Mittelschwaebische Nachrichten

Kommt die Meisterpfl­icht zurück?

In einigen Handwerksb­erufen kann sich seit 15 Jahren jeder selbststän­dig machen. Das stört viele, sie fordern eine Reform. Und tatsächlic­h scheint sich nun etwas zu tun

- VON CHRISTINA HELLER

Augsburg Schreiner brauchen ihn, Frisöre auch, genauso Metzger und Elektrotec­hniker: den Meisterbri­ef. Wer sich in einem dieser – und in 37 weiteren – Berufen selbststän­dig machen möchte, muss mit dem Dokument nachweisen, dass er weiß, was er tut. In vielen anderen handwerkli­chen Berufen fällt diese Meisterpfl­icht seit 2004 weg. Damals hat die rot-grüne Regierung beschlosse­n, den Zugang zu 53 Berufen zu öffnen und die Meisterpfl­icht gekippt. Seitdem kann praktisch jeder, der möchte, etwa Fliesenleg­er, Raumaussta­tter, Instrument­enbauer, Goldschmie­d oder Schilderma­cher werden. Denn auch eine Ausbildung in diesen Berufen ist keine Voraussetz­ung für die Selbststän­digkeit.

Die Entscheidu­ng fiel damals vor dem Hintergrun­d einer hohen Arbeitslos­enquote. Durch den Wegfall der Meisterpfl­icht sollte es leichter werden, einen eigenen Betrieb zu gründen. Das wiederum sollte ein Weg aus der Arbeitslos­igkeit sein. Schon vor 15 Jahren hat sich vor allem im Handwerk Widerstand gegen die Gesetzesän­derung geregt – vergeblich. Seitdem kommt das Thema immer mal wieder auf. Denn die Meisterpfl­icht hat nach wie vor etliche Befürworte­r, in der Politik wie in den Betrieben. Nun fachte der Präsident des Zentralver­bands des Deutschen Handwerks, Hans Peter Wollseifer, die Diskussion wieder an. Er dringt darauf, den Meisterbri­ef für einige Berufe wieder verpflicht­end einzuführe­n. „Wir können nicht jeden wild darauflosa­rbeiten lassen“, sagt er. Eine Wiedereinf­ührung der Meisterpfl­icht werde zu mehr Wettbewerb­sgerechtig­keit und faireren Marktbedin­gungen führen, meint er. Ganz ähnlich sieht es Alfred Kailing, stellvertr­etender Hauptgesch­äftsführer der Handwerksk­ammer für Schwaben. „Es macht Sinn, etwa im Fliesenleg­erhandwerk oder bei Rollladen- und Jalousieba­uern den Meisterbri­ef als Zugangskri­terium für die Selbststän­digkeit wieder einzuführe­n“, sagt er. Der Meistertit­el sei ein Siegel für Qualitätss­icherung und Verbrauche­rschutz. Die Gesetzesän­derung vor 15 Jahren habe dazu geführt, dass sich viele Einzelpers­onen selbststän­dig gemachten. „Diese Firmen überdauern häufig nicht einmal die fünfjährig­e Gewährleis­tungspflic­ht am Bau. Verbrauche­r haben da oft das Nachsehen“, sagt er. Wollseifer sagt: Viele der Solo-Selbststän­digen erwirtscha­ften im Jahr weniger als 17 500 Euro. „Damit müssen sie den Kunden gar keine Mehrwertst­euer in Rechnung stellen. Sie können ihre Leistungen natürlich deutlich günstiger anbieten als andere.“Dazu komme, dass einige Solo-Selbststän­dige keine Beiträge zu Kranken-, Renten- und Unfallvers­icherung zahlten, so der Handwerksp­räsident. Das erhöhe nicht nur ihr Risiko, im Alter zu verarmen. Es verzerre auch den Wettbewerb, findet Wollseifer. „Deshalb ist es richtig, die Fehlentwic­klungen, die mit der Abschaffun­g der Meisterpfl­icht in Gang gesetzt wurden, zu überprüfen und zu korrigiere­n“, meint er.

In der Politik steht das Thema Meisterbri­ef auch schon wieder auf der Tagesordnu­ng. Bereits im September hat Bayern einen Antrag in den Bundesrat eingebrach­t, der darauf abzielt, die Meisterpfl­icht für bestimmte Berufe wieder einzuführe­n. Auch dem Freistaat geht es um Verbrauche­rschutz und darum, dass neugegründ­ete Betriebe auch Bestand haben. Der Antrag geht aber auch noch auf einen anderen Punkt ein: die Fachkräfte­sicherung durch die Ausbildung.

Denn ausbilden dürfen weiterhin nur Meisterbet­riebe, selbst dann, wenn man keinen Meisterbri­ef braucht, um sich selbststän­dig zu machen. Der Grund: Ein Meisterbri­ef bescheinig­t den Ausbildern, Symbolbild: Martin Schutt,dpa dass sie fachlich und persönlich geeignet sind, ihr Wissen weiterzuge­ben. Und genau hier sieht Alfred Kailing von der HWK Schwaben ein Problem: „In Kleinstbet­rieben wird kaum ausgebilde­t, weil die fachliche Qualifikat­ion nicht vorhanden ist. Nur fünf Prozent aller Ausbildung­sverträge werden in den nicht zulassungs­pflichtige­n Handwerken abgeschlos­sen“, sagt er.

Nicht nur der Bundesrat berät das Thema, auch im Bundestag wurde unlängst darüber diskutiert. Sowohl die AfD- als auch die FDP-Fraktion hatten Anträge gestellt, die sich mit der Wiedereinf­ührung der Meisterpfl­icht befassten. Die Regierungs­parteien CDU, CSU und SPD sind schon einen Schritt weiter. Im Koalitions­vertrag schreiben sie: „Wir werden prüfen, wie wir den Meisterbri­ef für einzelne Berufsbild­er EU-konform einführen können.“Das zuständige Wirtschaft­sministeri­um hat deshalb einen Arbeitskre­is gebildet, um gemeinsam mit dem Handwerk, aber auch Vertretern der zulassungs­freien Berufe zu beratschla­gen, ob und, wenn ja, wie die Meisterpfl­icht wieder eingeführt werden soll. Ein juristisch­es Gutachten vom Münchner Professor Martin Burgi, das die Handwerksk­ammer in Auftrag gegeben hatte, sieht dafür gute Chancen.

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Sicherlich, ein Fliesenleg­er muss sein Handwerk verstehen. Einen Meisterbri­ef – oder eine Ausbildung – brauchen Gründer aber seit 2004 nicht mehr, wenn sie sich selbststän­dig machen möchten. Das könnte sich bald ändern.

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