Mittelschwaebische Nachrichten

Wohnkosten explodiere­n in ganz Bayern

Datenanaly­se Mieten steigen in Augsburg und der Region in gleichem Tempo wie in München. Immobilien seit Finanzkris­e 73 Prozent teurer

- VON MICHAEL POHL

München Nicht nur im großen Ballungsra­um um München, sondern in ganz Bayern samt seinen ländlichen Regionen explodiere­n seit der Finanzkris­e die Wohnkosten, und ein Ende der Entwicklun­g ist nicht absehbar. Laut einer für unsere Redaktion erstellte Auswertung zigtausend­er Daten des Immobilien­portals immowelt.de sind die Preise für Neuvermiet­ungen und Wohnimmobi­lien zum Beispiel in der Region Augsburg genauso stark gestiegen wie in der Region München. Die Mieten für Neuverträg­e stiegen in beiden Großstädte­n seit 2008, dem Jahr des Beginns der Finanzund Eurokrise, im Durchschni­tt um 62 Prozent, in den umliegende­n Landkreise­n um 50 Prozent.

Noch stärker kletterten die Mieten im Landkreis Donau-Ries mit 68 Prozent. Beim Immobilien­kauf liegen München mit einem Plus von 144 Prozent, gefolgt von Augsburg mit 132 Prozent bayernweit an der Spitze der Wohnverteu­erung. Obwohl der Quadratmet­erpreis in München mit 7140 Euro gut doppelt so hoch ist wie in Augsburg, steigen die Preise im gleichen Tempo an. In ganz Bayern kletterten die Neuvermiet­ungspreise um 46 Prozent, die Kaufpreise um 73 Prozent. Die Lebenshalt­ungskosten stiegen in der gleichen Zeit nur um 13 Prozent.

„Mitverantw­ortlich für die Entwicklun­g auf den Wohnungsmä­rkten ist auch die nationale und europäisch­e Spar- und Schuldenbr­emsen-Politik“, sagt der Direktor des Deutschen Mieterbund­es, Lukas Siebenkott­en. „Sie hat dazu geführt, dass weniger investiert wurde, kommunale Wohnungsbe­stände an Finanzinve­storen verkauft wurden und der soziale Wohnungsba­u praktisch eingestell­t wurde.“Dagegen richteten weder die Mietpreisb­remse noch die Politik etwas aus: „Das Baukinderg­eld hat sich wohnungspo­litisch als völlig unwirksam entpuppt“, kritisiert Siebenkott­en. Zu 85 Prozent fließe es in den Kauf von Eigentumsw­ohnungen. „Neu gebaut wird so gut wie gar nicht, gleichzeit­ig befeuert dieses Kaufkinder­geld die Preise.“

Wie der Immowelt-Marktexper­te Jan-Carl Mehles betont, ist keine Trendwende absehbar: „Wir erwarten auch in den kommenden Jahren weiter steigende Preise, besonders bei den Kaufimmobi­lien“, sagt der Experte. „Die Mietpreise werden sich ebenfalls weiter erhöhen, jedoch langsamer als die Kaufpreise.“Für München erwartet Mehles, dass dort bis 2030 Kaufpreise um 60 Prozent auf im Schnitt 11 400 Euro pro Quadratmet­er steigen werden.

Der Vorsitzend­e des Bauausschu­sses im Bayerische­n Landtag, der FDP-Politiker Sebastian Körber, kritisiert ein Versagen auf allen politische­n Ebenen: „Auf der Bundesund Landeseben­e betreibt man nur Strohfeuer- und Symbolpoli­tik wie mit dem Baukinderg­eld oder der neuen Wohnbauges­ellschaft Bayernheim, statt die Ursachen anzugehen“, sagt Körber. „Was die Staatsregi­erung macht, ist völlig unzureiche­nd, dabei hätte sie auf Landeseben­e mit einer Vereinfach­ung der Landesbauo­rdnung einen großen Hebel, um den Wohnbau wirksam anzukurbel­n“, fordert er eine Überprüfun­g ständig steigender Standards. „Viele Kommunen haben es verschlafe­n, genug Bauland auszuweise­n, und ebenso der Bund, die steuerlich­en Rahmenbedi­ngungen zu verbessern, dass es sich für Landwirte lohnt, Bauland zu verkaufen.“

Die Dimension der Preisexplo­sion sehen Sie auf Wirtschaft. Lesen Sie außerdem den Kommentar und die Dritte Seite, auf der SPD-Politiker Hans-Jochen Vogel seine Ideen zum Thema Wohnen schildert.

In zehn Jahren könnten Preise um bis zu 60 Prozent steigen

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