Mittelschwaebische Nachrichten
Der lange Weg zum Jagderlebnis
Neue Kurse Dr. Franz-Josef Hartl schult Interessenten im gesamten westbayerischen Raum. Warum die Wildschweine schuld sind, dass immer mehr Jäger gebraucht werden
Mindelzell/Landkreis „Wir brauchen mehr und vor allem jüngere Jäger“, davon ist der Diplom-Forstwirt und Doktor der Forstwissenschaft Franz-Josef Hartl überzeugt. Seine Begründung: „Allein gegenüber 2018 erhöht sich heuer in den bayerischen Wäldern die Zahl der Wildschweine um rund 300 Prozent. Diese Menge muss durch Jäger erlegt werden, um die Schäden in den Griff zu bekommen“, ist sich der Leiter einer der wenigen privaten Jagdschulen in Bayern sicher. In Mindelzell wohnhaft, sind seine Unterrichtsorte verteilt auf den westlichen Bereich Bayerns und das angrenzende Württemberg. Ein neuer Jägerkurs ist für Mai in Memmingen und Zusmarshausen geplant.
Wer Jäger werden will, muss zuerst den Inhalt der neuen bayerischen Jägerprüfungsordnung studieren. Diese sieht mehrmonatige Kurse mit viel Theorie und Praxis sowie eine Abschlussprüfung vor, die es in sich hat. Kurs und Prüfung bilden aber die Voraussetzung für die Pacht eines Jagdrevieres oder der Möglichkeit, zusammen mit einem Jagdinhaber als Partner dem künftigen Hobby nachzugehen. Billig ist dieses Vorhaben nicht. Was Zeitaufwand und Kosten betrifft, ist der Jagdkurs nach Dr. Hartl vergleichbar mit einer Führerscheinprüfung, also sind gut 2000 Euro für einen Standardkurs zu veranschlagen. Hinzu kommt die Neuanschaffung diverser Waffen und Munition sowie die eventuelle Pacht eines Reviers, wenn man sich nicht mit einer Bejagungserlaubnis bei einem Jagdinhaber begnügt.
Schon von Kindheit an ist Hartl mit der Jagd vertraut, was nicht verwundert. Sein Vater Franz ist seit 1962 Jäger in Neuburg/Kammel und gründete dort 1988 eine eigene private Jagdschule. 2006 stieg Sohn Franz-Josef nach seinem Studium in München und Weihenstephan sowie beruflicher Aktivitäten im In- und Ausland in die Unterrichtsstätte mit ein und führt, nachdem der Vater in den Ruhestand ging, diese seit 2014 hauptberuflich weiter. Inzwischen gibt es Schulungsorte in Marktoberdorf, Kempten, Memmingen, Illertissen, aber auch in Ingolstadt, Gunzenhausen, München und Heilbronn. In der Regel wird jeweils an einem Abend pro Woche den acht bis zwölf Schülern theoretischer Unterricht vermittelt. Die Praxis mit Waffenkunde, deren Handhabung und Schießen mit scharfer findet an mehreren Wochenenden im Schießstand des Schützenvereins Zusmarshausen statt.
Zeitlich beansprucht ein solcher Kurs nach der Prüfungsordnung mindestens 120 Stunden Theorie und Praxis, die innerhalb von vier bis sechs Monaten abgeleistet werden können. Auf Wunsch der Teilnehmer hält Hartl die Schulung auch in anderen Zeiträumen. „Wer einen solchen Kurs durchhält, ist und bleibt ein Jäger mit Leib und Seele und dies ein Leben lang.“
Wichtigstes Ziel dieser Kurse ist für Hartl: „Wir brauchen junge Jäger mit einem gesunden Naturinteresse. Außerdem müssen sie für eine nachhaltige Forstwirtschaft eintreten, die Bedürfnisse des Klimaschutzes tolerieren und eine ordnungsgemäße und zukunftsorien- tierte Forst- und Landwirtschaft akzeptieren.“
Neu im Programm hat Dr. Hartl ein Kursmodell für beruflich stark eingebundene Personen, das zeitlich flexibel in neun Wochen zum Ziel führt. Er will damit besonders Manager und Führungskräfte ansprechen. Der erste Kurs dieser Art findet in einem Schloss im Main-Tauber-Kreis statt, wo im angrenzenden 100 Hektar großen Privatgehege Waffenkunde und Schießen vor Ort gelernt und geübt wird. Das Spektrum seiner „Schüler“reicht inzwischen vom Baggerfahrer bis zum Firmenchef und vom Studenten bis zum Rentner. In den letzten Jahren kam noch ein Aspekt dazu: Der Frauenanteil hat sich unter den Jagdschein-Interessenten stark erhöht.
Eingesetzt werden bei den KurMunition sen modernste Unterrichtsmethoden, darunter eine Internet-Plattform und eigene JagdprüfungsApps für Simulationen der Prüfungsfragen. Für Hartl als Schulleiter ist es erfreulich, dass die bayerischen Jagdschulen seit Kurzem einen Boom verzeichnen. Derzeit gebe es im Freistaat 48000 Jäger. Um aber den Interessen der Landund Forstwirtschaft einigermaßen gerecht zu werden, wachse der Bedarf an weiteren Jagdberechtigten. Verursacher dafür sind weniger die Rehe, vielmehr der enorme Zuwachs an Wildschweinen. Während sich der Rehschaden auf den Verbiss junger Bäume im Wald beschränke, seien es die sich rasch vermehrenden Keiler, Sauen und Frischlinge, die zumeist in Wiesen und Feldern „pflügen“und den Bauern großen Kummer bereiten.