Mittelschwaebische Nachrichten
So bremsen Sie die Heizkosten
Bei vier von fünf Abrechnungen gibt es Unregelmäßigkeiten. Wie sich Verbraucher vor Nachzahlungen schützen können
Augsburg Ärger, Streit und mitunter sogar Auseinandersetzungen vor Gericht: Über die Heizkosten ärgern sich viele Mieter und Wohnungsbesitzer. Und das durchaus zu Recht, denn die Abrechnungen haben ein sehr hohes Fehlerpotenzial, wie eine aktuelle Auswertung der Verbraucherschutzorganisation Finanztip und der gemeinnützigen Beratungsgesellschaft co2online zeigt, für die stichprobenartig 100 Abrechnungen unter die Lupe genommen wurden. Demnach sind vier von fünf Heizkostenabrechnungen auffällig. Besonders viele Unregelmäßigkeiten stellten die Verbraucherschützer bei den Angaben zum Warmwasserverbrauch und den Strom, der für die Heizungspumpe verbraucht wird, fest. Mieter sollten ihre Heizkostenabrechnung daher immer gründlich prüfen, rät Finanztip-Chef Herman-Josef Tenhagen. „Und zwar nicht nur, wenn eine Nachzahlung gefordert wird.“
Wie hoch sind die Heizkosten normalerweise?
Laut co2online haben Mieter oder Wohnungseigentümer im vergangenen Jahr durchschnittlich für das Heizen einer Wohnung mit 70 Quadratmetern im Mehrfamilienhaus 790 Euro gezahlt, wenn Erdgas eingesetzt wurde. Bei einer Ölheizung fielen im Mittel 750 Euro an. Fernwärme ist teurer und kostete 895 Euro im Jahr. Die Spanne der Heizkosten ist jedoch gewaltig: In gut gedämmten Gebäuden betrugen die Heizkosten (mit Erdgas) durchschnittlich nur 520 Euro, während in schlecht oder gar nicht sanierten Häusern über 1100 Euro anfielen.
Wie muss die Abrechnung erfolgen? Die Heizkosten müssen einmal jährlich abgerechnet werden – und zwar maximal ein Jahr, nachdem sie angefallen sind. Die Kosten für das Jahr 2018 kann der Vermieter also bis zum 31. Dezember 2019 geltend machen – sonst gelten eventuell geforderte Nachzahlungen als verjährt. Werden die Heizkosten in der Betriebskostenabrechnung nicht genau aufgeschlüsselt, „kann der Mieter eine verlangte Nachzahlung verweigern“, betont Finanztip-Energieexpertin Ines Rutschmann. Werden die Heizkosten nicht nach Verbrauch, sondern nach Wohnfläche berechnet, dürfen Verbraucher eine pauschale Kürzung um 15 Prozent vornehmen.
Wie werden die Kosten für Warmwasser abgerechnet? Häufig dient die zentrale Heizungsanlage nicht nur der Beheizung der Wohnung, sondern auch der Warmwasserbereitung. Um die dafür verwendete Energiemenge zu messen, verlangt die Heizkostenverordnung seit 2014 den Einbau eines Wärmemengenzählers. Der so ermittelte Wert wird dann vom Gesamtenergieverbrauch abgezogen, sodass die Differenz der Heizung zugeordnet werden kann. Nur in Ausnahmefällen darf der Anteil für die Warmwasserbereitung mithilfe einer in der Heizkostenverordnung hinterlegten Gleichung bestimmt werden – und zwar nur dann, wenn die Ausstattung mit einem Wärmemengenzähler unzumutbar hoch ist. Die Auswertung von Finanztip und co2online ergab jedoch, dass bei 60 Prozent der untersuchten Abrechnungen der Energieanteil für Warmwasser nicht korrekt gemessen, sondern gemäß der Formel errechnet oder sogar einfach geschätzt wird. „In solchen Fällen könnten die Mieter die Kosten für das warme Wasser pauschal um 15 Prozent kürzen“, sagt Energieexpertin Rutschmann.
Wie kommt man bei Zweifeln an der Abrechnung an Belege? Mieter haben das Recht, ihre Betriebskostenabrechnung auf Herz und Nieren zu prüfen – und davon sollten sie auch unbedingt Gebrauch machen, sagt Finanztip-Chef Tenhagen. Dazu gehört auch, dass sie Einsicht in die zugrunde liegenden Verträge, Versicherungspolicen, Rechnungen oder Bescheide nehmen können. Der Vermieter muss diese Belegkontrolle ermöglichen, zum Beispiel in seinem Büro. Dort dürfen die Belege auch abfotografiert werden. Ein Anspruch auf Zusendung von Kopien besteht dagegen grundsätzlich nicht. Ausnahme: Die Belegkontrolle im Vermieterbüro wäre für den Mieter aufgrund einer großen Entfernung unzumutbar – etwa weil es sich im Ausland befindet. Verweigert der Vermieter die Einsichtnahme in die entsprechenden Belege, sollten Mieter eine Nachzahlung verweigern, so der Rat der Verbraucherschützer.
Darf der Vermieter den Energieanbieter bestimmen? Grundsätzlich schließt der Vermieter die Verträge mit den Energieversorgern ab beziehungsweise kauft das Heizöl ein. Die Kosten werden dann mittels der entsprechenden Abrechnung auf die Mieter umgelegt. Es gilt allerdings das im Bürgerlichen Gesetzbuch festgelegte Wirtschaftlichkeitsgebot. Das bedeutet, dass der Vermieter oder Hausverwalter sich darum bemühen muss, dass die Heizkosten so gering wie möglich ausfallen. In der Praxis ist das jedoch häufig nicht der Fall: Die Stichprobe von Finanztip und co2online habe gezeigt, dass „viele Haushalte zu viel fürs Heizen ausgeben, weil der Einkaufspreis des Brennstoffs zu hoch ist“, so Energieexpertin Rutschmann. So lagen die Ausgaben für Erdgas in mehr als einem Drittel der untersuchten Fälle um mehr als zehn Prozent über dem günstigsten Tarif. „Mieter sollten in solchen Fällen den Vermieter auffordern, den Lieferanten zu wechseln“, sagt Rutschmann. Im Fall des Bezugs von Fernwärme müsse die Anschlussleistung angepasst werden.
Muss der Vermieter das Gebäude energetisch sanieren?
Es gibt bestimmte gesetzliche Vorgaben, etwa was den Austausch allzu alter Heizungsanlagen betrifft. Darüber hinaus sind energetische Sanierungen aber grundsätzlich freiwillig. Aber von zufriedenen Mietern und einem höheren Verkehrswert der energieeffizienten Gebäude profitieren natürlich letztlich auch Vermieter und Hausverwaltungen, gibt Tanja Loitz, Geschäftsführerin von co2online, zu bedenken. Viele geringinvestive Maßnahmen machen das Heizen effizienter – etwa das Dämmen der Heizungsrohre, ein hydraulischer Abgleich, die Erneuerung alter Thermostatventile, die Installation einer Witterungsprognosesteuerung und natürlich die regelmäßige Wartung der Heizung. „Energetische Modernisierungen wie die Erneuerung der Heizanlage, die Dämmung von Dach, Fassade und Kellerdecke oder der Einbau von Isolierglasfenstern senken den Heizenergieverbrauch, die Kosten und die CO2-Emissionen deutlich“, sagt Loitz. „Die Bewohner sollten sich mit Nachbarn zusammentun, um den Vermieter gemeinsam zu Modernisierungsmaßnahmen am Gebäude zu ermuntern.“