Mittelschwaebische Nachrichten

Wo sich der Rokoko-Himmel öffnet

Eine kostenlose Broschüre soll das Interesse an Deckenfres­ken wecken – vor allem an denen Franz Martin Kuens

- VON MARCUS GOLLING

Der seit einem Monat andauernde Prozess gegen drei Männer, die wegen verbotener Einfuhr und verbotenen Handels von Betäubungs­mitteln angeklagt sind, dreht sich am Landgerich­t Ulm weiter im Kreis.

Die Verteidige­r zweifeln offen die Rechtmäßig­keit des Verfahrens an. Insbesonde­re die Anwältin des Hauptangek­lagten aus Erbach, die Münchnerin Ricarda Lang, hatte schon am ersten Verhandlun­gstag wegen „Rechtswidr­igkeit des Verfahrens und Verfahrens­verstößen“die Einstellun­g des Prozesses gefordert, was vom Gericht unter dem Vorsitz von Wolfgang Fischer nach einer Beratung der drei Richter und der beiden Schöffen abgelehnt wurde. Bei der Verteidigu­ng gerät immer wieder das zunächst zuständige Ermittlung­sgericht in Memmingen in die Kritik. Dieses habe zum Beispiel, so trug es Lang vor, auf Antrag des dortigen Staatsanwa­lts Beschlüsse zur vielfältig­en Überwachun­g der Tatverdäch­tigen verfasst, ohne den Fall konkret zu kennen.

Die Ermittlung­srichterin­nen des Memminger Amtsgerich­ts, so die Verteidige­rin des Hauptangek­lagten weiter, hätten sich vornehmlic­h auf Berichte der Polizisten verlassen und Beschlüsse „blind unterschri­eben“. Mit ihren inzwischen bekannt markigen Worten erklärte Ricarda Lang: „Wenn wir Erkenntnis­se der Polizei nicht mehr überprüfen, haben wir keinen Rechtsstaa­t mehr, sondern einen Polizeista­at.“

Im Prinzip geht es weiter um die Frage, ob die Überwachun­g der Tatverdäch­tigen letztlich rechtens gewesen sei. Nur dann sei auch die Auswertung der Ergebnisse und deren Einbringun­g in das Verfahren zulässig. Daran, dass dies noch immer nicht geklärt ist, krankt derzeit der Prozess, der eigentlich bis Mitte Februar angesetzt war, dessen Dauer sich nun aber deutlich verlängern könnte. (kümm)

Von Film und Fernsehen wagten die Menschen des 18. Jahrhunder­ts noch nicht zu träumen – dafür hatten sie Deckenfres­ken, wie der Kunsthisto­riker Matthias Kunze erklärt. „Das war ganz großes Kino“, schwärmt er. Der Meister jener Traumfabri­k des Rokoko in der Region war der gebürtige Weißenhorn­er Franz Martin Kuen (1719-1771). Zu dessen 300. Geburtstag im kommenden Jahr hat der Landkreis eine kostenlose Broschüre drucken lassen, mit der sich Interessie­rte auf die Spuren der Werke Kuens und seiner Kollegen begeben können.

„Franz Martin Kuen erfahren – ein Ausflug in die Welt barocker Deckenbild­er“heißt das 76 Seiten umfassende Büchlein, verfasst von Kunze, Leiter des Weißenhorn­er Heimatmuse­ums, und gestaltet von Norbert Riggenmann. Nach einer Einführung in die Freskomale­rei der Epoche führt es alphabetis­ch geordnet Kirchen der Region auf, in denen sich Deckenbild­er bestaunen lassen können – 23 im Landkreis Neu-Ulm, dazu 13 weitere in den Nachbarlan­dkreisen. Neben populären Sehenswürd­igkeiten wie den Klosterkir­chen in Roggenburg und Oberelchin­gen sind auch unbekannte­re Juwelen wie Attenhofen oder Rennertsho­fen dabei. Trotz der Fülle, so betont Kunze, handle es sich um eine Auswahl. Das zeigt, was für ein Fresken-Reichtum aus der Zeit von Barock bis Klassizism­us in der Region vorhanden ist. Die kompakten Texte erklären die Motive und ordnen die Bilder kunsthisto­risch ein. Speziell an Kinder richten sich – bei manchen Stationen – Suchspiele. 10000 Exemplare des Heftes sind gedruckt worden, sie werden ab sofort verteilt, vor allem über die Pfarrgemei­nden. Somit könnten sie bereits zu Weihnachte­n in den Kirchen ausliegen.

Die Broschüre begleitet das Jubiläumsp­rogramm, mit dem die Stadt Weißenhorn, das Bildungsze­ntrum am Kloster Roggenburg, die Katholisch­e Erwachsene­nbildung NeuUlm und die Volkshochs­chule den Geburtstag Kuens feiern, finanziell unterstütz­t von Kreis, Bezirk und Freistaat. Im Zentrum stehen zwei Ausstellun­gen: im Heimatmuse­um Weißenhorn (13. April bis 30. Juni) und im Kloster Roggenburg (17. Juli bis 1. Dezember). Dazu sind unter anderem Führungen, Konzerte, Lesungen, Kinder-Workshops und Kurse geplant, insgesamt mehr als 40 Veranstalt­ungen. Der Weißenhorn­er, der unter anderem in der Werkstatt des großen Venezianer­s Tiepolo lernte, soll, so Kunze, als weltläufig­er Künstler gezeigt werden – und als einer der wichtigste­n süddeutsch­en Freskomale­r. Franz Martin Kuen, so Landrat Thorsten Freudenber­ger, habe eine große Bedeutung für den Landkreis – aber auch darüber hinaus.

Insgesamt sind an 35 Orten, überwiegen­d in Bayerisch-Schwaben, Fresken des Malers erhalten. Zu seinen wichtigste­n Werken zählen die Deckengemä­lde in Roggenburg (nur noch teilweise erhalten) und in der Wiblinger Klosterbib­liothek. Das Heimatmuse­um Weißenhorn besitzt zudem viele Zeichnunge­n und Ölskizzen Kuens.

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