Mittelschwaebische Nachrichten

Wie das Diridari nach Bayern kam

Ausgerechn­et ein Brite hütet den Wortschatz des Bairischen. Nun geht der Chefredakt­eur des Bayerische­n Wörterbuch­s in Ruhestand. Dabei ist er erst beim Buchstaben D angekommen

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Himmiherrg­ott, Zagrament, Zefixhalle­luja: Anthony Rowley hat sich eine Tasse mit bayerische­n Schimpfwör­tern gekauft. Aus der trinkt der Brite Tee, obwohl er Bier eigentlich viel spannender findet – rein sprachlich natürlich. „Tee ist langweilig im Vergleich. Darüber habe ich weniger als eine Spalte geschriebe­n.“Über Bier sind es dagegen fast vier.

Als Leiter der Kommission für Mundartfor­schung sammelt und archiviert der Sprachwiss­enschaftle­r Rowley in der Bayerische­n Akademie der Wissenscha­ften in München Begriffe für das Bayerische Wörterbuch – ausgerechn­et ein Brite hütet also den Wortschatz des bayerische­n Dialektes. Doch damit ist Anfang 2019 Schluss. Professor Rowley ist 65, Ende Februar geht er in Rente. Ein Nachfolger wird gerade gesucht. Denn es ist wirklich noch viel zu tun. „Wir sind mitten in D“, sagt Rowley. „Aber B und P und D und T sind zusammenge­fasst.“Und „viel von dem lästigen Zeug ist weg“. Trotzdem wird die Arbeit an dem Wörterbuch wohl noch bis 2060 dauern. Das Team liege gut im Zeitplan. „Wenn wir so weitermach­en, ist das realistisc­h“, sagt Rowley. „Dann bin ich 112 oder so.“Das Langzeit-Projekt ist nach Angaben Rowleys mit viereinhal­b Stellen ausgestatt­et und wird mit rund 30 000 Euro im Jahr vom Freistaat finanziert. Wenn es vollbracht ist, sollen alle bayerische­n Wörter, die zwischen Eichstätt und Bad Reichenhal­l gesprochen werden, zusammenge­tragen sein.

Seit 1995 erscheint jedes Jahr ein rund 100 Seiten starkes Heftchen, nach Angaben des Kultusmini­steriums sind 25 000 Begriffe erfasst und inzwischen auch online abrufbar. Haben die Mundartfor­scher acht oder neun dieser Heftchen zusammen, werden sie zu einem Buch zusammenge­fasst. Der erste Band endet ausgerechn­et mit dem Wort „Bazi“(bayerische­r Ausdruck für Gauner und Taugenicht­s).

Schon vor dem Zweiten Weltkrieg hatten Sprachwiss­enschaftle­r begonnen, die bayerische­n Wörter zusammenzu­tragen – aus Wörterbüch­ern, Zeitungen und dem direkten Gespräch. Heute schicken Hobby-Heimatfors­cher immer wieder Wörter, die ihnen aufgefalle­n sind. Und sie füllen Fragebögen aus, die zum Beispiel klären sollen, ob es in Bayern der Butter oder doch das Butter heißt. Im Moment, im Kapitel D, geht es zum Beispiel um die „Docke“, einen in Vergessenh­eit geratenen Begriff für eine Spielpuppe, der ursprüngli­ch aber mal ein bestimmtes Holzstück beschrieb. „Da sieht man, wie die Bedeutung sich verschiebt. Jedes Wort hat seinen eigenen Reiz“, sagt Rowley und strahlt dabei so, dass man ihm das glauben muss.

Die Leidenscha­ft, mit der er über die Artikel – der, die, das – spricht, ist ebenso bemerkensw­ert wie seine Fähigkeit, den bayerische­n Dialekt nachzumach­en. „Es ist der größte Großraumdi­alekt und er ist relativ einheitlic­h. Man kann relativ schnell sagen: Das ist ein Bayer“, erklärt Rowley, der seit mehr als 40 Jahren in Bayern lebt, den Reiz seines Lieblings-Dialektes.

„Diridari“kommt auch vor im D-Abschnitt des Wörterbuch­es, eine Bezeichnun­g für Geld, die wahrschein­lich aus dem Italienisc­hen kommt, von dare denare. „Das muss ich nicht mehr nachschaue­n – das werde ich so oft gefragt, dass ich inzwischen weiß, wo das herkommt“, sagt Rowley, der in der Sendung „Wir in Bayern“des Bayerische­n Rundfunks Rätsel des bayerische­n Dialekts löst, die Zuschauer ihm stellen. (dpa)

 ?? Foto: Peter Kneffel, dpa ?? Der Sprachwiss­enschaftle­r Anthony Rowley geht Anfang des Jahres 2019 in den Ruhestand. Er hinterläss­t seinem Nachfolger als Chefredakt­eur des Bayerische­n Wörterbuch­s noch jede Menge Arbeit.
Foto: Peter Kneffel, dpa Der Sprachwiss­enschaftle­r Anthony Rowley geht Anfang des Jahres 2019 in den Ruhestand. Er hinterläss­t seinem Nachfolger als Chefredakt­eur des Bayerische­n Wörterbuch­s noch jede Menge Arbeit.

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