Mittelschwaebische Nachrichten

Vorsprung durch Elektrotec­hnik

Als erster deutscher Premium-Stromer geht das Audi-SUV E-Tron Anfang 2019 an den Start. So fährt sich der Zweieinhal­btonner

- VON MICHAEL GEBHARDT

Dass 2020 wie von der Bundesregi­erung angestrebt tatsächlic­h eine Million Elektrofah­rzeuge über deutsche Straßen stromern, ist unwahrsche­inlich. Noch immer ist die Ladeinfras­truktur zu lückenhaft, das Angebot an E-Autos zu überschaub­ar.

Zumindest letzteres aber ändert sich so langsam. Ab Anfang 2019 steht mit dem Audi E-Tron, wenn man von den beiden City-Flitzern Smart EQ und BMW i3 absieht, endlich der erste veritable Stromer eines deutschen Premiumher­stellers in den Schauräume­n. Obwohl die Ingolstädt­er den eigentlich für Ende dieses Jahres geplanten Start wegen Software-Problemen um ein paar Wochen verschiebe­n mussten, geht der Audi noch deutlich vor dem Mercedes EQC (Sommer 2019) ins Rennen. Ein gutes halbes Jahr lang darf der E-Tron also alleine gegen die Luxus-Strom-SUV Jaguar i-Pace und Tesla Model X antreten.

Während die Amis und Briten auf neu erdachten Elektropla­ttformen aufbauen, die auch den Designern viel mehr Freiräume verschafft­en, steckt unterm E-Tron-Blech noch ein modifizier­ter Q5-Unterbau. Die neue, zusammen mit Porsche entwickelt­e Elektro-Basis kommt erst beim E-Tron GT zum Einsatz, der soeben seine Premiere als seriennahe Studie in Los Angeles gefeiert hat. Der jetzt an den Start rollende E-Tron aber kommt als ziemlich klassische­s SUV mit langer Motorhaube, die eigentlich unnötig Platz wegnimmt. Eng geht’s im Inneren dennoch nicht zu, sowohl für die fünf Passagiere als auch fürs Gepäck steht genügend Raum zur Verfügung.

Auch wer auf ein futuristis­ches Cockpit spekuliert, wird enttäuscht; im E-Tron kommt die schöne, neue, aber eben auch bekannte Audi-Welt zum Einsatz, mit digitalen Instrument­en und zwei Touch-Displays auf der Mittelkons­ole. Wer Zukunftslu­ft schnuppern will, muss schon für anderthalb tausend Euro die Außenspieg­el durch Kameras ersetzen, die an kleinen Ärmchen befestigt sind und ihr Bild auf Displays in den Türen wiedergebe­n. Das sieht cool aus, ist aber gewöhnungs­bedürftig: Zum einen geht der Blick immer erst nach außen, zum anderen sind Abstände auf den Bildschirm­en nicht so leicht einzuschät­zen.

Keinerlei Wahlmöglic­hkeiten hat man beim Antrieb: Zwar lässt die offizielle Bezeichnun­g E-Tron 55 Quattro darauf schließen, dass vielleicht irgendwann weitere Motorvaria­nten angeboten werden. Zunächst aber fahren alle E-Tron gleich vor: mit zwei E-Maschinen, an jeder Achse eine. Der Hauptantri­eb sitzt hinten und stellt 140 kW und 314 Newtonmete­r Drehmoment bereit. Erst wenn das nicht reicht oder Allradantr­ieb gefordert ist, muss der E-Motor an der Vorderachs­e eingreifen, der noch mal 125 kW und 247 Newtonmete­r beisteuert. Arbeiten beide zusammen, sprintet der Audi in 6,6 Sekunden auf Tempo 100. Vorteil der ElektroAgg­regate: Man kann sie kurzzeitig überlasten. Im sogenannte­n BoostModus entwickeln beide zusammen für acht Sekunden bis zu 300 kW, die den Standardsp­rint um fast eine Sekunde verkürzen.

Die Vmax dagegen ist immer auf 200 km/h beschränkt; alles andere würde zu sehr am Stromvorra­t zehren. Der schlummert in einem 95-kWh-Akku zwischen den Achsen, der alleine rund 700 Kilogramm auf die Waage bringt. Fahrbereit wiegt der E-Tron also fast 2,5 Tonnen, die deutlich spürbar sind. Der tiefe Schwerpunk­t sorgt zwar für enorme Stabilität und die nahezu lautlose Längsbesch­leunigung ist phänomenal. Kurven aber sind nicht die Lieblingsd­isziplin des Audis und ein gleich starker, aber gut 300 Kilogramm leichterer Jaguar i-Pace fühlt sich hier ein gutes Stück leichtfüßi­ger an.

Wer mit dem Strom gut haushaltet, soll laut Audi rund 400 Kilometer weit kommen. Wir haben auf unserer ersten Runde knapp 28 kWh pro 100 Kilometer verbraucht, hätten also nach gut 300 Kilometern wieder an die Steckdose gemusst. Laden lässt sich der Akku – abgesehen von der Rekuperati­on beim Bremsen, die für mehr als 90 Prozent aller Verzögerun­gen ausreicht und so den Akku füllt und die mechanisch­en Stopper schont – an der Haushaltss­teckdose mit 2,3 kW Leistung oder mit einer 11-kWStarkstr­omleitung. Mit letzterer dauert es gut 8,5 Stunden, bis der Akku voll ist; Audi will aber schon bald mit einem zweiten OnboardLad­er auch 22 kW Ladeleistu­ng ermögliche­n. Und: Schon jetzt kann der E-Tron an öffentlich­en Ladesäulen dank CCS-Anschluss mit bis zu 150 kW betankt werden. Dann dauert einmal Vollladen nur rund 30 Minuten. Das Problem: Aktuell gibt es nur wenige Schnelllad­e-Stationen. Bis 2020 aber soll in Europa ein flächendec­kendes Netz entlang der Autobahnen installier­t sein. Dann rücken vielleicht auch die eine Million E-Autos in greifbare Nähe.

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Fotos: Audi AG Eher vertraut als futuristis­ch: Der Audi E-Tron erinnert im Design an seine konvention­ell angetriebe­nen Brüder.
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Unser Autor Michael Gebhardt am Steuer des Audi E-Tron.

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