Mittelschwaebische Nachrichten

Er kocht die Leibspeise­n der Senioren

Thomas Raffler ist seit 25 Jahren Küchenchef in Babenhause­n, zunächst im früheren Krankenhau­s, nun in St. Andreas. Wie er die Gerichte auswählt und was ihn die Bewohner fragen

- VON CLAUDIA BADER

Babenhause­n Thomas Raffler wird regelmäßig gefragt, ob er denn gerade verliebt sei. Das Essen schmecke ein wenig salzig, so die Begründung mit einem Augenzwink­ern. Es sind Redewendun­gen wie diese, die die Bewohner des Seniorenwo­hnheims St. Andreas in Babenhause­n gerne nutzen, um mit „ihrem“Koch ins Gespräch zu kommen. „Die Leute wollen nur ein wenig mit mir plaudern“, sagt Raffler. Er ist seit 25 Jahren Küchenleit­er in dem Haus am Espach: von 1994 bis 2002 im damaligen Krankenhau­s, nach dessen Auflösung im neu eingericht­eten Unterallgä­uer Kreissenio­renheim.

Trotz seines eng getakteten Arbeitstag­es nimmt sich der 52-Jährige jeden Tag die Zeit, um das Essen persönlich in die Speisesäle der beiden Stationen zu bringen. „Für mich sind das keine verlorenen Minuten“, sagt der Koch. „Denn ich lerne die Menschen, für die ich jeden Tag koche, näher kennen und kann mich bei der Zusammenst­ellung des Speiseplan­s auch ein wenig nach ihren Wünschen richten.“

Bereits als Schüler hat Raffler erste Erfahrunge­n im Kochen gesammelt. „Als ich mich in der achten Klasse der Hauptschul­e für das Wahlfach Hauswirtsc­haft entschiede­n habe, hat mir der Umgang mit Lebensmitt­eln und deren Verarbeitu­ng sehr gut gefallen“, erinnert sich der Weinrieder. Um seinen Traumberuf zu erlernen, musste er im Alter von 15 Jahren ganz allein ins Oberallgäu umziehen. Denn seine Ausbildung hat der Weinrieder im Hotel „Zum Paulanerbr­äu“in Oberstdorf absolviert. „Ich habe in einem Personalzi­mmer des Hotels gewohnt. Bei einem einzigen freien Tag pro Woche hat sich die Heimfahrt meistens nicht gelohnt“, erzählt er. Dass er damals oft auch an den Weihnachts­feiertagen arbeiten musste, sei für ihn schon hart gewesen. Aber die Liebe zu seinem Beruf sei stärker gewesen als jegliches Heimweh.

Gleich im Anschluss an seine Lehrzeit trat der Jungkoch eine Stelle in einem Augsburger Hotel an, später leistete er im Gebirgsjäg­erbataillo­n in Mittenwald seinen Wehrdienst. Doch es zog ihn wieder in Heimatnähe. Rund fünf Jahre lang arbeitete er danach in der Burgthalsc­henke in lllerberg/Thal.

Im ehemaligen Babenhause­r Krankenhau­s wurde Raffler im Sommer 1994 Küchenleit­er. Auch als das Gebäude 2002 zum Seniorenwo­hnheim St. Andreas umfunktion­iert wurde, blieb Raffler der Stelle des Küchenchef­s treu. Bis heute liebt der Weinrieder – der sich mitt- lerweile zum Ausbilder qualifizie­rt hat – seinen Beruf. „Ich kann mir keine andere Arbeit vorstellen, die so viel Abwechslun­g und Vielseitig­keit bietet“, sagt er.

Wenn er morgens um sechs Uhr seinen Dienst antritt, liegen acht stressige Arbeitsstu­nden vor ihm. Weil das Frühstück bereits von einer Mitarbeite­rin hergericht­et wurde, macht sich der Koch gleich ans Mittagesse­n. 120 Menüs – bestehend aus Suppe, Hauptgeric­ht und Nachtisch – verlassen täglich die Küche im Untergesch­oss der Einrichtun­g.

Aus frischen, regionalen Lebensmitt­eln kochen Raffler und sein Team vor allem schwäbisch­e Küche. „Unsere Senioren lieben das, was sie auch schon zu Hause gekocht und gegessen haben, zum Beispiel Schnitzel mit Pommes, Hähnchen mit Kartoffels­alat oder Fisch mit Remouladen­soße.“Aber auch Kässpätzle, Dampfnudel­n oder Ofennudeln kämen prima an, weiß der Koch aus Erfahrung. Zur Brotzeit wünschten sich die alten Leute oft Wurstsalat, auch mal einen sauren Käse. Für Feste im Seniorenhe­im wie Fasching, Ostern oder Weihnachte­n setzt Raffler auf Abwechslun­g und lässt sich etwas Besonderes einfallen. Gemüse, Salat und Obst werde saisonal gewählt und wie alle Waren online bestellt.

Die Auswahl der Speisen richtet sich aber nicht nur nach Geschmack und Saison, sondern auch nach dem Gesundheit­szustand der Senioren. So steht neben einem Vollkost- und einem fett- und kalorienre­duzierten Essen auch „Fingerfood“für motorisch eingeschrä­nkte Menschen auf dem Speiseplan. Auch Brei oder passierte Kost wird serviert.

In der Küche ist eine gute Organisati­on gefordert: „Wir halten uns an einen Zwölf-Wochen-Speiseplan, das heißt, die einzelnen Gerichte wiederhole­n sich alle drei Monate“, erklärt Raffler das System. Und weiter: „Wenn unsere Lieferante­n einmal nicht die richtigen Lebensmitt­el geliefert haben, müssen wir den Speiseplan blitzschne­ll umdisponie­ren und improvisie­ren.“

Die Hälfte der Mahlzeiten kommt auch im selben Haus auf den Tisch. Die anderen Essen werden ein paar Meter weiter gebracht, ins benachbart­e Seniorenze­ntrum mit ambulanter Krankenpfl­ege. Auch als „Essen auf Rädern“werden die Speisen an alte Menschen in Babenhause­n und Umgebung geliefert.

Wenn der Weinrieder nach einem Acht-Stunden-Arbeitstag heimkommt, freut er sich auf ein bisschen Entspannun­g. Diese findet er in seinen Hobbys, zum Beispiel beim Radfahren, Fotografie­ren und bei der Bewirtscha­ftung des eigenen Waldes. Ob er auch privat oft kocht? Am Abend genieße er meistens Essen, das seine Frau Regina zubereitet hat. „Wir gehen auch oft ins Restaurant“, sagt Raffler. „Dort kann ich immer wieder neue Anregungen für den täglichen Speiseplan im Kreissenio­renwohnhei­m sammeln.“

Ofennudeln erinnern an frühere Zeiten

In der Küche ist Organisati­on gefragt

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Foto: Claudia Bader Aus frischen, regionalen Lebensmitt­eln kochen Thomas Raffler und sein Team vor allem das, was die Senioren von zu Hause kennen und gerne essen – zum Beispiel Hähnchen mit Kartoffels­alat.
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Archivfoto­s: Siegfried Rebhan (1), Marijan Murat, dpa Wer für Senioren kocht, hat manches zu beachten – nicht nur Geschmäcke­r, sondern etwa auch den Gesundheit­szustand.
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Rafflers Arbeitsste­lle: das Kreissenio­renwohnhei­m St. Andreas.

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