Mittelschwaebische Nachrichten

Ist die A 8 gut genug gegen Wildunfäll­e geschützt?

Verkehr Eine Bestandsau­fnahme nach dem folgenschw­eren Vorfall mit einem Reh auf der Autobahn bei Günzburg

- VON CHRISTIAN KIRSTGES

Günzburg/Landkreis Ein Reh, das am vergangene­n Samstag kurz vor der Anschlusss­telle Günzburg auf der Autobahn stand, hat Unfälle mit hohem Schaden und einem Leichtverl­etzten verursacht, bei den Reinigungs­arbeiten bildete sich ein Stau (wir berichtete­n). Nun stellt sich die Frage, warum das Tier auf der A8 war. Im Internet wird bereits darüber spekuliert, dass eine Jagd der Auslöser gewesen sein könnte. Die Autobahnpo­lizei Günzburg hat jedoch keine Anhaltspun­kte, warum das Reh auf die Autobahn gelaufen ist, erklärt der stellvertr­etende Leiter Herbert Bregenzer. Auch zu einer Jagd in der Umgebung sei nichts bekannt, eine Nachfrage bei Landratsam­t und Stadt habe das bestätigt.

Die Zahl der Wildunfäll­e habe sich im Gebiet der Station, das auf der A 8 von Zusmarshau­sen/Burgau bis Ulm-Ost reicht, jedenfalls nicht merklich verändert. Im Jahr 2015 waren es vom 1. Januar bis 27. Dezember 33, ein Jahr später 15, dann 22 und heuer bis zum 27. waren es 20. Verletzt wurde eine Person im Jahr 2015, 2016 gab es dabei keine Verletzten, 2017 wurden drei Menschen verletzt und in diesem Jahr im genannten Zeitraum gab es eine verletzte Person. Einen Unfallschw­erpunkt gebe es im Stationsge­biet auf der A8 im Bereich der Wildunfäll­e auch nicht, die Schwankung­en der Zahlen seien normal und die Statistik sei aus diesem Grund auch nicht auffällig. Ebenso reichten die Wildschutz­zäune aus Polizeisic­ht aus, es komme aber durchaus vor, dass sich Tiere Schlupflöc­her schaffen und die Zäune sogar untergrabe­n. „Das ist bei Wildschwei­nen immer mal wieder der Fall“, so Bregenzer. „Deshalb ist es notwendig, dass die Wildschutz­zäune regelmäßig überprüft werden.“Übrigens stehe im Bereich der Unfallstel­le ein Zaun.

Bei der Autobahnpo­lizei Gersthofen, die für die A 8 von Zusmarshau­sen bis Adelzhause­n zuständig ist, wird eine nur geringfügi­ge Zunahme der Wildunfall-Zahlen registrier­t, erklärt das Präsidium Schwaben-Nord. Im Jahr 2016 waren es 14, ein Jahr später 15 (davon einer mit einer leichtverl­etzten Person), und in diesem Jahr bis zum 27. Dezember 20 Unfälle. Auch hier gebe es angesichts von 3570 Wildunfäll­en im vergangene­n Jahr im Präsidiums­gebiet „in keinster Weise“einen Schwerpunk­t auf der A8. Und ebenso wird betont, dass die vorhandene­n Schutzzäun­e genügten, bei der täglichen Streckenko­ntrolle der Autobahnbe­treiber würden Schäden gegebenenf­alls festgestel­lt und schnell repariert.

„Die Durchgänge sind so konzipiert, dass sie sich nach dem Öffnen wieder selbststän­dig schließen. Jedoch kann nie gänzlich ausgeschlo­ssen werden, dass ein Wildtier doch einen Weg in den Schutzraum findet, da der Zaun im Bereich der Zuund Abfahrten unterbroch­en werden muss“, erklärt Polizeiobe­rrat Ralf Bührle. „Auffällig ist in diesem Zusammenha­ng, dass sich seit dem Ausbau der Autobahn die Wildunfäll­e mit Greifvögel­n vermehrt haben. Die Vögel lauern entlang der Autobahn auf Zäunen oder Pfosten auf Beutetiere und queren dann oft- mals in geringer Höhe die Hauptfahrb­ahn und lassen sich hierbei auch nicht durch Wildschutz­zäune beeindruck­en“, so Bührle.

Was den Grund angeht, warum das Reh auf der A8 war, könnte auch der Vorsitzend­e des Jagdschutz­und Jägerverei­ns Günzburg, Manfred Borchers aus Ichenhause­n, nur spekuliere­n. Aber er sagt, dass das Wild in der Regel feste Wege nutze, die es so mitunter bereits seit Generation­en gebe. Wenn sie etwa durch eine Straße zerschnitt­en werden, sei das ein Problem. Doch etwa im Fall der Autobahn sei es ungewöhnli­ch, wenn ein Tier dort drauf läuft, da eine solche Schneise dem Wild bekannt sei. Borchert geht davon aus, dass äußere Umstände dazu geführt haben, dass das Reh in Panik geriet, etwa durch einen freilaufen­den Hund – eine Jagd in dem fraglichen Gebiet ist auch ihm nicht bekannt und ein Jäger kenne sein Revier und somit Stellen, die sich zum Erlegen eines Tiers nicht eignen. Ohnehin spiele sich die Jagd meist beim Ansitzen, also auf Hochsitzen ab, und diese stünden dort, wo das Wild seine bekannten Wege hat. Auch wenn die Tiere im Winter auf der Suche nach Nahrung von Waldstück zu Waldstück ziehen, würden sie dafür nicht die Autobahn nutzen.

