansehen und über Bildschirm­e verfolgen, wie so ein Baum hergestell­t wird. Sager glaubt an sein Konzept. Vielleicht bietet er die Tannen bald auch zum Verkauf an. Kunststoff­bäume werden kommen, sagt er und nickt hoffnungsv­oll.

 ?? Foto: Judith Roderfeld ?? Walter Sager vermietet Kunststoff-Weihnachts­bäume. Einer steht zum Beispiel bei Abele Optik in der Annastraße. Die Bäume sind nicht seine erste Idee. Vor fünf Jahren initiierte er einen großen Teil der Beleuchtun­g in der Stadt.
Foto: Judith Roderfeld Walter Sager vermietet Kunststoff-Weihnachts­bäume. Einer steht zum Beispiel bei Abele Optik in der Annastraße. Die Bäume sind nicht seine erste Idee. Vor fünf Jahren initiierte er einen großen Teil der Beleuchtun­g in der Stadt.

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