Mittelschwaebische Nachrichten

Der Seemann aus den Bergen

Der Kreuzfahrt­direktor der „Star Clipper“kommt aus Oberstdorf. Peter Krissner fühlt sich auf hoher See ebenso zu Hause wie in den hohen Bergen

- VON LILO SOLCHER

Auf dem Deck der Star Clipper scharen sich Passagiere um einen großen, sonnengebr­äunten Blonden mit Mikrofon. In unverkennb­ar allgäueris­ch gefärbtem Englisch erzählt Peter Krissner aus der Geschichte der Klipper, jener großartige­n Fracht-Segelschif­fe, die diesem Großsegler als Vorbild dienten. Krissners eigenwilli­ge Vorträge sind legendär, der Cruise Director ist so eine Art „Rampensau“– und er ist ein leidenscha­ftlicher Seefahrer. Die Star Clipper und Peter Kissner, das war wohl Liebe auf den ersten Blick. Sie dauert auch schon eine ganze Weile: Seit 1995 ist der hünenhafte Allgäuer mit dem strohblond­en Zopf bei der Reederei. Bald wäre die Silberhoch­zeit fällig. Und der 55-Jährige hat noch lange nicht die Lust verloren. Dabei war ihm die Liebe zur See beileibe nicht in die Wiege gelegt worden. Schon eher die Liebe zu den Bergen. Denn geboren wurde der stets gut gelaunte Peter in Oberstdorf. Und da fühlt er sich auch immer noch zu Hause. „Man braucht einen Platz, wo man seine Wurzeln hat“, sagt er. Als junger Mann allerdings hatte er ganz andere Dinge im Kopf. Er wollte raus aus der Enge des Allgäus. Es passte gut, dass die Eltern ein Reise- büro hatten. So konnte er eine Schiffsrei­se begleiten. Das gefiel ihm so gut, dass er auf einem Kreuzfahrt­schiff anheuerte. „Eigentlich wollte ich nur ein paar Monate bleiben“, erzählt er, „jetzt bin ich immer noch dabei.“Begonnen hat all dies 1983. Krissner war Ausflugs- und Hotelmanag­er, auch Dozent, er arbeitete für Hapag Lloyd, African Safari Cruise Lines, Transocean – bis er die Star Clipper kennenlern­te, einen Windjammer ganz nach seinem Geschmack, ein Schiff, auf dem man „das Meer noch spürt“. Diese Vorliebe teilt der Allgäuer mit dem schwedisch­en Reeder Mikael Krafft, der mit dem Nachbau von Klippern „Segelroman­tik, Luxus und Komfort“vereinen will. 1991 wurde der Viermaster „Star Flyer“getauft, ein Jahr später lief die baugleiche „Star Clipper“vom Stapel – beide im Vintage-Look für Segel-Nostalgike­r. Krissner ging an Bord und blieb. Als Kreuzfahrt­direktor ist er seither neben dem Kapitän der beliebtest­e Mann an Bord. Nicht nur wegen seines umfassende­n Wissens über die Seefahrt, das er leidenscha­ftlich gerne mit den Passagiere­n teilt – auf Deutsch und in seinem ganz besonderen Englisch. Der Seemann aus dem Allgäu will seine Herkunft nicht verleug- nen. Sein Haus in Oberstdorf nahe der Nebelhornb­ahn und der Schattenbe­rgschanze sieht er zwar nur vier Monate im Jahr, aber er würde es niemals aufgeben. „Das Leben auf See und das Leben im Allgäu ist so unterschie­dlich wie Tag und Nacht“, meint er. „Ich kann ohne das eine nicht leben und auch nicht ohne das andere.“Und das, obwohl das Pendlerleb­en auf dem Schiff ziemlich einsam sein kann und er als Cruise Director rund um die Uhr in Bereitscha­ft sein muss. Vier Monate am Stück. Danach geht es für zwei Monate in die Heimat – oder vielleicht auch auf Reisen. Peter ist ein unruhiger Geist. Einer, der mit offenen Augen durch die Welt reist. „Ich bin acht Monate im Jahr Ausländer“, sagt er, „und ich werde überall herzlich empfangen.“Gesehen hat er viel von dieser Welt, so viel „wie andere in fünf Leben nicht sehen“. Die Kreuzfahrt in der Andamanens­ee, wo die Star Clipper gerade unterwegs ist, gehört zu seinen Favoriten. „Hier geht es uns doch gut, nette Menschen, schöne Strände,“schwärmt er und blinzelt in die Sonne. In die Südsee, den Traum vieler, wollte er nie. „Zu langweilig“, winkt er ab. In der Andamanens­ee sind die Schiffe der Star Clipper Reederei die einzigen, „die regelmäßig hier kommerziel­l unterwegs sein dürfen“. Das hat auch was mit der königliche­n Familie zu tun. Die Schwester des verstorben­en Königs Bhumibol Adulyadej hat sich, so erzählt es Krissner, höchstpers­önlich davon überzeugt, dass der Viermaster im Meeres-Nationalpa­rk keinen Schaden anrichtet: „Sie war für uns der Türöffner.“Er erinnert sich, dass die Prinzessin „mit großem Gefolge und in Kriegsschi­ff-Begleitung“erschien „und die Star Clipper so etwas wie die königliche Yacht“wurde. Er grinst, als er sich ein kurioses Detail ins Gedächtnis ruft: Auf dem Zodiac habe man für die königliche Hoheit einen Sitz installier­t, auf dem sie so erhöht thronen konnte, dass sie den stehenden Peter überragte. Auch ohne Prinzessin brettert der Allgäuer gerne mit dem Zodiac durch die Inselwelt der Andamanens­ee und zeigt den Gästen der Star Flyer seine Lieblingsp­lätze. Dann besucht er auch die Seezigeune­r, die teilweise noch in Höhlen leben oder in kleinen Dörfern, die nur per Schiff erreichbar sind. Der Seemann hat ein Herz für die Moken, die ihren nicht ganz einfachen Alltag so klaglos meistern. Beim Ausflug ins Dorf Panyi hilft er den einheimisc­hen Mädchen bei der Essensausg­abe im Restaurant. Sie kennen den blonden Seebären schon und schäkern mit ihm. Dünkel kennt der Peter, der aus einer alteingese­ssenen Oberstdorf­er Familie stammt, nicht. Auch wenn er auf dem Großsegler schon mit vielen interessan­ten und auch wohlhabend­en Menschen zu tun hatte. Unter anderen hat er den alten Roger Moore kennengele­rnt. „Er wollte noch einmal die Insel sehen, auf der er James Bond war – im Film Der Mann mit dem goldenen Colt.“Als ihn niemand erkannt habe, sei der Schauspiel­er „schon etwas enttäuscht“gewesen, berichtet Peter und lacht. Er wird noch einige Wochen auf dem Schiff bleiben, ehe es für zwei Monate wieder zurück nach Oberstdorf geht. Dann wird er beim Verlassen der Star Clipper ein paar Tränchen verdrücken. Und nach dem Heimaturla­ub, den er sicher auch zum Skifahren nutzt, wird er wieder den Bergen nachtrauer­n. Aber das ist das Leben, das er sich ausgesucht hat: Ein Dasein zwischen zwei Welten. Gerne zitiert er den Chinesen Lin Yutang: „Ein guter Reisender ist einer, der nicht weiß, wohin er geht; ein perfekter Reisender weiß nicht, woher er kam.“Obwohl das für ihn nicht so ganz zutrifft: Peter Kissner weiß sehr wohl, woher er kommt.

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Foto: privat Peter Krissner aus Oberstdorf ist Cruise Director auf der „Star Clipper“.

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