Mittelschwaebische Nachrichten
Wohnkosten explodieren in ganz Bayern
Datenanalyse Mieten steigen in Augsburg und der Region in gleichem Tempo wie in München. Immobilien seit Finanzkrise 73 Prozent teurer
München Nicht nur im großen Ballungsraum um München, sondern in ganz Bayern samt seinen ländlichen Regionen explodieren seit der Finanzkrise die Wohnkosten, und ein Ende der Entwicklung ist nicht absehbar. Laut einer für unsere Redaktion erstellte Auswertung zigtausender Daten des Immobilienportals immowelt.de sind die Preise für Neuvermietungen und Wohnimmobilien zum Beispiel in der Region Augsburg genauso stark gestiegen wie in der Region München. Die Mieten für Neuverträge stiegen in beiden Großstädten seit 2008, dem Jahr des Beginns der Finanzund Eurokrise, im Durchschnitt um 62 Prozent, in den umliegenden Landkreisen um 50 Prozent.
Noch stärker kletterten die Mieten im Landkreis Donau-Ries mit 68 Prozent. Beim Immobilienkauf liegen München mit einem Plus von 144 Prozent, gefolgt von Augsburg mit 132 Prozent bayernweit an der Spitze der Wohnverteuerung. Obwohl der Quadratmeterpreis in München mit 7140 Euro gut doppelt so hoch ist wie in Augsburg, steigen die Preise im gleichen Tempo an. In ganz Bayern kletterten die Neuvermietungspreise um 46 Prozent, die Kaufpreise um 73 Prozent. Die Lebenshaltungskosten stiegen in der gleichen Zeit nur um 13 Prozent.
„Mitverantwortlich für die Entwicklung auf den Wohnungsmärkten ist auch die nationale und europäische Spar- und Schuldenbremsen-Politik“, sagt der Direktor des Deutschen Mieterbundes, Lukas Siebenkotten. „Sie hat dazu geführt, dass weniger investiert wurde, kommunale Wohnungsbestände an Finanzinvestoren verkauft wurden und der soziale Wohnungsbau praktisch eingestellt wurde.“Dagegen richteten weder die Mietpreisbremse noch die Politik etwas aus: „Das Baukindergeld hat sich wohnungspolitisch als völlig unwirksam entpuppt“, kritisiert Siebenkotten. Zu 85 Prozent fließe es in den Kauf von Eigentumswohnungen. „Neu gebaut wird so gut wie gar nicht, gleichzeitig befeuert dieses Kaufkindergeld die Preise.“
Wie der Immowelt-Marktexperte Jan-Carl Mehles betont, ist keine Trendwende absehbar: „Wir erwarten auch in den kommenden Jahren weiter steigende Preise, besonders bei den Kaufimmobilien“, sagt der Experte. „Die Mietpreise werden sich ebenfalls weiter erhöhen, jedoch langsamer als die Kaufpreise.“Für München erwartet Mehles, dass dort bis 2030 Kaufpreise um 60 Prozent auf im Schnitt 11 400 Euro pro Quadratmeter steigen werden.
Der Vorsitzende des Bauausschusses im Bayerischen Landtag, der FDP-Politiker Sebastian Körber, kritisiert ein Versagen auf allen politischen Ebenen: „Auf der Bundesund Landesebene betreibt man nur Strohfeuer- und Symbolpolitik wie mit dem Baukindergeld oder der neuen Wohnbaugesellschaft Bayernheim, statt die Ursachen anzugehen“, sagt Körber. „Was die Staatsregierung macht, ist völlig unzureichend, dabei hätte sie auf Landesebene mit einer Vereinfachung der Landesbauordnung einen großen Hebel, um den Wohnbau wirksam anzukurbeln“, fordert er eine Überprüfung ständig steigender Standards. „Viele Kommunen haben es verschlafen, genug Bauland auszuweisen, und ebenso der Bund, die steuerlichen Rahmenbedingungen zu verbessern, dass es sich für Landwirte lohnt, Bauland zu verkaufen.“
Die Dimension der Preisexplosion sehen Sie auf Wirtschaft. Lesen Sie außerdem den Kommentar und die Dritte Seite, auf der SPD-Politiker Hans-Jochen Vogel seine Ideen zum Thema Wohnen schildert.
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