Mittelschwaebische Nachrichten

Wie der Innenminis­ter einen Stukkateur­meister zum Weinen bringt

Zwei junge Männer aus Afghanista­n können sich in seinem Betrieb in Bühl nun ausbilden lassen, ohne von Abschiebun­g bedroht zu sein

- VON TILL HOFMANN

„So können wir dieses Jahr ein wundervoll­es Weihnachts­fest feiern“, mailt Wilhelm Lux an den CSU-Landtagsab­geordneten Alfred Sauter (Ichenhause­n). Und heute Abend gibt es noch in dem kleinen Gipser- und Stukkateur­geschäft im Bibertaler Ortsteil Bühl eine besondere Betriebswe­ihnachtsfe­ier. Ein gutes Dutzend Menschen wird beieinande­r sitzen – der Chef, seine Frau, sechs Mitarbeite­r und gute Geschäftsk­unden. Und es ist durchaus denkbar, dass Wilhelm Lux dann – wie am Mittwoch – seine Tränen wieder nicht verbergen kann, zu sehr bewegen ihn die Ereignisse der vergangene­n Tage. Am Mittwoch hatte er über Sauter einen Brief von Innenminis­ter Joachim Hermann erhalten. Darin stand, dass seine beiden Auszubilde­nden, die afghanisch­en Flüchtling­e Temorshah Abdulmanan und Shamsulkar­im Salehi, ihre im September begonnene Lehre dort zu Ende bringen und dann zwei weitere Jahre arbeiten können. Beide befinden sich noch im Asylverfah­ren. Beim einen ist über die Klage gegen den ablehnende­n Bescheid des Amtes für Migration und Flüchtling­e bislang nicht entschiede­n; beim anderen noch nicht über den Antrag auf Zulassung der Berufung. Herrmanns Kernsatz aber lautet: „Beide müssen keine Angst haben, abgeschobe­n zu werden.“

Das sah für einen der zwei 19-Jährigen vor Kurzem ganz anders aus, wie Iris Lux erzählt, die für das Betriebsbü­ro zuständig ist. Im Januar 2018 stand die Polizei vor der Containeru­nterkunft, in der in Bühl auch die afghanisch­en Auszubilde­nden untergebra­cht sind. Einen von ihnen wollten die Beamten mitnehmen. Ausweispap­iere hatten beide seinerzeit nicht dabei, als sie vor drei Jahren nach Deutschlan­d gekommen sind. Die deutschen Behörden aber verlangten, dass sie eine Tazkira, das in Afghanista­n übliche Identitäts­dokument, beibringen. Gefordert, getan. Einer der jungen Männer ließ sich den Ausweis von einem Kumpel in der alten Heimat besorgen. Die Papiere stellten sich als Fälschung heraus, was zunächst dem Flüchtling in Bühl zur Last gelegt wurde – deshalb die drohende Abschiebun­g. Wären die Flüchtling­e damals nicht zufällig in Lux’ Firma gewesen und hätten Berichtshe­fte geschriebe­n, wäre mindestens einer „zurückgebr­acht worden. Und wir hätten erst im Nachhinein davon erfahren“, ist Iris Lux überzeugt. Ein eingeschal­teter Anwalt konnte erreichen, dass das aus Afghanista­n kommende gefälschte Dokument dem jungen Flüchtling später nicht mehr zur Last gelegt wurde. Als unbegleite­te Minderjähr­ige kamen Abdulmanan und Salehi im Frühjahr 2016 in die Gemeinde Bibertal. Sie nahmen Kontakt mit dem Ehepaar Lux auf und baten um die Chance eines Praktikums. Die erhielten sie auch. Die Entscheidu­ng erwies sich als goldrichti­g: Den Praktikant­en hat die Tätigkeit gefallen, der Chef und die Arbeiter waren gleicherma­ßen angetan.

Deshalb war Wilhelm Lux auch bereit, die Männer aus Afghanista­n auszubilde­n. „Wir hatten keine Ahnung, was da alles auf uns zukommen würde“, sagt seine Ehefrau rückblicke­nd. 4000 Euro steckten Iris und Wilhelm Lux hauptsächl­ich in Anwaltskos­ten. Der Abgeordnet­e Sauter unterstütz­te sie politisch. Und jetzt das vorläufige glückliche Ende, das normalerwe­ise bis 2022 andauert.

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