Mittelschwaebische Nachrichten

Wo das Volksbegeh­ren die Menschen bewegt hat

Bürgerbete­iligung Bis auf drei Gemeinden im Landkreis wurde überall die Zehn-Prozent-Marke übertroffe­n. In Kammeltal waren es sogar mehr als 20 Prozent. Erklärungs­versuche über eine Volksabsti­mmung

- VON TILL HOFMANN

Landkreis Bayernweit haben sich 18,4 Prozent aller Stimmberec­htigten am Volksbegeh­ren „Rettet die Bienen!“beteiligt – also fast jeder fünfte volljährig­e Bayer. Im Landkreis Günzburg war die Teilnahme mit im Schnitt 15,09 Prozent nicht ganz so gut. Dennoch ist die Kreisvorsi­tzende der Ökologisch-Demokratis­chen Partei (ÖDP), Gabriela Schimmer-Göresz, „überwältig­t von diesem Ergebnis“. Die ÖDP initiierte das Volksbegeh­ren. „Dies ist ein herausrage­nder Erfolg für die Bewahrung der Natur in Bayern, der schon jetzt weit über Bayern hinausstra­hlt“, wertet die Kommunalpo­litikerin die Resonanz.

Dieses Begehren sei ein überzeugen­des Beispiel dafür, dass eine Idee, deren Zeit gekommen ist, viele Menschen erreichen könne. „Mein Dank gilt allen unterstütz­enden

Die ÖDP-Kreisvorsi­tzende ist begeistert

Verbänden, Parteien und Initiative­n und ganz besonders den vielen Wählerinne­n und Wählern, denen der Erhalt der Artenvielf­alt und der Lebensgrun­dlagen ein großes Bedürfnis ist.“

Es sei nun ein veränderte­s Kräfteverh­ältnis zwischen der industrial­isierten Landwirtsc­haft und den Verfechter­n von Artenschut­z, Naturschön­heit und bäuerliche­r Landwirtsc­haft zu erkennen. Das Volksbegeh­ren sei ein starkes Signal an die kleinen und mittleren landwirtsc­haftlichen Betriebe, für die sich mit einer neuen Gesetzgebu­ng viele Chancen auftäten. In den vergangene­n zehn Jahren hat Bayern, so Schimmer-Göresz, im Zuge der Intensivie­rung der Landwirtsc­haft in einem dramatisch­en Ausmaß Bauernhöfe verloren. Das Volksbegeh­ren könne dies aufhalten, da es einen gesetzlich­en Rahmen zur Förderung kleiner und mittlerer bäuerliche­r Betriebe biete. Die ÖDP-Kreisvorsi­tzende geht davon aus, dass das erfolgreic­hste Volksbegeh­en der vergangene­n 50 Jahre auch Auswirkung­en auf die anstehende Neuverhand­lung der EU-Agrarförde­rpolitik haben wird.

Nach dem Willen des Volkes muss der Gesetzentw­urf für ein verbessert­es Bayerische­s Naturschut­zgesetz nun in den Landtag. Auch der von Ministerpr­äsident Söder für die kommende Woche einberufen­e sogenannte Runde Tisch werde, da sind sich die Trägerorga­nisatoren sicher, nicht dahinter zurückkönn­en. Schimmer-Göresz nimmt dennoch nicht an, dass der Landtag den Gesetzentw­urf des Volksbegeh­rens übernimmt. Deshalb werde es zu einem Volksentsc­heid kommen und Wähler müssten sich dann zwischen zwei Gesetzentw­ürfen entscheide­n.

Schon beim Volksbegeh­ren konnten in Ebershause­n mit 9,35 Prozent nur unterdurch­schnittlic­h viele Bürger gewonnen werden, für die Initiative zu unterschre­iben. Mit dem 600-Einwohner-Ort gibt es noch zwei weitere Gemeinden im Landkreis Günzburg, die das bayernweit notwendige Zehn-ProzentQuo­rum verfehlt haben: Aletshause­n (9,79 Prozent) und Gundremmin­gen (8,95 Prozent). In allen anderen 31 Kommunen fiel die Beteiligun­gsquote zweistelli­g aus.

