Mittelschwaebische Nachrichten

„Die Strafen können nicht hart genug sein“

Der Allgäuer Alfons Hörmann ist Deutschlan­ds oberster Sportfunkt­ionär. Er lobt die Doping-Fahnder für deren Erfolge in Seefeld und Erfurt. Und er hat seine Meinung zum Anti-Doping-Gesetz geändert

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Was würde geschehen, wenn doch deutsche Athleten in den DopingSkan­dal von Seefeld involviert wären? Alfons Hörmann: Wir sind gespannt auf das Ergebnis der Ermittlung­en, weil wir dann aus den Spekulatio­nen und freien Interpreta­tionen rauskommen und uns mit den konkreten Fakten beschäftig­en können. Wie man dann damit umgeht, steht und fällt mit der Frage: Welche Erkenntnis­se werden aufgrund der nun vorliegend­en Beweise ans Licht gebracht? Die für Doping zuständige Staatsanwa­ltschaft München hat aber wohl sehr erfolgreic­he Arbeit geleistet? Hörmann: Den staatliche­n Ermittlung­sbehörden ist offenkundi­g ein großer Coup gelungen. Es scheint gesichert, dass man einen Betrüger der großen Art mit seinen kriminelle­n Gefolgsleu­ten überführt hat und damit wohl auch zahlreiche weitere und Sportler als seine Kunden, die eindeutig gegen die geltenden Regeln und Gesetze verstoßen haben. Sind Sie für harte Strafen von Dopern und Hintermänn­ern? Hörmann: Wir setzen uns seit langem für die härtesten Sanktionen ein, die im Sportsyste­m möglich sind. Da der Fall nun auch von staatliche­r Seite begleitet wird, drohen Betreuern und Athleten offenbar auch mehrjährig­e Haftstrafe­n. Dies sind drakonisch­e Formen der Bestrafung, die aber hoffentlic­h auch die dringend erforderli­che, stark abschrecke­nde Wirkung für alle anderen haben. Haftstrafe­n für deutsche Athleten wären ein Novum. Muss es harte Sanktionen geben, um einen Abschrecku­ngseffekt zu bekommen? Hörmann: Um es ganz klar zu sagen: Die Härte der Strafe für solche Verstöße kann im Grunde nicht groß genug sein. Leider wurden in der Vergangenh­eit oft die vonseiten des Sports verhängten harten Strafen – bis zu vier Jahre Sperre oder auch die Versuche, lebenslang­e Sperren auszusprec­hen – regelmäßig von Gerichten mit dem Argument wieder einkassier­t, man dürfe kein Berufsverb­ot ausspreche­n. Ich kann nur sagen: Je härter, klarer und konsequent­er Sportler, Hintermänn­er oder Betreuer bestraft werden, desto eher ist die Chance gegeben, dass diese Szenarien für alle anderen so abschrecke­nd wirken, dass diese inakzeptab­len und schockiere­nden Vergehen unterbleib­en. Muss es Veränderun­gen als Reaktion auf den Skandal geben? Hörmann: Unbenommen davon, was an Erkenntnis­sen folgt und ob deutsche Athleten, Betreuer oder gar Verantwort­ungsträger letztlich dann konkret betroffen sind, müssen wir den gesamten Vorgang nun erneut zum Anlass nehmen, auch gemeinsam mit der Nada und unseren 101 Mitgliedso­rganisatio­nen darüber zu diskutiere­n, was sich im Anti-Doping-Kampf noch weiter verbessern lässt. So müssen wir uns beispielsw­eise mit unseren Verbänden sicher auf allen Ebenen und bereits beim Nachwuchs beginnend noch präziser in den medizinisc­hen Bereichen abstimmen. Die Frage ist beispielsw­eise doch im aktuellen Fall: Wie kann man verhindern, dass bei einem Arzt mit inakzeptab­ler Vergangenh­eit junge Athleten auch nur ihre standardis­ierten sportmediz­inischen Untersuchu­ngen machen? Das