Mittelschwaebische Nachrichten

Der Immobilien­markt gerät außer Kontrolle

Steigende Preise für das Wohnen setzen die ganze Gesellscha­ft unter Stress. Für manche Familie, aber auch für künftige Ruheständl­er birgt dies gewaltige Probleme

- VON MICHAEL KERLER mke@augsburger-allgemeine.de

Das Leben ist teuer. Dieser alte Spruch hat in den vergangene­n Jahren besondere Brisanz gewonnen. Vor allem, wenn es um das Thema Wohnen geht. Die Preise für Wohnungen und Häuser sind genauso wie viele Mieten rasant gestiegen. Dies setzt gerade in Süddeutsch­land die ganze Gesellscha­ft unter Spannung. Der Landesbaus­parkasse LBS zufolge haben die Preise für Häuser zwischen 2000 und 2017 um 50 Prozent zugelegt. Wer eine Immobilie kaufen will, merkt derzeit, dass er gar nicht so schnell Eigenkapit­al bilden kann, wie die Preise steigen. Und wer zur Miete wohnt, gibt seine Lohnerhöhu­ng häufig gleich wieder für höhere Wohnkosten aus. Ein Immobilien­markt außer Kontrolle erhöht den Druck auf junge Familien, auf Ruheständl­er und auf alle Arbeitnehm­er, deren Gehälter weniger stark steigen als die Kosten für das Wohnen. Die Folgen sind gravierend.

Hohe Immobilien­preise bedeuten nicht nur einen Verlust an Lebensqual­ität. Wer als Familie in einer zu kleinen Wohnung verharrt, fühlt sich beengt. Wer die Flucht ins Umland in Kauf nimmt, muss längere Zeit zum Pendeln einplanen, verbunden mit Stress und Belastunge­n für die Umwelt. Wer sich die teure Wohnung in der Stadt leistet, muss Abstriche an anderer Stelle machen.

Gravierend­er noch ist das Problem der finanziell­en Vorsorge. Steigen die Kosten für das Wohnen, bleibt weniger Geld für die private Altersvors­orge. Konzepte wie Aktienspar­pläne zur Ergänzung der gesetzlich­en Rente sind gut, aber auch dafür muss am Ende des Monats Geld vorhanden sein.

Endgültig zum Problem werden hohe Mieten – wie man sie in München, aber zunehmend auch in mittelgroß­en Städten wie Augsburg, Ingolstadt und Ulm sieht – für Ruheständl­er. Muss ein Ehepaar mit 1300 Euro Rente bereits die Hälfte davon für das Thema Wohnen aufbringen, müssen sich beide ihr Leben schon genauer einteilen. Den Ausweg brächte der Kauf einer eigenen Immobilie. Bei Neubauprei­sen rund um eine halbe Million Euro für eine Vierzimmer­wohnung oder eine Doppelhaus­hälfte im Großraum Augsburg ist dies aber längst für viele unerschwin­glich geworden.

Die neuen finanziell­en Förderunge­n des Staates sind gut, werden das Problem aber nicht lösen. Mit Blick auf das neue Baukinderg­eld sehen Experten zum Beispiel Mitnahmeef­fekte. Genutzt wird es von vielen, die sowieso gekauft oder gebaut hätten. Gefragt sind deshalb Lösungen, die zusätzlich­en Wohnraum schaffen und die Preissteig­erung senken.

Ohne ein größeres Angebot an Immobilien wird der Wohnraumma­ngel gerade in den Ballungsrä­umen nicht zu lösen sein. Da die Politik zugleich „Flächenfra­ß“eindämmen will, birgt die Situation politische­n Sprengstof­f. In den Städten wird deshalb höher und dichter gebaut werden müssen. Ganz ohne die Ausweisung neuer Baugebiete wird es aber trotzdem nicht gehen. Im Idealfall entstehen neue Siedlungen auf Industrieb­rachen statt auf bestem Ackerland.

Und vielleicht sollte man noch einen Faktor im Auge behalten: Spekulatio­n. In Berlin betrachtet man das Problem mit Sorge, dass manche Investoren Grundstück­e kaufen, ohne darauf zu bauen. Sie spekuliere­n allein auf die Preissteig­erung. Und in deutschen Ballungsrä­umen wie München und Frankfurt haben zudem viele ausländisc­he Investoren Immobilien erworben – seien es skandinavi­sche Pensionska­ssen, seien es Anleger aus China. Internatio­nal empfangen längst nicht mehr alle Länder solche Immobilien­investoren mit offenen Armen: Neuseeland zum Beispiel hat den Kauf bestehende­r Häuser für Ausländer 2018 deutlich erschwert.

Ganz ohne neue Baugebiete wird es nicht gehen

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