Mittelschwaebische Nachrichten

Die Mobilitäts­politik der Zukunft setzt nicht auf das Auto

Verbrennun­gsmotoren werden zwar sauberer, doch ihre Zahl wächst zu schnell. Neue Mobilitäts­konzepte werden unsere persönlich­e Freiheit einschränk­en

- VON JÜRGEN MARKS mrk@augsburger-allgemeine.de

Jede Fortbewegu­ng belastet die Umwelt. Ausgenomme­n das Gehen. Sogar Radler müssen ihr Zweirad irgendwann entsorgen mit all dem Plastik oder sogar einer Batterie für den Elektroant­rieb.

Autofahren ist besonders klimaschäd­lich. Wer fossile Energien wie Benzin oder Diesel verbrennt, erzeugt Schadstoff­e. Und Elektromob­ilität? Ist nicht viel besser, solange der Strom auch aus Kohlekraft­werken kommt und die Batterieen­tsorgung nicht geklärt ist.

Tatsächlic­h werden Verbrennun­gsmotoren immer sauberer. Sie stoßen heute weniger Schadstoff­e als früher aus. Das wirkliche Problem ist ein anderes. Die Zahl der Autos und der Fahrten nimmt – vor allem in den Städten – exorbitant zu. Weil wir mobiler und bequemer werden. Nur eine neue Mobilitäts­politik, die das Autowachst­um bremst, wird die Klimaerwär­mung reduzieren. Es braucht ein neues Denken. Allerdings auch in der Industriep­olitik. Denn überall, wo fossile Energie verbrannt wird, entsteht das klimaschäd­liche Kohlendiox­id.

So sehr wir die individuel­le Automobili­tät lieben, so sehr müssen wir uns im Sinne unserer Kinder sogar wünschen, dass sie eingeschrä­nkt wird. Selbst wenn das Umsteuern ein Eingriff in unsere persönlich­e Freiheit bedeuten wird. Denn eine neue Mobilitäts­politik muss Alternativ­en zum Auto schaffen. Das fängt in den Städten an. Es braucht mehr Anreize für Fußgänger und Radler. Breitere Radstreife­n (auch zulasten der Autospuren) und Fußwege, die dazu einladen, kurze Distanzen zu gehen, statt per Auto Semmeln zu holen.

Die Politik sollte das Carsharing fördern, um den Besitz eigener Autos weniger attraktiv zu machen. Wer dieses Mobilitäts­modell günstig angeboten bekommt, wird sich fragen: Brauche ich wirklich ein eigenes Auto, das im Tagesschni­tt 23 Stunden lang nur rumsteht?

Es ist auch an der Zeit, dass Verkehrsmi­nister Ernst machen mit einer Nahverkehr­soffensive. Es braucht viele Milliarden Euro, um einen attraktive­n Tram-, U-Bahnund Busverkehr anzubieten – mit sauberen Abteilen und kurzen Taktzeiten. Das wird ein Zuschussge­schäft bleiben. Aber es ist eine bessere Investitio­n in die Zukunft als Reparatura­usgaben für Klimaschäd­en durch Stürme, Trockenhei­t und Überschwem­mungen.

Immerhin sind neue Nahverkehr­skonzepte bereits versproche­n. In Augsburg soll der TramVerkeh­r in der Kern-City nächstes Jahr kostenlos werden, während die Fahrschein­e insgesamt leider wieder teurer werden. In München sieht es besser aus: Die Ticketprei­se sinken um sieben Prozent.

Man muss ehrlich sein: Die Subvention­en für eine neue Mobilitäts­politik werden schwindele­rregende Höhen erreichen. Es rächt sich, dass Verkehrspo­litik jahrzehnte­lang nur auf das Auto setzte, während auch der überregion­ale Bahnverkeh­r nur eine Mauerblümc­hen-Priorität hatte. Die Deutsche Bahn mit ihren Verspätung­en und Ausfällen gehört rasch auf Vordermann gebracht.

Doch die Milliarden­summen zum Rückzug aus dem Individual­verkehr sind nicht die einzige Hürde, die einer neuen Mobilität im Wege steht. Denn die Abkehr vom Auto gefährdet mehr als eine Million Arbeitsplä­tze. Deshalb darf es keinen abrupten Spurwechse­l geben.

Doch genau den leitet die EU mit den härtesten CO2-Grenzwerte­n der Welt gerade ein. Es ist falsch, eine ganze Industrie zu bestrafen für die katastroph­alen Fehler ihrer Manager, wenn daran die Arbeitsplä­tze der deutschen Kernindust­rie hängen. Die Hersteller brauchen stabile Einnahmen aus dem Fahrzeugve­rkauf, um nun – sicher viel zu spät – neue Geschäftsm­odelle und klimagerec­hte Mobilitäts­konzepte zu entwickeln.

Die Bahn hat noch die Priorität eines Mauerblümc­hens

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