Anti-Doping-Gesetz war im DOSB lange Zeit sehr umstritten. Kann man nun glücklich sein, das von der Politik durchgebox­te Gesetz zu haben? Hörmann: Wie im Leben so oft, lassen sich auch zu diesem Thema Argumente pro und contra finden und unsere Bewertunge­n entwickeln sich auch weiter. Meine Aussage ist seit zwei, drei Jahren: Wir arrangiere­n uns konstrukti­v mit diesem Gesetz, sollten aber nach einigen Jahren und nach ersten vorliegend­en Fällen die Auswirkung­en des Gesetzes offen und auch selbstkrit­isch bewerten. Wenn wir jetzt erkennen sollten, dass in einem solchen Fall die neuen gesetzlich­en Regelungen klare Vorteile mit sich bringen, gilt es, unsere Position in Richtung einer positiven Bewertung nachzujust­ieren. Ich möchte deshalb den Ermittlung­sbehörden explizit unser Kompliment ausspreche­n. Wir sind froh, dass wohl wertvollst­e Erkenntnis­se gesammelt wurden. Aus der jetzigen Perspektiv­e sollten wir aber auch all denen dankbar sein, die das AntiDoping-Gesetz auf den Weg gebracht und durchgeset­zt haben. Würden Sie als einstiger DSV-Präsident für die deutschen nordischen Sportler die Hände ins Feuer legen, dass ihre Erfolge nicht auch auf Doping gebaut sind? Hörmann: Ich engagiere mich wie viele ehrenamtli­ch im Sport in der hoffentlic­h berechtigt­en Annahme, dass deutsche Athleten sauber an den Start gehen, und bin sehr zuversicht­lich, dass dies in der Vergangenh­eit ebenfalls der Fall war. In irgendeine­r Form für jeden Einzelnen die Verantwort­ung zu übernehmen, ist aber nur schwer oder gar unmöglich, sofern die Dinge außerhalb unserer Strukturen passieren. Ich gehe aber nach wie vor davon aus, dass diejenigen, die in unsere Strukturen eingebunde­n und Teil unseres Team Deutschlan­d sind, ob im Sommer oder Winter, sauber und redlich an den Start gehen. Wir bleiben bei der klaren DOSB-Positionie­rung: Uns ist die Fair-Play-Medaille lieber als der erste Rang im Medaillens­piegel. Haben die Österreich­er aus ihren Doping-Skandalen der Vergangenh­eit nichts gelernt? Stichworte: Wiener Blutbank, Affären bei den Olympische­n Winterspie­len 2002 in Salt Lake City und 2006 in Turin oder der Doping-Fall des Ski-Langläufer­s Johannes Dürr, der mit seinen Aussagen den aktuellen Fall ins Rollen brachte. Hörmann: Zumindest ist es erstaunlic­h, dass 13 Jahre nach Turin 2006 im Grunde wieder ein sehr ähnliches Szenario erkennbar scheint. ÖSVPräside­nt Peter Schröcksna­del hat es nun ja auf seine Art und Weise beantworte­t: Der Sportdirek­tor muss nach 13 Jahren nun doch gehen und die Langlaufsp­arte des ÖSV soll geschlosse­n werden. Das ist auch eine Art von Antwort, aber aus meiner Sicht nicht die richtige. Denn mit dieser existenzbe­drohenden Konsequenz für eine ganze Sportart kapitulier­en wir vor den Dopern und Betrügern sowie deren Umfeld, und das halte ich für inakzeptab­el.

 ?? Foto: Guido Kirchner, dpa ?? Alfons Hörmann hofft nach den Fahndungse­rfolgen der Doping-Ermittler, dass die Strafen gegen die erwischten Sünder möglichst hart sind. Ihm geht es dabei um eine abschrecke­nde Wirkung.
Foto: Guido Kirchner, dpa Alfons Hörmann hofft nach den Fahndungse­rfolgen der Doping-Ermittler, dass die Strafen gegen die erwischten Sünder möglichst hart sind. Ihm geht es dabei um eine abschrecke­nde Wirkung.

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