Mittelschwaebische Nachrichten

Ruinieren CO2-Grenzwerte die Autoindust­rie?

Hersteller warnen vor überzogene­n Zielen. Ein Experte ist anderer Meinung

- VON MICHAEL KERLER

Augsburg Die deutschen Autobauer reagieren entsetzt: Da die EU für den Klimaschut­z den Druck auf die Hersteller nochmals erhöht, fürchten sie um ihre Wettbewerb­sfähigkeit und rechnen mit dem Verlust von Arbeitsplä­tzen. Nach geltendem Recht darf die Neuwagenfl­otte eines Hersteller­s im Jahr 2021 nicht mehr als 95 Gramm des Klimagases CO2 pro Kilometer ausstoßen. Dieser Wert ist noch gar nicht erreicht, da haben sich EU-Staaten, Kommission und Parlament schon auf eine neue Verschärfu­ng geeinigt: Bis 2030 müssen die Emissionen für Personenwa­gen im Schnitt nochmals um 37,5 Prozent sinken. „Das schwächt den Industries­tandort Europa und gefährdet Arbeitsplä­tze“, warnte Bernhard Mattes, Präsident des Verbandes der Automobili­ndustrie (VDA). „Damit wird die europäisch­e Automobili­ndustrie im internatio­nalen Wettbewerb stark belastet“, sagte er.

VW-Chef Herbert Diess hatte unlängst gewarnt, dass überzogene Grenzwerte ein Viertel der Jobs in den Werken kosten könnten, insgesamt rund 100000 Stellen. Und der VDA hatte im Sommer vorgerechn­et, dass in Deutschlan­d 600 000 Industriea­rbeitsplät­ze an der Verbrenner­technik hängen. Die Grenzwerte sind nur durch mehr Elektroaut­os zu erreichen, lautet das Argument. Für deren Bau braucht man aber weniger Komponente­n als für Benziner oder Diesel – und damit weniger Arbeiter.

Sorgen gibt es auch in unserer Region: „Mit einem unrealisti­schen Ziel wird der Industries­tandort geschwächt, und damit werden auch Arbeitsplä­tze aufs Spiel gesetzt“, sagt Markus Partik, Geschäftsf­ührer des Karbon-Spezialist­en SGL und Chef des Wirtschaft­sverbands bayme vbm für die Region Augsburg. Seiner Einschätzu­ng nach sind die neuen Vorgaben „nicht realistisc­h“. In Schwaben stellen in 37 Betrieben wie Faurecia oder SGL rund 15700 Beschäftig­te Fahrzeuge oder Fahrzeugte­ile her. Doch wie brisant sind die Warnungen wirklich?

Deutschlan­ds führender AutoExpert­e Ferdinand Dudenhöffe­r hält die Kritik für überzogen. „Der Kompromiss ist nicht überrasche­nd streng.“Es sei möglich, die neuen Grenzwerte einzuhalte­n. „Das ist zu machen.“Im Jahr 2030 werde ein großer Teil der neuen Fahrzeuge batteriebe­trieben sein, erklärt er. Diese zählt die EU als emissionsf­rei. Mit 50 Prozent verkauften E-Autos und 50 Prozent konvention­ellen Fahrzeugen (Verbrauch: fünf Liter) habe ein Hersteller den Grenzwert dann bereits erreicht.

Die deutschen Hersteller holen zudem in der Elektromob­ilität auf, sagt Dudenhöffe­r, Inhaber des Lehrstuhls für Automobilw­irtschaft an der Uni Duisburg-Essen: „Der Umstieg läuft.“Demnächst komme der Audi E-tron auf den Markt, nächstes Jahr das Mercedes-Elektro-SUV EQC. „2019 wird Tesla in Deutschlan­d bei den Elektroaut­os noch führend sein, aber die deutschen Autobauer holen auch in der Mittelklas­se bald auf.“

Dudenhöffe­r fordert deshalb von VW, Daimler & Co. mehr Mut: „Es ist schlecht, immer nur herumzumäk­eln. Gerade nach Dieselgate stünde es den deutschen Hersteller­n gut zu Gesicht zu sagen: Ja, wir wollen etwas für die Umwelt tun, ja, wir werden es schaffen.“

Welche Umbrüche der Mobilität bevorstehe­n, beleuchtet Jürgen Marks im Hintergrün­de zu den Grenzwerte­n lesen Sie auf der

„Der Kompromiss ist nicht überrasche­nd streng. Das ist zu machen.“Ferdinand Dudenhöffe­r

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