Mittelschwaebische Nachrichten
Zurück aus der Zukunft
Ein Redakteur sucht Ruhe, Teil 9 (Schluss)
Weil das Leben oft schnell und hektisch ist, möchte unser Medizin-Redakteur Markus Bär, 50, das Meditieren lernen. Er hat in Kaufbeuren einen Kurs belegt. In dieser Kolumne berichtet er über seine Erfahrungen.
Geschafft! Der Kurs ist zu Ende. Acht Kurseinheiten „achtsamkeitsbasierte Stressreduktion“(auch bekannt als „Mindfulness-Based Stress Reduction“– MBSR) und ein Schweigetag in Kaufbeuren habe ich hinter mich gebracht. Verschiedene Techniken bei unserem Meditationslehrer Thomas Flott gelernt. Mentale Reisen durch den Körper. Sitzmeditationen. Zentrierung auf den Atem als Anker im Hier und Jetzt. Gelernt, Dinge wahrzunehmen, ohne sie zu bewerten. Irgendwann auch irre Momente erlebt: Das Gefühl, von seinen Gefühlen und Gedanken abgekoppelt zu sein, sie gleichsam kleinen Wölkchen am Himmel vorbei ziehen zu sehen. Und die spannende Frage, was man in diesem Moment des Wölkchenbetrachtens dann eigentlich selbst ist? Die Antwort: Nur ein Ich, das einfach da ist – im Sein.
Eine tolle Reise habe ich erlebt. Und dann fragt mich unser Lehrer: „Was hat sich verändert? Hat sich überhaupt etwas verändert?“Die Antwort weiß ich tatsächlich ganz genau. In diesen rund zehn Wochen habe ich – ein Mensch, der immer irgendwie in der Zukunft, auf etwas hingelebt hat – es geschafft, immer mehr in der Gegenwart zu verweilen. Ich denke nicht mehr so viel über morgen nach. Vor allem: Ich sorge mich nicht mehr so um morgen. Ich habe in einem Buch gelesen, dass Wissenschaftler das Folgende herausgefunden haben: Menschen denken im Schnitt in unserer westlichen Zivilisation zehnmal öfter an etwas Negatives, als an etwas Positives. Auch wenn es ihnen objektiv betrachtet eigentlich gut geht. Das hat mich dann doch sehr besorgt. Ich dachte mir: So eine Zeitverschwendung. Ich wollte doch immer das Leben genießen. Bin doch dankbar, da zu sein. Das ich ein Leben bekommen habe. Und dann auch noch ein so gutes. 50 Jahre bin ich nun hier. Und es war bisher vieles unglaublich schön. Ich weiß auch genau, dass ich es wahrscheinlich besser hatte, als die meisten anderen 50-Jährigen, die sonst so auf der Erde mit ihren bald acht Milliarden Menschen herumlaufen. Es wohnt ja nicht jeder 50-Jährige in einem so sicheren und wohlhabenden Land wie ich.
Und durch den Kurs ist mir das Ganze noch einmal mehr klar geworden. Ich lebe jetzt. Und es ist gut so. Ich freue mich über jeden neuen Tag. Und schaue lieber auf das, was gut ist. Was nicht heißen soll, dass ich die schlechten Dinge künftig übersehen möchte. Das geht als Journalist sowieso nicht. Dann könnte ich ja gar nicht arbeiten.
Nun muss ich weiter fleißig meditieren. Sagt mein Lehrer. Ich weiß, dass er recht hat. Ich weiß aber auch: Ich bin vielleicht faul. Vergesslich. Und verliere das regelmäßige Innehalten aus den Augen. Das beunruhigt mich. Das wäre eine törichte Entwicklung. Ich will im Hier und Jetzt leben. Gut aufs Leben schauen. Aber ich will nicht töricht sein. Ob mir das gelingen wird?