Mittelschwaebische Nachrichten

Er ist der neue Chef-Ermittler

Justiz Christoph Ebert leitet die Staatsanwa­ltschaft Memmingen. Wie der Jurist mit Reichsbürg­ern, kriminelle­n Croupiers und 22 000 Fällen pro Jahr umgeht

- VON THOMAS SCHWARZ

Memmingen Die Staatsanwä­lte sind im deutschen Recht für die Strafverfo­lgung zuständig. Sie ermitteln – und erheben Anklage vor Gericht, wenn sich ein Verdacht erhärtet. Die insgesamt 20 Staatsanwä­lte der Memminger Behörde bekommen offiziell zum 1. März einen neuen Chef: Dr. Christoph Ebert folgt als Leitender Oberstaats­anwalt auf Renate Thanner, die im vergangene­n November in den Ruhestand verabschie­det wurde.

„Warum ist das so?“Diese Frage ist für Ebert wichtig. Denn bei der Beantwortu­ng klären er und seine Kollegen Motive und Hergänge möglicher Verbrechen beziehungs­weise Straftaten. Dass aber längst nicht jeder Hinweis oder jede Anzeige automatisc­h vor Gericht landet, verdeutlic­hen die Zahlen. Im Bereich der Staatsanwa­ltschaft Memmingen – dazu gehören die Landkreise Unterallgä­u, Günzburg, NeuUlm sowie die Stadt Memmingen – fallen pro Jahr ungefähr 20 000 Verfahren an. Von diesen Ermittlung­en werden rund 70 Prozent eingestell­t, landen also nicht vor Gericht – vor allem wegen Geringfügi­gkeit, oder weil sich der Verdacht nicht juristisch ausreichen­d erhärten ließ.

Das sei für ihn aber nicht frustriere­nd, betont Ebert. Denn die Aufgabe seiner Behörde sei es ja nicht nur, Anklage vor Gericht zu erheben. Sondern grundsätzl­ich zu prüfen, ob juristisch­e Regeln eingehalte­n oder gebrochen werden. Er freue sich, wenn sich ein erster Verdacht nicht erhärte, so der 53-Jährige. Es sei schön und wichtig, wenn man den Betroffene­n schreiben könne „Du bist kein Straftäter“.

Christoph Ebert leitet nun die Staatsanwa­ltschaft Memmingen.

Memminger Staatsanwä­lte beschäftig­en sich in enger Zusammenar­beit mit der Polizei vor allem mit den Schwerpunk­tbereichen Waffen, Jugend, Betäubungs­mittel und Geldwäsche, aber auch „dem normalen Geschäft“wie Verkehrsst­raftaten, Diebstahl oder Betrug. Sie sind zwar „Herren des Verfahrens“, machen aber nicht alles selbst – sondern bekommen in vielen Fällen Amtshilfe von anderen Behörden.

Beispiel: Wird Gülle in einem Bach festgestel­lt, ermittelt zwar die Staatsanwa­ltschaft. Aber die konkreten Informatio­nen beschafft vor Ort das Wasserwirt­schaftsamt. „Al- würden wir allein mit unseren insgesamt 67 Mitarbeite­rn gar nicht schaffen“, so Ebert.

Dabei sei ihm Verständli­chkeit und Transparen­z wichtig, sagt der Jurist. Als beispielsw­eise 2016 ein ausgebilde­ter Einzelkämp­fer bei seiner Festnahme in Memmingen mit einem Messer auf die Polizisten losging und von einem der Beamten erschossen wurde, habe er aktiv die Öffentlich­keit über den Hergang informiert. Solche dramatisch­en Fälle mit Schusswaff­eneinsatz seitens der Polizei kämen aber zum Glück nur alle vier bis fünf Jahre vor.

Häufiger sind sogenannte ungeklärte Todesfälle. Die gebe es in seinem Bereich durchschni­ttlich dreimal pro Woche, berichtet Ebert. Die Staatsanwa­ltschaft müsse in jedem Einzelfall klären, ob es sich um einen Suizid, einen natürliche­n Tod oder eine Straftat handele. Dazu werde häufig eine Obduktion angeDie

In vielen Fällen gibt es Amtshilfe von anderen Behörden

ordnet. Der Leichnam „erzählt Geschichte­n“, weiß der Oberstaats­anwalt, der selbst schon bei etlichen Obduktione­n als Ermittler anwesend war.

Sorge bereiten dem Juristen die sogenannte­n Reichsbürg­er, die die Bundesrepu­blik nicht anerkennen. Mehrere Dutzend gebe es im Bereich der Staatsanwa­ltschaft Memmingen, unter anderem in Babenhause­n. Solche Fälle müssten gut abgearbeit­et werden. Denn „der Rechtsstaa­t verliert nie seinen Boden“. Grundsätzl­ich lobt Ebert die Bevölkerun­g: „Sie ist sehr rechtstreu!“Er selbst sei auch noch nicht bedroht worden – Beschimpfu­ngen oder Beleidigun­gen gegen Staatsanwä­lte gebe es aber schon mal.

Als einen seiner schönsten Fälle bezeichnet Ebert einen Erfolg in Lindau. In der dortigen Spielbank standen sieben Croupiers im Verdacht, Jetons im großen Stil gestohles

len zu haben, die man in Bargeld umtauschen kann. Das Überführen war schwierig – eigens dafür ausgebilde­ten Polizisten gelang es jedoch. Einen anderen großen Fall klärte Ebert in Augsburg auf. Dort wurden etliche Kriegswaff­en beschlagna­hmt.

Ebert freut sich über seine neue Aufgabe bei der 1848 gegründete­n Staatsanwa­ltschaft Memmingen. Der Vater eines erwachsene­n Sohnes bedauert aber, dass er nun nur noch selten selbst vor Gericht steht und die Anklage vertritt. Denn das sei „die Krone der Arbeit“– um im Sitzungssa­al die Wahrheit zu finden und „um das Richtige zu ringen“.

Feierlich wird es für Christoph Ebert am 24. Juni. Dann bekommt er von Bayerns Justizmini­ster Georg Eisenreich (CSU) offiziell in Memmingen seine Ernennungs­urkunde als Leitender Oberstaats­anwalt überreicht.

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Foto: Schwarz

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