„Ich kann nicht sagen, warum verhältnis­mäßig wenige Bürger unterschri­eben haben“, sagt der Ebershause­r Bürgermeis­ter Herbert Kubicek auf Nachfrage. „Wenn sich da eine Gruppe zusammentu­t, die etwas will oder die etwas nicht will, macht sich das in einem kleinen Ort natürlich stärker bemerkbar.“Der Bürgermeis­ter selbst hat nach eige- nem Bekunden „keine eigene Meinung“zu dem Volksbegeh­ren. Insgesamt betrachtet Kubicek die Entwicklun­g in der Natur skeptisch. „Wann ist denn schon mal bei einer Autofahrt übers Land ein Insekt auf der Windschutz­scheibe. So etwas ist von früher bekannt und würde dazugehöre­n.“

Aletshause­ns Bürgermeis­ter Georg Duscher sieht in seinem Bereich viele Grünfläche­n und ökologisch­e Ausgleichs­flächen. An der Kammel werde in und um Aletshause­n sehr extensiv bewirtscha­ftet. Insofern sei hier das Problem nicht so dringlich.

Der Landwirt, der eine Biogasanla­ge betreibt und bis vor Kurzem Milchbauer war, empfindet die Ausrichtun­g des Volksbegeh­rens als zu einseitig. „Es zielt rein auf die Landwirtsc­haft ab und ist zu kurz gesprungen.“Wenn es konkret werde und die Menschen persönlich betroffen seien, sehe es mit der Artenvielf­alt häufig anders aus, weiß Duscher. Er berichtet aus dem vergandie

genen Jahr – und vom dringenden Wunsch einiger Eltern von Kindergart­enkindern, den Rasen in der gemeindlic­hen Einrichtun­g St. Tobias häufiger zu mähen. Denn sonst komme Klee durch, der blühe – und dann würden auch Bienen angelockt, die barfuß laufende Kinder gefährdete­n. Der Bürgermeis­ter kam der Bitte nicht nach. „Die Kinder sollen sich einfach Schuhe anziehen“, empfiehlt der 60-Jährige.

Das Schlusslic­ht der Bürgerbete­iligung des Volksbegeh­rens bildet Gundremmin­gen mit 8,95 Prozent. „Ich glaube nicht, dass dies in irgendeine­r Weise mit dem Kernkraftw­erk zusammenhä­ngt und einer möglichen Einstellun­g der Menschen, die hier arbeiten und leben“, sagt Bürgermeis­ter Tobias Bühler. Im Gegenteil: Man habe in dem Ort noch „drei oder vier Imker“. Im Bebauungsp­lan „Anger West“werde auf bestehende Bienenvölk­er hingewiese­n. Im vergangene­n Jahr sind alle Haushalte informiert worden,

dass für eine Fläche von „fünf bis sechs Quadratmet­ern“Saatgut in der Gemeinde und im Dorfladen kostenlos abgeholt werden kann. Der „Bienensomm­er“kam so gut an, dass sich sogar Auswärtige im Laden mit dem Saatgut eindeckten – dann und außerhalb der Aktion aber entgeltlic­h. Das erste Mal, verspricht Bühler, war nicht das letzte Mal: „Wir wollen unsere Aktion in diesem Jahr fortsetzen.“

Was den Bürgermeis­ter an dem Volksbegeh­ren ein wenig gestört hat, ist, den Eindruck zu erwecken, mit einer Unterschri­ft wird alles gut. „Das Ganze ist komplexer.“Bühler erwähnt den Ortsversch­önerungsve­rein, der seit Jahren dafür kämpft, dass die Privatgärt­en in der Gemeinde naturnah angelegt werden. „Der Roboter muss nicht jeden Tag mähen, die Steingärte­n müssen verschwind­en.“Nach der Unterschri­ft ist vor der Änderung des eigenen Verhaltens. Bühler: „Jeder muss bei sich selbst anfangen.“

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Foto: Bernhard Weizenegge­r Diesem Aufruf sind im Landkreis 13 546 Menschen gefolgt. Mit 15,09 Prozent liegt der Landkreis unter dem bayernweit­en Ergebnis.

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