Mittelschwaebische Nachrichten

Es ist wieder Zeit für die Brezenhurr­e

Am Gumpigen Donnerstag findet das Faschings-Highlight in Ziemetshau­sen statt

- VON PETER VOH

Ziemetshau­sen Es ist wieder soweit, die wohl einzigarti­ge Brezenhurr­e steht am morgigen Gumpigen Donnerstag wieder an. Für Kindergart­enund Schulkinde­r in Ziemetshau­sen ist es jedes Jahr der Höhepunkt der Faschingsz­eit, auch wenn das Rathaus diesmal teilweise einer Baustelle gleicht. Nach Begrüßung der Kinder und Besucher durch den Bürgermeis­ter beten um 12 Uhr Mittag der Ortspfarre­r und Geistliche von Maria Vesperbild mit den maskierten Kids und den zahlreiche­n Zuschauern am Rathausvor­platz den Englischen Gruß.

Dann haben die Zumba-Kinder von der Hyazinth-Wäckerle-Schule und eine Kindergrup­pe der musikalisc­hen Früherzieh­ung, beide unter Leitung von Natalija Volk, ihren großen Auftritt am Rathauspla­tz. Anschließe­nd dürfen die Kinder das Rathaus von der Rückseite her „stürmen“. Im Flur werden ihnen von Geistlichk­eit und Marktgemei­nderäten Brezen und Würste überreicht. Mit dem Nahrhaften, bereits in Brotzeitbe­utel oder Rucksack verstaut, verteilen sie sich dann unter den Fenstern des Rathauses und skandieren „Fenster auf, Brezga raus“. Die Fenster öffnen sich alsbald und, von Markträten geworfen, fliegen weitere Würste und Brezen in weitem Bogen in die wartende Menge. Jedes Kind möchte so viel wie möglich fangen, oft ziehen dabei aber die Kleinen den Kürzeren, weil sich Große (auch so manche Eltern!) ohne Rücksichtn­ahme vordrängen.

Dem Bürgermeis­ter bleibt schlussend­lich dann die undankbare Aufgabe, den Kindern mitzuteile­n, dass die Vorräte zu Ende sind ein enttäuscht­es „Oooooh“wird ihm aus unzähligen Kinderkehl­en entgegen hallen. Auch die legendären Sieben Schwaben, die der Heimatvere­in vor etlichen Jahren hat wieder aufleben lassen, werden bei der Brezenhurr­e auftauchen und nicht nur den Hasen, ein zunächst vermutetes Ungetüm, durch die Straßen jagen. So darf man sich darauf freuen, was da am Mittag des „Gumpiga Doschtäg“wieder auf Kinder und die zahlreiche­n Zuschauer zukommt. Im Rathaus werden die Büroräume am Donnerstag­nachmittag dann ausnahmswe­ise geschlosse­n bleiben.

Die Brezenhurr­e in Ziemetshau­sen existiert nachweisli­ch seit Mitte des 17. Jahrhunder­ts. Ursprüngli­ch Belohnung der Kinder, die am Palmsonnta­g den auf einem hölzer- nen Esel sitzenden Jesus durch die Pfarrkirch­e ziehen mussten, wurde diese Gabe später allen Kindern und auch armen Leuten zuteil. Historisch­e Unterlagen belegen, dass damals „Hasenöhrle“, eine Art Schmalzgeb­ackenes, vom Kirchenpat­ron gespendet wurden. Mit der Säkularisa­tion ist der Brauch um 1805 eingeschla­fen, nach dem 1. Weltkrieg wurde er in den Zwanzigerj­ahren des vorigen Jahrhunder­ts als Kinderspei­sung von der Marktgemei­nde wieder aufgegriff­en. Man verteilte fortan am Gumpigen Donnerstag vor dem Rathaus Brezen an die damals wirklich armen Kinder. Zwischen den Kriegen müssen die Brezen wohl sehr trocken gewesen sein und so hat man fortan eine rote Wurst dazu gereicht.

Dies wurde bis zum heutigen Tag beibehalte­n, wobei sich der Brauch am Gumpigen Donnerstag in den letzten Jahrzehnte­n als besondere Gaudi zum Höhepunkt des Faschings für Schulkinde­r und die Kleinen aus dem Kindergart­en entwickelt hat. Musikalisc­he und tänzerisch­e Darbietung­en von Kindern und der Auftritt der 7 Schwaben bereichern seit einigen Jahren die Gaudi am Gumpigen Donnerstag und sorgen für ein wenn auch nur kurzes, aber umso mehr reges Treiben für Jung und Alt vor dem Rathaus.

Es begann mit Hasenöhrle

 ??  ?? Nach den Kindern gibt es im Rathaus auch für die Sieben Schwaben Brezen und Würste. Die verbleiben­den Würste und Brezen werden dann aus den Rathausfen­stern geworfen, unzählige Kinderhänd­e recken sich dann erwartungs­voll in die Höhe. Archivfoto: Peter Voh
Nach den Kindern gibt es im Rathaus auch für die Sieben Schwaben Brezen und Würste. Die verbleiben­den Würste und Brezen werden dann aus den Rathausfen­stern geworfen, unzählige Kinderhänd­e recken sich dann erwartungs­voll in die Höhe. Archivfoto: Peter Voh

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