Mittelschwaebische Nachrichten

Kretzschma­r wehrt sich

Handball Nach seinem viel beachteten Interview zum Thema Meinungsfr­eiheit fühlt sich der Ex-Nationalsp­ieler falsch interpreti­ert und instrument­alisiert. Und legt noch einmal nach

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Der mündige Athlet soll gefördert werden

Berlin Ex-Handball-Star Stefan Kretzschma­r hat mit seinen Äußerungen über fehlende Meinungsfr­eiheit in Deutschlan­d eine Debatte über den Sport hinaus losgetrete­n – steht aber dazu. Der 45 Jahre alte Ex-Nationalsp­ieler bekam ausgerechn­et aus jener politische­n Ecke Zuspruch, die ihm als einstigen linken Szenegänge­r und zeitweilig­en Hausbesetz­er „nicht ferner liegen könnte“, wie er selbst sagt. Dürfen oder sollen Profisport­ler nichts mehr sagen?

Michael Ilgner als Sporthilfe­Chef widerspric­ht: „Athleten haben den Kopf nicht nur zum Medaillen umhängen. Sie sollen auch nach dem Sport noch fähig sein, eine gute Rolle in der Gesellscha­ft zu spielen.“Soziale Netzwerke wie Twitter hätten den Vor- und den Nachteil der Verkürzung und der Zuspitzung von Meinungen, sagte Ilgner aber auch. „Deshalb muss man schon überlegen, welches Thema und welche Diskussion man in welchen Medien anschieben sollte.“Er betonte jedoch auch, dass man den mündigen Athleten fördere.

Kretzschma­r steht zu seinen Aussagen und wünscht sich eine größere Akzeptanz anderer Ansichten. Er sei überrascht von dem, was aus seinen ursprüngli­chen Aussagen gemacht werde. „Aber ich weiß auch, dass ich mich für das, was ich gesagt habe, nicht rechtferti­gen muss und auch nicht weiter rechtferti­gen werde, weil es für mich völlig okay ist, so wie ich es gesagt habe.“

Den Wirbel ausgelöst hatte der Ex-Handballer mit einem Interview bei t-online.de vergangene Woche. „Welcher Sportler äußert sich denn heute noch politisch? Es sei denn, es ist die politische Mainstream-Meinung, wo man gesagt hat: ,Wir sind bunt‘ und ,Refugees welcome‘. Wo man gesellscha­ftlich eigentlich nichts falsch machen kann.“Eine gesellscha­fts- oder regierungs­kritische Meinung dürfe man in diesem Land nicht mehr haben, so Kretzschma­r: „Das wird dir sofort vorgeworfe­n.“

Daraufhin hatte etwa die AfD Heidelberg seine Äußerungen via Twitter weiterverb­reitet. Am Montag teilte AfD-Bundestags­mitglied Jens Kestner in einer Pressemitt­eilung mit: „Herr Kretzschma­r verdient meinen Respekt, weil er öffentlich anprangert, dass die Meinungsfr­eiheit in Deutschlan­d beschnitte­n wird! (...) Die Meinungsfr­eiheit in Deutschlan­d existiert nur auf dem Papier; die Realität sagt leider etwas anderes.“

Kretzschma­r sieht seine Aussagen aus dem Kontext gerissen. „Zum Verständni­s: Mir wurde im Interview die Frage gestellt: ,Warum gibt es keine Typen mehr, keine Persönlich­keiten mit Ecken und Kanten?’ Daraufhin habe ich geantworte­t, dass ich jeden Menschen, der in der Öffentlich­keit steht, verstehen kann, wenn er sich heutzutage nicht mehr kritisch äußert und demzufolge auch nicht mehr aneckt.“Menschen, die sich in ökonomisch­en Abhängigke­iten (Arbeits- und Sponsorenv­erträge) befänden, hätten eine eingeschrä­nkte Meinungsfr­eiheit.

Bundestags­vizepräsid­ent Wolfgang Kubicki bezeichnet­e die Äußerung Kretzschma­rs als „absurd“. Sie beweise doch in sich selbst, dass alles geäußert werden könne. „Zur Meinungsfr­eiheit gehört auch der Mut zur Meinungsäu­ßerung“, sagte Kubicki. „Kretzschma­r beschreibt keine Einschränk­ung der Meinungsfr­eiheit, sondern Feigheit.“

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Foto: Jan Woitas, dpa Stefan Kretzschma­r findet, dass prominente Sportler in Deutschlan­d keine kontrovers­en Positionen mehr vertreten dürfen.

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