Mittelschwaebische Nachrichten
Warum sachlich, wenn es auch anders geht?
Medienkampagne, die Heute soll es hier um den Mechanismus des Vereinfachens und um Vereinfacher gehen. Am Beispiel einer Erklärung des Forum Deutscher Katholiken zur Berichterstattung über den Finanzskandal im Bistum Eichstätt. Das Forum versteht sich als Zusammenschluss „papst- und kirchentreuer“Katholiken – und wenn sich diese in der Defensive wähnen, dann kommt von ihnen fast schon reflexhaft der Vorwurf der „Medienkampagne“.
Man konnte das in der Vergangenheit zuverlässig am mittlerweile bei Papst Franziskus in Ungnade gefallenen Gerhard Ludwig Kardinal Müller (unser Foto) beobachten, der auch Kuratoriumsmitglied des Forum ist. Erst kürzlich schrieb er wieder von „kirchenfeindlichen Medien“– und offenbarte damit ein arg schlichtes Schwarz-WeißDenken: gute Kirche, böse Welt.
Der Duden definiert Kampagne als „Feldzug“, als „gemeinschaftliche Aktion für oder gegen jemanden, etwas (bei der ideologische, politische Ziele im Vordergrund stehen)“.
Das Forum, ein eingetragener Verein, erklärt dagegen, eine Medienkampagne sei es, wenn „Meldungen über Vorgänge, die schon mehrmals gebracht wurden, immer wieder aufgewärmt werden, um eine Institution oder eine Person, die dafür steht, zu diskreditieren“. Gegenwärtig gehe es um die katholische Kirche und Eichstätts Bischof Gregor Maria Hanke. „Die Kampagne zeigt sich darin, dass mit einem Geschehen, wie mit Finanzen oder dem sexuellen Missbrauch, alle Themen verbunden werden, die schon lange auf der Agenda des Zeitgeistes stehen: Priesterbild, hierarchische Verfassung der Kirche, Zölibat, Frauenpriestertum. Um das ,System‘ aufzubrechen, wird die katholische Kirche als ,Männerbund‘ denunziert und durch Begriffe wie ,Machtmissbrauch‘, ,Klerikalismus‘, ,systemische Defizite‘, ,Machtcliquen‘ etc. charakterisiert.“
Die Argumentation gipfelt darin: „Bischof Hanke ist nicht Täter, sondern Opfer des Finanzskandals, dessen gerichtliche Klärung im Gange ist. Wenn Bischof Hanke jetzt unter Druck gesetzt wird zurückzutreten, dann wegen eines anderen ,Makels‘: Er gilt als ein profilierter Verteidiger des katholischen Glaubens.“Dass die Vorwürfe gegen Hanke, der einen Skandal um dubiose USImmobiliengeschäfte im Gesamtvolumen von rund 60 Millionen Dollar mitzuverantworten hat, aus einem Prüfbericht stammen, den er selbst in Auftrag gab? Egal. Dass Hanke selbst mehrfach seinen Rücktritt erwog und öffentlich darüber sprach? Egal. Dass einer, der Hanke zum Rücktritt aufforderte – ein bekannter Kirchenrechtsprofessor –, ihn ausdrücklich auch lobte für seine Bemühungen um Aufarbeitung und Transparenz? Egal.
Dass Blätter von der FAZ bis zur katholisch-konservativen Tagespost ausgewogen und sachlich korrekt berichteten? Egal.
Die „durchsichtige Medienkampagne“, die das Forum Medien pauschal vorwirft, ist selbst durchsichtig. Man sollte es sich um der Sache willen wahrlich nicht so leicht machen. Aber Vereinfachern geht es ja nicht um die Sache, allenfalls um die eigene. Und das gilt für alle Vereinfacher, von denen der Antifa bis hin zu denen der AfD: Sie nehmen bewusst Dinge selektiv wahr und flechten, was ihnen passt, in ihr oft verschwörungstheoretisches Narrativ. Zudem stricken sie an ihrer Selbststilisierung als „Opfer“. Und, natürlich, sehen sie sich im Recht. Kürzlich veröffentlichte Kardinal Müller ein „Glaubensmanifest“, in dem er unter anderem den Zölibat verteidigte. Völlig legitim. Wenn er nur nicht die „halbe Wahrheit“sowie „pauschale Aussagen“verbreiten würde – so die Reaktion eines anderen Kardinals, Walter Kasper. Mit nachgerade kindischer Lust an der Provokation bedienen die Vereinfacher das Vorurteil, gerne auch in Medien wie Spiegel, Welt oder ARD. Siehe Fleischhauer, Broder, Don Alphonso, Augstein.
Aber so ist das in einer Zeit der „großen Gereiztheit“, in einer „Empörungsdemokratie“wie sie Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen beschrieb. Es ist ein Jammer.