Mittelschwaebische Nachrichten
Ist Kuka innovativ genug?
Mehrere Spitzenmanager verlassen das Unternehmen. Hinter den Kulissen geht es auch um die Frage, wie gut der Roboterbauer für die Zukunft aufgestellt ist und welche Erwartungen die Chinesen haben
Augsburg Zahlen lügen doch. Jahr für Jahr fährt Kuka satte Gewinne ein. Im Geschäftsbericht von 2017 steht ein Plus von 88,2 Millionen Euro. Und trotzdem ist die Stimmung angespannt wie lange nicht. Wie passt das zusammen und warum kehren gleich mehrere Spitzenmanager im Januar dem Unternehmen den Rücken? Diese Fragen beherrschen nicht nur den Flurfunk beim Augsburger Roboterbauer. Die Antworten liegen in der Zukunft. Und in China.
Auf der Suche nach Erklärungen kommt man nicht an Andy Gu vorbei. Als Chef des Kuka-Aufsichtsrates ist er so etwas wie der verlängerte Arm des chinesischen Mutterkonzerns Midea. Er spricht nicht besonders viel. Umso bedeutsamer wird das, was er sagt. Neulich zum Beispiel wurde der 54-Jährige nach dem Unterschied zwischen der deutschen und der chinesischen Unternehmenskultur gefragt. Seine Antwort klang beinahe wie eine Weisheit des Philosophen Konfuzius: „Wenn es eine neue Sache gibt, sehen die Deutschen erst mal die Herausforderung – die Chinesen dagegen die Möglichkeit.“
Eine neue Sache – das ist genau das, was Kritiker des Anfang Dezember überraschend abgelösten Kuka-Chefs Till Reuter zuletzt ver- misst haben. Und da kommt die Zukunft ins Spiel. Die wird bekanntlich an der Börse gehandelt und wenn Aktienkurse nicht lügen, sind die Aussichten von Kuka eher durchwachsen. Seit über einem Jahr verliert die Aktie stetig an Wert. Offenbar haben Anleger und Analysten Zweifel, ob die Augsburger in einer Branche, die sich rasant entwickelt, noch innovativ genug sind. Zur Wahrheit gehört, dass sich nur noch rund fünf Prozent der KukaAnteile im freien Handel befinden, – abgesehen von imageträchtigen Fototerminen – diskutieren. Böse Zungen stellen aber auch die Frage, ob die Augsburger in Hannover vielleicht einfach wenig Neues zu zeigen hätten. Kuka-Marketingchef Wilfried Eberhardt hat eine andere Erklärung: „Wir fokussieren uns in diesem Jahr noch stärker auf unsere Kunden, denen wir hier am Standort unsere neuen Technologien umfassend vorstellen wollen“, betont er. Hintergrund: Kuka wird seine Produkte auf einer Hausmesse in Augsburg präsentieren.
Kein Zweifel besteht daran, dass sich das Unternehmen trotz der jüngsten Turbulenzen in einer guten Ausgangslage befindet. Eine Handvoll Roboterbauer beherrscht den Weltmarkt, einer davon sitzt in Schwaben. Und der Markt wächst ja weiter – gerade in China. Vorteil Kuka: Mit Midea hat man dort schon einen Fuß in der Tür. „Bis 2020 dürfte China etwa 40 Prozent aller weltweit produzierten Roboter kaufen“, prognostizierte der Analyst Stephane Lago Anfang des Jahres. Die Hoffnungen auf das ganz große Geschäft in Fernost haben sich für Kuka bislang aber nur zum Teil erfüllt. Auch hier sieht Andy Gu noch Luft nach oben.
Bleibt die Frage nach der Produktpalette: Vor allem in sogenannten Cobots, also intelligenten Robotern, die mithilfe spezieller Sensoren Seite an Seite mit menschlichen Kollegen zusammenarbeiten können, sehen Branchenexperten enormes Potenzial. Roboter also, wie Kuka sie ohnehin schon lange baut. Und sonst? David Fuller, Chef von Forschung und Entwicklung im Konzern, stellt klar: „In den letzten Jahren hat sich Kuka weiterentwickelt, um neue Märkte mit innovativen Technologien zu bedienen, die unsere Kernkompetenz im Bereich Automotive ausbauen und in neue Felder expandieren.“Man habe das Angebot außerdem strategisch erweitert, „um neue Märkte wie Electronics anzusprechen“. Das soll helfen, einen altbekannten Wettbewerbsnachteil mittelfristig zu kompensieren. Kuka ist noch immer stark abhängig von den Kunden in der Automobilindustrie. Diese Branche gehört in der Regel zu den ersten, die einen wirtschaftlichen Einbruch zu spüren bekommen – und die jüngsten Prognosen gehen bekanntlich von einer nachlassenden Konjunktur im kommenden Jahr aus. Aber wer weiß, manchmal lügen die Zahlen ja auch.