Mittelschwaebische Nachrichten
Er ist der neue Chef-Ermittler
Justiz Christoph Ebert leitet die Staatsanwaltschaft Memmingen. Wie der Jurist mit Reichsbürgern, kriminellen Croupiers und 22 000 Fällen pro Jahr umgeht
Memmingen Die Staatsanwälte sind im deutschen Recht für die Strafverfolgung zuständig. Sie ermitteln – und erheben Anklage vor Gericht, wenn sich ein Verdacht erhärtet. Die insgesamt 20 Staatsanwälte der Memminger Behörde bekommen offiziell zum 1. März einen neuen Chef: Dr. Christoph Ebert folgt als Leitender Oberstaatsanwalt auf Renate Thanner, die im vergangenen November in den Ruhestand verabschiedet wurde.
„Warum ist das so?“Diese Frage ist für Ebert wichtig. Denn bei der Beantwortung klären er und seine Kollegen Motive und Hergänge möglicher Verbrechen beziehungsweise Straftaten. Dass aber längst nicht jeder Hinweis oder jede Anzeige automatisch vor Gericht landet, verdeutlichen die Zahlen. Im Bereich der Staatsanwaltschaft Memmingen – dazu gehören die Landkreise Unterallgäu, Günzburg, NeuUlm sowie die Stadt Memmingen – fallen pro Jahr ungefähr 20 000 Verfahren an. Von diesen Ermittlungen werden rund 70 Prozent eingestellt, landen also nicht vor Gericht – vor allem wegen Geringfügigkeit, oder weil sich der Verdacht nicht juristisch ausreichend erhärten ließ.
Das sei für ihn aber nicht frustrierend, betont Ebert. Denn die Aufgabe seiner Behörde sei es ja nicht nur, Anklage vor Gericht zu erheben. Sondern grundsätzlich zu prüfen, ob juristische Regeln eingehalten oder gebrochen werden. Er freue sich, wenn sich ein erster Verdacht nicht erhärte, so der 53-Jährige. Es sei schön und wichtig, wenn man den Betroffenen schreiben könne „Du bist kein Straftäter“.
Christoph Ebert leitet nun die Staatsanwaltschaft Memmingen.
Memminger Staatsanwälte beschäftigen sich in enger Zusammenarbeit mit der Polizei vor allem mit den Schwerpunktbereichen Waffen, Jugend, Betäubungsmittel und Geldwäsche, aber auch „dem normalen Geschäft“wie Verkehrsstraftaten, Diebstahl oder Betrug. Sie sind zwar „Herren des Verfahrens“, machen aber nicht alles selbst – sondern bekommen in vielen Fällen Amtshilfe von anderen Behörden.
Beispiel: Wird Gülle in einem Bach festgestellt, ermittelt zwar die Staatsanwaltschaft. Aber die konkreten Informationen beschafft vor Ort das Wasserwirtschaftsamt. „Al- würden wir allein mit unseren insgesamt 67 Mitarbeitern gar nicht schaffen“, so Ebert.
Dabei sei ihm Verständlichkeit und Transparenz wichtig, sagt der Jurist. Als beispielsweise 2016 ein ausgebildeter Einzelkämpfer bei seiner Festnahme in Memmingen mit einem Messer auf die Polizisten losging und von einem der Beamten erschossen wurde, habe er aktiv die Öffentlichkeit über den Hergang informiert. Solche dramatischen Fälle mit Schusswaffeneinsatz seitens der Polizei kämen aber zum Glück nur alle vier bis fünf Jahre vor.
Häufiger sind sogenannte ungeklärte Todesfälle. Die gebe es in seinem Bereich durchschnittlich dreimal pro Woche, berichtet Ebert. Die Staatsanwaltschaft müsse in jedem Einzelfall klären, ob es sich um einen Suizid, einen natürlichen Tod oder eine Straftat handele. Dazu werde häufig eine Obduktion angeDie
In vielen Fällen gibt es Amtshilfe von anderen Behörden
ordnet. Der Leichnam „erzählt Geschichten“, weiß der Oberstaatsanwalt, der selbst schon bei etlichen Obduktionen als Ermittler anwesend war.
Sorge bereiten dem Juristen die sogenannten Reichsbürger, die die Bundesrepublik nicht anerkennen. Mehrere Dutzend gebe es im Bereich der Staatsanwaltschaft Memmingen, unter anderem in Babenhausen. Solche Fälle müssten gut abgearbeitet werden. Denn „der Rechtsstaat verliert nie seinen Boden“. Grundsätzlich lobt Ebert die Bevölkerung: „Sie ist sehr rechtstreu!“Er selbst sei auch noch nicht bedroht worden – Beschimpfungen oder Beleidigungen gegen Staatsanwälte gebe es aber schon mal.
Als einen seiner schönsten Fälle bezeichnet Ebert einen Erfolg in Lindau. In der dortigen Spielbank standen sieben Croupiers im Verdacht, Jetons im großen Stil gestohles
len zu haben, die man in Bargeld umtauschen kann. Das Überführen war schwierig – eigens dafür ausgebildeten Polizisten gelang es jedoch. Einen anderen großen Fall klärte Ebert in Augsburg auf. Dort wurden etliche Kriegswaffen beschlagnahmt.
Ebert freut sich über seine neue Aufgabe bei der 1848 gegründeten Staatsanwaltschaft Memmingen. Der Vater eines erwachsenen Sohnes bedauert aber, dass er nun nur noch selten selbst vor Gericht steht und die Anklage vertritt. Denn das sei „die Krone der Arbeit“– um im Sitzungssaal die Wahrheit zu finden und „um das Richtige zu ringen“.
Feierlich wird es für Christoph Ebert am 24. Juni. Dann bekommt er von Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (CSU) offiziell in Memmingen seine Ernennungsurkunde als Leitender Oberstaatsanwalt überreicht.