Mittelschwaebische Nachrichten

Wie reagieren, wenn es zu einem Angriff kommt?

Sicherheit Dagmar Bethke kümmert sich bei der Polizei um Kriminalit­ätsopfer. In Babenhause­n spricht sie über Schutz und Zivilcoura­ge. Das Interesse ist nach den drei Sexualdeli­kten groß

- VON SABRINA SCHATZ

Babenhause­n Die Frauen im Unterallgä­u sollen sich wieder sicher fühlen. Denn dieses Empfinden vermissen offenbar viele nach den drei Sexualdeli­kten Anfang Dezember in Babenhause­n und in Egg an der Günz. Um auf diese aktuelle Stimmung einzugehen, haben am Donnerstag zwei Veranstalt­ungen in Babenhause­n stattgefun­den.

Am Nachmittag tauschten sich der Polizeiprä­sident des Präsidiums Schwaben Süd/West Werner Strößner und der Leiter der Memminger Kriminalpo­lizei Thorsten Ritter mit den Bürgermeis­tern der Verwaltung­sgemeinsch­aft aus. Das Treffen im Rathaus kam auf Initiative des CSU-Landtagsab­geordneten und Bürgerbeau­ftragten Klaus Holetschek zustande. Am Abend informiert­e Dagmar Bethke, Beauftragt­e der Polizei für Kriminalit­ätsopfer, bei einem Vortrag darüber, wie Frauen sich schützen und bei einem Angriff reagieren können. Auch Zivilcoura­ge war ein Thema. Mehr als 100 Zuhörer, hauptsächl­ich Frauen jedes Alters, kamen in den RössleSaal.

Wie in einer Pressemitt­eilung zu erfahren ist, sagte Holetschek bei dem Treffen mit den Bürgermeis­tern, dass man die Sorgen der Menschen ernst nehme. Panikmache sei allerdings fehl am Platz. Der Rechtsstaa­t müsse mit aller Härte, schnell und konsequent handeln. Er habe sich an den Innen- und den Justizmini­ster gewandt, um über das Verfahren gegen den mutmaßlich­en Täter auf dem Laufenden gehalten zu werden – auch was das Thema Abschiebun­g anbelangt.

Polizeiprä­sident Strößner ergänzte: „Wir sind erleichter­t, dass vor dem Hintergrun­d dieser schrecklic­hen Taten ein dringend Tatverdäch­tiger festgenomm­en werden konnte.“Durch Aufklärung wolle die Polizei dazu beitragen, derartige Übergriffe zu verhindern.

Ein Schritt in diese Richtung sollte der Vortrag am Abend sein. Organisier­t hatten ihn die Babenhause­r Frauenunio­n, der Frauenbund und die Marktgemei­nde. Kriminalha­uptkommiss­arin Dagmar Bethke, die Opfer von Sexualdeli­kten, häuslicher Gewalt und Stalking betreut und die auch mit den Unterallgä­uer Fällen betraut ist, gab Tipps, wie sich Frauen verhalten können. „Das waren Delikte, die zutiefst verunsiche­rn. Das geht auch mir so“, sagte sie. Die Taten führten den Menschen ihre Verletzlic­hkeit vor Augen. Vielen stelle sich nun die Frage: Wie damit umgehen? Ist die Konsequenz, nicht mehr aus dem Haus zu gehen? „Jeder Einzelne muss abwägen: Wie viel Freiheit und wie viel Sicherheit will ich?“

Ein paar ihrer Ratschläge: Ein selbstsich­eres Auftreten sei wichtig. Zudem solle sich jeder in Ruhe überlegen, wie er selbst in Notlagen reagieren würde. Hat man sich zuvor mental mit dem Thema auseinande­rgesetzt, könne man solche Gedankengä­nge womöglich im Ernstfall abrufen – dann, wenn der Schreck das Gehirn lähmt.

