Mittelschwaebische Nachrichten
Augsburg war 1918 eine Lazarettstadt
100 Jahre zurückgeblättert Schulen waren Reservelazarette. Klassenzimmer wurden Krankensäle. 3580 Weltkriegstote allein aus der Fuggerstadt
Augsburg Der 1. August 1914 war der Tag der Generalmobilmachung. Der Erste Weltkrieg begann. Reservisten strömten zu Tausenden in die Garnisonsstadt Augsburg zu Kriegsbeginn. Die vor Kriegsbeginn mit etwa 6000 Soldaten belegten Kasernen reichten nicht aus, um die Masse der zum Kriegsdienst Einberufenen zu erfassen, einzukleiden und unterzubringen. Also griff man auf Turnhallen, große Saalbauten und Schulen zurück. Fotos belegen die Fremdnutzung durch das Militär.
Bereits am 20. August 1914 kamen die ersten Soldaten von der Front zurück: Ein Lazarettzug brachte rund 150 Verwundete nach Augsburg! Das Garnisons-Lazarett (heute: St.Servatius-Stift) war schnell überfüllt. Es wurde umgehend um ein ausgedehntes Barackenlager erweitert. „GarnisonsLazarett Augsburg, Station B, Baracke 14“lautet 1916 die Adressenangabe eines dort Untergebrachten auf einer Postkarte.
Augsburger Krankenhäuser und das Garnisonslazarett waren zu Kriegsbeginn Schwerverwundeten vorbehalten, die anderen kamen in „Reserve-Lazarette“. Dazu waren vornehmlich Augsburger Volksschulen umfunktioniert worden. Von nun an kamen Postkartengrüße nicht nur von der Front, sondern auch aus solchen Behelfslazaretten. Die hohe Anzahl der erhaltenen Postkarten mit deren Abbildung deutet auf viele dort untergebrachte Verwundete, Kranke, Traumati- sierte und psychisch Geschädigte. Das waren im Verlauf des Krieges Tausende. Sie hielten mit Angehörigen und Freunden mittels Postkarten Kontakt.
Eine solche Ansichtskarte kam vom „Reserve-Lazarett A ZentralTurnhalle“. Das Foto zeigt den Vorgängerbau der Stadtsparkassenzentrale an der Halderstraße. Es war eines der kleinen Hilfslazarette in Augsburg. Ein sehr großes war das „Reserve-Lazarett B EliasHoll-Schule“in der Jakobervorstadt. Es besitzt dank Brecht-Biografien einen erheblichen Bekanntheitsgrad. Diese Ersatzkrankenanstalt verfügte über Großbaracken im Schulhof.
Bert Brecht leistete dort vom 1. Oktober 1918 bis 9. Januar 1919 Dienst als „Militärkrankenwärter“. So wird er in einer Bescheinigung bezeichnet. Er war in einer Abteilung für geschlechtskranke Soldaten sowie für an Ruhr und Cholera Erkrankte tätig.
Die 1908 erbaute Schillerschule in Lechhausen, Blücherstraße 79 (heute: Caritas-Seniorenzentrum St. Anna), wurde unmittelbar nach Kriegsbeginn 1914 zum Lazarett umgewandelt. „Vereins-Lazarett vom Roten Kreuz in AugsburgLechhausen Schillerschule“ist eine Postkarte mit dem Bild des großen Baus bedruckt. Bedeutend größer als die Lechhauser Schillerschule war die Oberhauser Schillerschule an der Flurstraße nahe der Wertach. Sie heißt seit 1932 Löweneckschule. Der Schulkomplex war zwischen 1904 und 1911 in drei Bauabschnitten errichtet worden. Bei Kriegsbeginn verfügte er über 36 Klassenräume für 950 Kinder, zwei Turnhallen, einen Lichtbildsaal und weitere Räume. Erst 1920 konnte darin der Schulbetrieb wieder voll aufgenommen werden.
Auch die St.-Georg-Volksschule musste geräumt werden und diente als Reserve-Lazarett. Auf einem Foto von 1915 schauen aus den Fenstern statt Schulkindern Patienten. Die zuvor dort unterrichteten 1100 Schulkinder waren währenddessen auf neun Schulen verteilt. Auch hier begann erst im September 1920 wieder der Schulunterricht.
Das Garnisonslazarett blieb weiterhin ein Krankenhaus für Soldaten. Das geht aus den in Augsburger Zeitungen veröffentlichten Wochenstatistiken über die Belegung hervor. Am 27. Oktober 1920 wurden darin 212 Patienten stationär behandelt. „Davon sind Kriegsteilnehmer 198“, weist die Statistik auf die Langzeitfolgen der am 11. November 1918 beendeten Kampfhandlungen hin.
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