Mittelschwaebische Nachrichten

„Wir sind die Kirche“

100 Tage Was dem neuen Pfarrer in Neuburg an Weihnachte­n wichtig ist und worauf er sich freut. Er sucht einen Kirchenpfl­eger für Billenhaus­en

- VON DIETER JEHLE

Neuburg An Weihnachte­n ist der 33-jährige Michael Kinzl 100 Tage Pfarrer der Pfarreieng­emeinschaf­t Neuburg. Es ist die erste Pfarrstell­e des jungen Geistliche­n. Und er hat auch einige Erwartunge­n. „Ich würde mir wünschen, dass an Weihnachte­n wieder mehr das Wesentlich­e, also die Geburt Jesu Christi, in den Fokus rückt“, betont der Geistliche. Er sieht Weihnachte­n deshalb nicht primär als das Fest der Familie, der Liebe, der Geschenke und des Friedens. Vorrangig sei es das Fest der Geburt Jesu als wahrer Gottes- und Menschenso­hn. „Das andere ergibt sich – wenn dann – daraus“, sagt Kinzl.

Als Kind ging er mit seinen Eltern an Heiligaben­d in die Kindermess­e. Gerne habe er später als Ministrant an den Gottesdien­sten mitgewirkt. Die Messe an Heilig Abend sei in seiner Heimat Kissing immer sehr gut besucht gewesen. „Freude keimte zuhause immer auf, wenn Opa zu Gast war“, erinnert er sich. Alle lauschten dann gespannt den Geschichte­n des Großvaters. „Meist erzählte er Erlebnisse als Kriegsteil­nehmer.“

Als Pfarrer bedauert er die zunehmende Kommerzial­isierung und Materialis­ierung. Das „Wesentlich­e“an Weihnachte­n komme ihm zu kurz. Er meint dabei den Blick auf die Geburt Jesu. Wesentlich dabei sei, dass dann Gott zum Menschen werde. Weihnachte­n mit Kindern mache für ihn absolut Sinn, aber ohne das Jesus Kind weniger, stellt er klar. Das mit den vielen Geschenken sieht er eher kritisch im Hinblick auf den gesteigert­en Konsum und vielen Kommerz. Er möchte sich zu Weihnachte­n eher nichts schenken lassen, weil man das Wesentlich­e eh nicht für Geld kaufen könne. Der natürliche Überfluss und das sich „alles leisten können“macht ihm Sorgen.

Im Widerspruc­h stellt er aber eine zunehmende Diskrepanz zwischen Arm und Reich fest. „Auf die Dauer ist es schlecht für den Charakter, dass wir alles haben“, ist seine Auffassung. Wichtig ist dem Pfarrer, dass die Leute wieder mehr von der Kirche erwarten und damit mehr von sich. „Denn wir sind ja die Kirche, nicht der Bischof oder der Pfarrer“, sagt der junge Priester. Die Identifika­tion mit der Kirche lasse leider immer mehr nach. Nur zehn Prozent der Christen würden sich mit christlich­en Glaubensin­halten identifizi­eren. „Die Kirche wandert immer mehr an den gesellscha­ftlichen Rand, die Akzeptanz nimmt immer mehr ab“, bedauert Kinzl. Die Missbrauch­sskandale in der katholisch­en Kirche hätten dabei wesentlich dazu beigetrage­n.

Die Bedeutung des Weihnachts­festes im Laufe des vergangene­n Jahrhunder­ts sei massiv von den äußerliche­n Ereignisse­n geprägt. In Kriegszeit­en seien der Wunsch nach Frieden und somit auch der Glaube an die Geburt Jesu Christus stärker vorhanden als in Zeiten des Wohlstande­s. Im Rückblick auf die zahlreiche­n „Weihnachts­märkte“stellt Kinzl klar, dass in der Zeit vor Weihnachte­n nur die Bezeichnun­g „Adventsmar­kt“korrekt sei. „Die Adventszei­t ist eigentlich Fastenzeit, beginnt am ersten Adventsson­ntag und endet an Heilig Abend mit der ersten Vesper vor Weihnachte­n“. Das werde heute aber nicht mehr so gelebt.

Höhepunkt des Weihnachts­festes sei das Hochamt am 25. Dezember. Zuvor werde das Fest der Geburt Jesu Christi in der Vigilmesse an Heilig Abend, die Christmett­e in der Heiligen Nacht und die Hirtenmess­e am frühen Morgen des ersten Weihnachts­feiertages gefeiert. Kein Problem sieht der Geistliche darin, wenn vor allem in der Adventszei­t zahlreiche Konzerte in den Gotteshäus­ern stattfinde­n. „Ich würde es nur schade empfinden, wenn die Kirche von den Besuchern nicht als sakrales Bauwerk, sondern als Konzertsaa­l wahrgenomm­en wird“, sagt Kinzl. An Heilig Abend verkündet er nachmittag­s in Wattenweil­er bei einem Kindergott­esdienst um 16 Uhr und abends um 21.30 Uhr in der Pfarrkirch­e in Neuburg das Wort Gottes. Die Zeit an Heilig Abend zwischen den beiden Gottesdien­sten in Wattenweil­er und Neuburg wird er mit seinen Eltern verbringen. „Ich freue mich auf das Zusammense­in mit den Gläubigen bei den Gottesdien­sten wie mit meinen Eltern“, sagt Kinzl.

„Eines liegt mir noch am Herzen“, sagte Pfarrer Michael Kinzl. „Ich wünsche mir für die Kirchensti­ftung St. Leonhard in Billenhaus­en in absehbarer Zeit einen Kirchenpfl­eger“, erläutert der Pfarrer. Kinzl spricht von einer tollen Kirche und engagierte­n Gläubigen in Billenhaus­en. „Leider hat sich aber für die Funktion des Kirchenpfl­egers nach den Wahlen zum Kirchenrat noch niemand zur Verfügung gestellt“. Er habe durchaus Verständni­s, dass der bisherige Kirchenpfl­eger Josef Schimana nach 18 Jahren dieses Amt niederlege­n wird. Doch wichtig sei nun, dass eine Nachfolge gefunden wird. Sollte sich niemand zur Verfügung stellen, hätte das fatale Folgen für die Pfarrei in Billenhaus­en. „Die Kirchensti­ftung Billenhaus­en hört dann auf zu existieren“, sagt Kinzl. Die Billenhaus­er Kirchensti­ftung würde dann in die Neuburger Kirchensti­ftung „einverleib­t“. Aus der Pfarrkirch­e würde dann eine Filialkirc­he. Bis Mitte Februar muss eine geeignete Person gefunden werden. „Es macht aber nur Sinn, wenn sich jemand findet, der dies von Herzen gerne macht und sich entspreche­nd engagieren wird“, sagt der Pfarrer. Eine Herausford­erung für den künftigen Kirchenpfl­eger wird die Sanierung der Pfarrkirch­e sein, unter anderem ist die Raumschale stark verrußt.

 ?? Foto: Dieter Jehle ?? Michael Kinzl übernahm im September dieses Jahres nach dem Tod seines Vorgängers Karl Fritz die Pfarreieng­emeinschaf­t Neuburg. An Weihnachte­n ist er 100 Tage im Dienst.
Foto: Dieter Jehle Michael Kinzl übernahm im September dieses Jahres nach dem Tod seines Vorgängers Karl Fritz die Pfarreieng­emeinschaf­t Neuburg. An Weihnachte­n ist er 100 Tage im Dienst.

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