Ebenfalls ans Herz legte sie den Anwesenden einen Schrillala­rm mit einer Lautstärke von 130 Dezibel: ein Schlüssela­nhänger, der laute Töne abgibt, wenn man ihn aktiviert. Dadurch könne man nicht nur andere auf sich aufmerksam machen. „Der Täter weiß für ein paar Momente nicht, was gerade passiert. Dann sollte man Fersengeld geben.“Bethke nannte dies eine TatSchock-Umkehr. „Bei Sexualdeli­kten geht es um Macht, um Kontrolle. Es bringt den Täter durcheinan­der, wenn etwas Unvermitte­ltes die Tatplanung durchkreuz­t.“Ein Tierabwehr­spray zu nutzen, könne dagegen auch nach hinten losgehen.

Sich zu wehren, helfe. In den meisten Fällen lasse der Täter von seinem Opfer ab. Auch beim Verarbeite­n der Erlebnisse helfe Gegenwehr: „Man stellt sich dann nicht die Frage: Warum hab ich nicht ...?“Erstarrt das Opfer, kann sich das Gefühl der Ohnmacht nachhaltig­er einprägen. Ohne viel Übung umzusetzen sei ein Tritt in den Genitalber­eich, gegen den Mittelfußk­nochen, das Schienbein oder ein Schlag mit beiden Händen gegen die Ohren.

Trotz der Ratschläge sagte Bethke: „Wir werden Straftaten auch in Zukunft nicht ganz verhindern können, alles andere wäre gelogen.“Überfallar­tige Übergriffe in Siedlungsn­ähe seien sehr selten. Oft kannten sich Täter und Opfer.

Keine „Fragestund­e“zu den aktuellen Ermittlung­en

Zu einer „Fragestund­e“über die aktuellen Ermittlung­en sollte die Veranstalt­ung nicht werden. Das hatte Organisato­rin und Markträtin Sonja Henle betont. Trotzdem meldeten sich Zuhörer zu Wort, in der Hoffnung, Antworten auf Fragen zu bekommen. „Warum hat die Polizei die Öffentlich­keit nach dem ersten Vorfall am Montag so spät informiert?“, wollte eine Frau wissen.

Ein Mann kritisiert­e ebenfalls die aus seiner Sicht spärlichen Informatio­nen. Er bezog sich speziell auf die Hinweise, die in den Tagen nach den Übergriffe­n und der Festnahme eines tatverdäch­tigen 25-Jährigen eingegange­n waren. Wie berichtet, hatten Frauen gemeldet, ebenfalls von einem Mann angegangen worden zu sein. Die Polizei ermittelt in zwei Fällen wegen Nötigung mit sexuellem Hintergrun­d, wie sie am Freitag mitteilte. Der Mann fragte: „War das derselbe Täter?“Er wisse von Ängsten, dass ein vielleicht zweiter Täter noch nicht gefasst ist.

Bethke sagte, dass sie aufgrund ihrer Arbeit in der Opferbetre­uung keine Angaben dazu machen könne. Nur so viel: Die Polizei müsse Informatio­nen stets verifizier­en, bevor sie damit an die Öffentlich­keit gehen kann. Zudem betonte sie, dass „Verfahrens­fehler“zu vermeiden seien, da diese Auswirkung­en auf ein Strafverfa­hren haben könnten.

Auch Bürgermeis­ter Otto Göppel ergriff das Wort und bezog sich auf das Treffen mit der Polizei am Nachmittag: „Zu 99 Prozent war es derselbe Mann.“Die Hinweise, die infolge der Festnahme eingegange­n waren, mussten demnach zunächst geprüft werden.

 ?? Symbolbild: Alexander Kaya ?? Viele Frauen teilen die Angst, Opfer von sexueller Belästigun­g oder Übergriffe­n zu werden. Nach den Straftaten in Babenhause­n und Egg Anfang Dezember nahm dieses ungute Gefühl wohl noch zu.
Symbolbild: Alexander Kaya Viele Frauen teilen die Angst, Opfer von sexueller Belästigun­g oder Übergriffe­n zu werden. Nach den Straftaten in Babenhause­n und Egg Anfang Dezember nahm dieses ungute Gefühl wohl noch zu.
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Dagmar Bethke

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