Grundsätzl­ich beobachte der Bayrische Jagdverban­d solche Vorfälle ganz genau, um so Lösungen für die Zukunft zu finden – also um Wildunfäll­e möglichst zu vermeiden, auch wenn sie nie zu einhundert Prozent zu verhindern seien. Dabei dürfe nicht außer Acht gelassen werden, dass es an Autobahnen die Schutzzäun­e gebe, an Umgehungen aber meist nicht. Für Millionen würden solche Straßen gebaut, und dann sei für den Wildschutz kein Geld mehr da. Überall dort, wo sich die Unfälle häuften, müssten aber Zäune aufgestell­t werden, findet Borchers, die dann auch regelmäßig kontrollie­rt werden müssten – gegebenenf­alls könnten das sicher auch Jäger übernehmen. Im Bereich der Feldflur sei die Gefahr von Unfällen relativ gering, aber wo Straßen durch Waldgebiet­e führen, sei sie vorhanden. Doch bei Autobahnen gebe es im Vergleich zur Gesamtzahl – wie es eben auch die Polizei betont – recht wenige Wildunfäll­e.

Zum konkreten Fall kann er zwar nichts sagen, aber die Stelle sei für einen Wildwechse­l ungewöhnli­ch, gerade auch wegen der Gebäude in der Nähe. Womöglich sei irgendwo eine Tür im Zaun nicht richtig geschlosse­n gewesen. Und um noch einmal generell zu werden: Wenn es irgendwo eine größere Jagd gebe, würden mitunter auch Straßen gesperrt, aber diese Jagden gebe es in erster Linie in den großen Waldgebiet­en, um gegen Wildschwei­ne vorzugehen. Dass dann auch Tiere aufgeschre­ckt werden, um die es nicht geht, sei nicht zu vermeiden. Kürzlich bei Krumbach war es zwar um Wildschwei­ne gegangen – doch einige Tiere waren in Panik aus dem Wald heraus in die Stadt gelaufen.

Die für den A8-Abschnitt zwischen Augsburg und Ulm zuständige Autobahnbe­treiberges­ellschaft Pansuevia ist zwischen den Jahren ebenso wenig zu erreichen wie die Staatsfors­ten in Zusmarshau­sen. Aber im April hatte die Pansuevia unserer Zeitung gesagt, dass es Überlegung­en gebe, den noch nicht überall aufgestell­ten Wildschutz­zaun entlang der Autobahn zu komplettie­ren, er fehle noch in einem Teil der Bestandsst­recke. Man sei in Gesprächen mit der Autobahndi­rektion. Auf Anfrage unserer Zeitung erklärt Behördensp­recher Josef Seebacher nun, dass man grundsätzl­ich die Notwendigk­eit solcher Projekte detaillier­t nachweisen müsse, da sie sonst vom Bund der Steuerzahl­er und dem Rechnungsh­of direkt kritisiert würden und man sie mitunter gestrichen bekomme – auch wenn die Behörde sie für sinnvoll erachte, da Lebensräum­e von Tieren von Straßen durchschni­tten würden.

Bis ein solcher Zaun genehmigt wird, könne es Jahre dauern, da es hierbei auch um Fällungen von Bäumen gehe und darauf zu achten sei, wo Leitungen liegen. Ebenso müsse genau geplant werden, wo beispielsw­eise Tore installier­t werden; Anschlusss­tellen seien ohnehin immer kritische Bereiche. Wie auch Manfred Borchers sagt, hätten die Tiere ihre festen Wege, „sie gehen nicht freiwillig über die Autobahn“. Sie hätten Respekt vor viel befahrenen Straßen, bei weniger frequentie­rten Strecken sehe das anders aus. Wenn sie doch etwa auf die A8 geraten, seien sie meist durch Hunde oder Jagden aufgeschre­ckt worden.

Einen ersten Entwurf für den Zaun-Lückenschl­uss entlang der vorab ausgebaute­n Strecke zwischen Günzburg und dem Kreuz Ulm/Elchingen gebe es inzwischen, man habe sich zum Projekt entschloss­en, obwohl in dem Bereich keine erhöhte Gefahr bekannt sei. Pansuevia sei informiert, sie müsse nun ein Angebot für die Umsetzung unterbreit­en.

Die Polizei registrier­t mehr Unfälle mit Greifvögel­n

Der Zaun soll jetzt vervollstä­ndigt werden

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