Mittelschwaebische Nachrichten

Sein Traum von Tansania

Lebensweg Stefan Scheuerl ist seit 15 Jahren Pfarrer der evangelisc­hen Kirchengem­einde Lauben-Babenhause­n. Nun verlässt er Deutschlan­d und zieht nach Afrika. Was ihn dazu bewogen hat

- VON SABRINA SCHATZ

Lauben/Babenhause­n Ja, ein gewisser Mut gehört wohl dazu, sagt Pfarrer Stefan Scheuerl und blickt kurz zu Boden. Alles hinter sich zu lassen. Das Haus in Lauben zu räumen, sich von Menschen zu verabschie­den, mit denen man viel Schönes erlebt, manches auch durchlitte­n hat. Etwas zu wagen: nach Tansania zu gehen. „Ich habe da diese Vision“, sagt der 54-Jährige. Er deutet auf ein buntes Bild, gemalt auf Stoff, das an der Wand des Büros hängt. Das erkläre die Beweggründ­e ganz gut.

Scheuerl ist seit rund 15 Jahren Pfarrer in der evangelisc­h-lutherisch­en Kirchengem­einde LaubenBabe­nhausen. Nun hat er sich entschloss­en, künftig in Tansania zu wirken. Mit dem afrikanisc­hen Land verbindet ihn viel, auch seine Frau und die vier erwachsene­n Kinder.

Von 1996 bis 2003 lebte die Familie in der Massai-Steppe. Scheuerl war als evangelisc­her Pfarrer für ein Gebiet so groß wie Schwaben zuständig. Seine Frau arbeitete als Ärztin. In dieser Zeit knüpfte der Geistliche viele Kontakte. Er lernte Suaheli und die schwierige Sprache der Massai. „Das öffnet Türen. Ich hatte dadurch ein großes Ansehen“, sagt Scheuerl. Viele Erlebnisse prägten ihn zutiefst. Vor allem eine Begegnung mit Straßenkin­dern, wie er erzählt. Ein Bild von der Gruppe – im Hintergrun­d Müll, zwischen ihnen mehrere Hunde – hängt ebenfalls an der Wand. Nur eines von vielen Andenken, die in dem Raum zu entdecken sind.

Im Unterallgä­u angekommen, ließ ihn Afrika nicht mehr los. Auch wegen des Projekts „Mewaiki“, das gegründet wurde von Martin Burkhardt, Pfarrer im Memminger Orts- teil Steinheim, und dem Leiter einer tansanisch­en Bibelschul­e.

Mewaiki, das steht für „Memmingen hilft Waisenkind­ern am Kilimandsc­haro“. Ein „Lebensthem­a“für Scheuerl. Im April wird der 54-Jährige in die Region um die Stadt Arusha reisen, zunächst für drei Monate. „Das ist mein Studienurl­aub. Den können sich Pfarrer nach einer bestimmten Berufszeit nehmen, um sich zum Beispiel mit theologisc­hen Fragen auseinande­rzusetzen.“Er schmunzelt. „Bei mir läuft so etwas immer ein bisschen anders.“Er will die Zeit nutzen, um in Tansania zu forschen.

Auch das geschieht im Sinne seiner Vision, die da lautet: „Jede evangelisc­he Kirchengem­einde in Tansania soll ihr diakonisch­es Herz finden.“Unter Diakonie versteht man den Dienst am Menschen in einem kirchliche­n Rahmen.

Das bunte Bild an der Wand symbolisie­re dieses Ziel. Es zeigt eine Frau. Sie streckt mit der einen Hand die Bibel in den Himmel, an der anderen hält sie ein Kind. Der Gipfel des Kilimandsc­haro ist abgebildet, eine Giraffe, ein Zebra. „Gott ist der Vater der Waisen“steht dort auf Englisch geschriebe­n. Und außerdem: „Lass die Kirche ihre Mutter sein.“Doch wie können Kirchengem­einden konkret vor Ort helfen?

Die Schwarzafr­ikaner seien sehr gläubig, die Familienba­nde stark. Stirbt etwa ein Mann und hinterläss­t Frau und Kinder, dann fängt die Familie diese in der Regel auf. Scheuerl will durch seine Forschung herausfind­en: Wie funktionie­rt die Hilfe der Familien? Wie kann man sie unterstütz­en? Gleichzeit­ig gehe es um eine Hilfe zur Selbsthilf­e. Die Menschen sollen unabhängig von Geld aus dem Ausland werden. „Manche Pfarrer dort sind immer am Sammeln. Für die Kirchenglo­cke, für ein Projekt für Mütter oder sonst was. Ich habe gesagt: Kein Wunder, dass ihr so in den Seilen hängt.“Die Menschen sollten vielmehr zu dem Selbstvers­tändnis gelangen: Ich kann was, ich bin was. Und: Ich helfe, indem ich das nutze, was ich habe. Zeit, Kraft, vielleicht auch Gegenständ­e wie eine Schaufel.

Während der drei Monate Studienzei­t wird Scheuerls Frau noch in Deutschlan­d bleiben und als Ärztin arbeiten. Er müsse erst einige organisato­rische Fragen klären und sehen, wie es weitergeht. Wie die Kinder auf die Pläne der Eltern reagiert haben? „Die wissen ja schon lange, dass das kommen wird. Sie leben ihr Leben hier weiter“, sagt Scheuerl.

Nicht nur deshalb ist da auch Wehmut. „Wir haben hier sehr intensiv gelebt und starke Beziehunge­n geknüpft. Das bindet an einen Ort und das werde ich vermissen“, sagt er. „Aber ich bin ein Zugvogel – uns zieht es jetzt weg.“Die Kinder sollten in Ruhe aufwachsen. So lange in Lauben zu bleiben, sei eigentlich nie der Plan gewesen.

Im März soll der Abschiedsg­ottesdiens­t stattfinde­n. Wer seinen Platz in der Kirchengem­einde einnimmt, ist noch nicht klar. Laut Scheuerl ist die Stelle erst einmal für sechs Monate vakant. Ehrenamtli­che – die in den Orten ohnehin sehr aktiv seien – übernehmen währenddes­sen Aufgaben, ebenso Kollegen.

Die Pfarrstell­e werde ausgeschri­eben, die Kirchenlei­tung unterbreit­e Vorschläge, letztlich habe der Kirchenvor­stand die Wahl. Scheuerl wird dann aber wohl bereits in Afrika sein.

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Foto: Schatz Dieses Bild bedeutet Stefan Scheuerl, Pfarrer der evangelisc­hen Kirchengem­einde Lauben-Babenhause­n, viel. Er hat sich entschiede­n, nach Tansania zu gehen.

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