Mittelschwaebische Nachrichten
Wenn Geschäfte zu Museen werden
Wirtschaft Der Sportladen Fifty-Eight am Münsterplatz schließt nach 25 Jahren – die Stadt Ulm zieht als Mieter ein. Eine Entwicklung, die typisch für einen krisenhaften Handel scheint
Ulm/Neu-Ulm Das Aus für ein etabliertes Geschäft steht symptomatisch für die Krise des stationären Einzelhandels: Nach über einem Vierteljahrhundert schließt im Januar Fifty-Eight, der Skate-, Snowboardund Surfladen am Münsterplatz. „Das ist schon ein herber Verlust“, sagt Citymanager Henning Krone. Ulm verliere damit an Vielfalt. So ganz weg ist der Laden allerdings nicht: Inhaber Jens Gramer eröffnet dafür am SSV-Bad direkt an der Donau mit einem neuen Konzept. Statt des Einzelhandels stehen hier allerdings Dienstleistungen wie Kurse und die Gastronomie im Mittelpunkt. Wie Gramer sagt, habe die Frequenz in seinem Geschäft im ehemaligen Musikhaus Reisser in den vergangenen Jahren deutlich nachgelassen. Der Fifty-Eight sei ohnehin eines der letzten größeren, auf Skate- und Snowboards fixierten Geschäfte der Republik, weil die Kundschaft in den Onlinehandel abgewandert sei. „Es ist einfach nicht mehr zeitgemäß.“
Zeitgemäß ist wohl hingegen die bereits feststehende Nachnutzung: Kein Händler wird einziehen, sondern die Stadt Ulm. Wie Ingo Bergmann, der Leiter der Öffentlichkeitsarbeit im Rathaus, auf Anfrage sagt, werde hier der Flugsimulator „Birdly“eine neue Heimat finden. Zudem werde derzeit an einem Konzept gearbeitet, wie die Stadtkampagne „Ulm Stories – Geschichten einer Stadt“hier weiter erzählt werden könne. Noch ist nichts spruchreif, doch vermutlich wird die Münsterbauhütte im Mittelpunkt stehen: Die Werkstatt der Steinmetze ist seit diesem Jahr Teil des immateriellen Weltkulturerbes.
Der Handelsexperte der Ulmer Industrie- und Handelskammer, Josef Röll, sieht die Entwicklung rund um den Fifty-Eight als Vorreiter einer Entwicklung, die auf alle Händler zukomme: Jeder Geschäftsinhaber müsse in Zeiten eines immer bedeutender werdenden Onlinehandels sein Konzept überdenken. Oder er werde verschwinden.
Eine Fokussierung auf Dienstleistungen und gastronomisches Erleben, wie es Gramer mit der Verlegung seines Ladens mache, spiegle eine bundesweite Tendenz wider. Bekannte Beispiele des längst eingesetzten Wandels des Handels sind zwei einst renommierte Modegeschäfte, in die bald Systemgastronomen einziehen werden: Im Ex-Honer werden bei Vapiano bald Nudeln gekocht und im früheren Her- brät „Hans im Glück“künftig Hamburger. Und längst läuft im Ex-Modehaus Jung Barfüßer-Bier aus Zapfhähnen.
Wie sehr althergebrachte, vermeintlich sehr erfolgreiche Konzepte überdacht werden, zeige auch etwa der Outdoor-Ausrüster Vaude, der in Ulm mit einem Geschäft vertreten ist: Rucksäcke, Schlafsäcke, Zelte und Co lassen sich dort neuerdings auch mieten.
Röll sieht in Ulm durch eine notorische Parkplatznot den Wandlungsprozess beschleunigt. Denn wer etwa sein Snowboard zur Repawig-Gebäude ratur bringen will, brauche nun mal einen Parkplatz in der Nähe, was in Ulm, insbesondere an Samstagen, immer schwieriger werde. Davon würden Standorte wie Senden mit einer ausgesprochen autofreundlichen Infrastruktur profitieren. Das lässt sich auch in Zahlen festmachen: Laut dem aktuellen Handelskompendium der regionalen Handelskammern ging die Frequenz in der Ulmer City gegenüber 2013 um sagenhafte 24 Prozent zurück.
Nur hinter vorgehaltener Hand wird in großen Geschäften der Ulmer Fußgängerzone vor diesem Hintergrund über ein maues Weihnachtsgeschäft gejammert. Wer den offiziellen Weg geht, bekommt nur Positives zu hören, weil sich niemand als Nestbeschmutzer sehen will.
Doch die Krise ist da: Nachdem sich die Anzeichen verdichten, dass sich der Handelskonzern Galeria Kaufhof in finanzieller Not befindet, muss man kein Prophet sein, um zu wissen, dass auch in der Ulmer Filiale die Nerven blank liegen. Zumal Ulms größtes Geschäft mit am meisten unter der Großbaustelle am Bahnhof zu leiden hat.
Citymanager Henning Krone muss ebenso sein Produkt – die Ulmer
Fokus auf Dienstleistung und Gastronomie
Die Ironie: Zalando verkauft in Ulm Online-Retouren
Innenstadt – möglichst positiv verkaufen. Und so kommt bei ihm nur zaghaft Sorgenvolles über die Lippen. „Die Umsätze unter der Woche hätten besser sein können“, sagt Krone. Allerdings sei der Umsatz von Gutscheinen der Ulmer City sehr gut gewesen: Bereits Anfang Dezember sei mit einem Wert von zwei Millionen Euro die Zahl vom Vorjahr übertroffen worden. Die Umsätze des Vorjahres seien auch in der Neu-Ulmer Glacis-Galerie leicht übertroffen worden, so Centermanager Torsten Keller. Und das sei in diesen Zeiten schon ein Erfolg. Als Erfolg verbucht auch Ralph Lederer, der Geschäftsführer bei Möbel Mahler, das Weihnachtsgeschäft: Die Umsätze hätten das Vorjahresniveau erreicht. Und das aber bei halbierter Verkaufsfläche. Auf dem Rest der Fläche streicht Mahler Mieten ein. Und die Mieter wie etwa home24, Who’s perfect oder McTrek seien sehr zufrieden mit dem neuen Konzept.
Und so bleibt den Ulmer Händlern nichts anderes übrig als abzuwarten, bis das Parkhaus am Bahnhof und das neue Einkaufsquartier Sedelhöfe 2020 fertig ist. Die Ironie dabei: Der Modehändler Zalando als einer der großen Mieter wird dort hauptsächlich Online-Retouren verkaufen.