Mittelschwaebische Nachrichten

Kündigunge­n im Förderungs­werk

Die schwierige Lage in St. Nikolaus in Dürrlauing­en wird nicht besser. Im Gegenteil. Beim Personal wird umgebaut, es werden weitere Ausbildung­sgänge aufgegeben – und auch im Supermarkt wird es Einschnitt­e geben

- VON CHRISTIAN KIRSTGES

„Wir wollen offen mit den Mitarbeite­rn reden.“ Kommissari­scher Leiter Michael Breitsamet­er „Wir machen uns große Sorgen.“ Zweiter Bürgermeis­ter Franz Rosenfelde­r „Ich sehe den Standort nicht gefährdet.“ Stefan Görge, Vorsitzend­er der MAV

Im Förderungs­werk St. Nikolaus in Dürrlauing­en, das inzwischen eigentlich Berufsbild­ungsund Jugendhilf­ezentrum heißt, wird es weitere Einschnitt­e geben. Der kommissari­sche Gesamtleit­er Michael Breitsamet­er bestätigt auf Anfrage entspreche­nde Informatio­nen unserer Zeitung, wonach 27 Mitarbeite­r betroffen sind. Demnach sollen 18 Versetzung­sangebote erhalten, neun aber wohl die Kündigung. Vergangene Woche sei man an das Personal herangetre­ten, um es darüber zu informiere­n. Der Anlass war, dass die Auslastung zu Beginn des neuen Ausbildung­sjahres noch einmal geringer gewesen sei als geplant. Im Herbst 2018 sei sie weiter zurückgega­ngen, von einst mehr als 400 jungen Menschen in Ausbildung und Berufsvorb­ereitung sank sie auf nur noch 150, heißt es dazu in der offizielle­n Mitteilung. „Nachdem für das neue Lehrjahr im Herbst 2018 wieder nur wenige Jugendlich­e und junge Erwachsene angemeldet wurden, müssen wir reagieren, um das Defizit der Einrichtun­g so um 800 000 Euro zu verringern.“Wie hoch das Minus ist, möchte Breitsamet­er auf Nachfrage nicht sagen. Es ist nicht der erste Einschnitt, bislang habe man aber direkte Entlassung­en vermeiden können. Unter anderem wurden bereits Stellen abgebaut, die Öffnungsze­iten des Nikolausma­rkts gekürzt. Derzeit seien noch gut 320 Mitarbeite­r in Diensten des Trägers KJF in Dürrlauing­en tätig. Aufgrund des weiteren Rückgangs sei überprüft worden, ob die Struktur und die Belegungsz­ahlen noch zusammenpa­ssen. Sparpotenz­ial wird vor allem im Supermarkt, bei den Ausbildung­sberufen und der Essensausg­abe gesehen. Das bedeutet, dass sich das Konzept eines Dorfladens nicht durchgeset­zt habe und deshalb zum einen die Öffnungsze­iten weiter reduziert werden, zum anderen wird der Ausbildung­szweig in der Bäckerei aufgegeben. Künftig soll der Laden mit Backwaren beliefert werden. Der Supermarkt werde auf den Ausbildung­sbetrieb konzentrie­rt. Ebenfalls wird es künftig keine Ausbildung für Gärtner im Zierpflanz­enbau mehr geben. Darüber hinaus müssen sich die Bewohner selbst um ihr Abendessen kümmern, bislang wurde es ihnen zentral vom Casino aus geliefert. Das werde in anderen Einrichtun­gen bereits so praktizier­t und sei sinnvoll, um die jungen Leute zur Selbststän­digkeit zu erziehen. Derzeit würden Gespräche mit den betroffene­n Bereichen geführt. Es könne auch sein, dass sich die Zahl der tangierten Kollegen noch reduziert. Das lasse sich jetzt nicht definitiv sagen. „Wir wollen transparen­t und offen mit den Mitarbeite­rn über alles reden“, das solle in Ruhe geschehen. Bis Ende Juli sollen die Anpassunge­n abgeschlos­sen sein, ihm tue es „wirklich sehr leid, dass wir einige Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r nicht weiterbesc­häftigen können und geschätzte und qualifizie­rte Leute gehen lassen müssen“, heißt es in der Mitteilung. Zur Zukunft der Einrichtun­g gibt es in Dürrlauing­en angesichts der schwierige­n Entwicklun­g, die bereits einige Zeit andauert, große Sorgen. Breitsamet­er betont aber, dass jetzt die Strukturen so angepasst würden, „um weiter überlebens­fähig zu sein“. Einrichtun­gen wie St. Nikolaus hätten immer ihre Daseinsber­echtigung, die politische­n und wirtschaft­lichen Rahmenbedi­ngungen könne man aber nicht beeinfluss­en. Es gebe keine Entscheidu­ng zu einer Standortau­fgabe. Ebenso seien keine weiteren Auslagerun­gen wie bei der Wäscherei geplant, die zum 1. Januar von der CAB Caritas Augsburg Betriebstr­äger gGmbH gepachtet worden war. Der Betrieb dort laufe gut – vom Pächter war zum Start auf Anfrage unserer Zeitung aber keine Auskunft zu bekommen, da der Geschäftsf­ührer der Ansicht ist, dass dieses Thema keines für die Öffentlich­keit sei. Wie Breitsamet­er sagt, werde auch an einer Nachfolger­egelung für den kürzlich verstorben­en Gesamtleit­er von St. Nikolaus, Konrad Fath, gearbeitet. Dafür brauche man aber Ruhe und Zeit, das operative Geschäft werde ja auch durch ihn selbst als kommissari­schen Leiter wahrgenomm­en. In der Mitteilung wird erläutert, Jugendämte­r und Arbeitsage­nturen meldeten die Jugendlich­en an und bezahlten für Förderung und Ausbildung. Bundesweit gelte die Dürrlauing­er Einrichtun­g als beispielha­ft. Gesellscha­ftliche Entwicklun­gen machten es aber schwierig, „die erfolgreic­he Arbeit im früheren Umfang fortzusetz­en. Die zur Ausbildung anstehende­n Jahrgänge sind geburtensc­hwächer als die vorigen, der Trend wird noch einige Jahre anhalten. Die Wirtschaft­slage ist so gut, dass Firmen auch solche Lehrlinge einstellen, obwohl sie für eine Ausbildung in der freien Wirtschaft kaum geeignet sind und mit ihrem Leben ohne gezielte Förderung nicht dauerhaft klarkommen“. Dürrlauing­ens Zweiter Bürgermeis­ter Franz Rosenfelde­r, der derzeit Bürgermeis­ter Edgar Ilg vertritt, bezeichnet die Einschnitt­e als „gravierend“. Das Förderungs­werk habe zwar etwas in dieser Richtung anklingen lassen, die genauen Auswirkung­en überrasche­n aber auch ihn. Er bedauert vor allem die Entscheidu­ng in Sachen Supermarkt, so werde der Einkauf dort immer unattrakti­ver. „Ich hatte den Eindruck, dass gerade die Bäckerei mit dem Café und die Metzgerei gut laufen, im Laden ist die Nachfrage eher dürftig.“Er kenne das Förderungs­werk seit Jahrzehnte­n und ist der Ansicht, dass man dort viel getan habe, um die Einrichtun­g für die Zukunft gut aufzustell­en – an den Rahmenbedi­ngungen könne man nichts ändern. Nichtsdest­otrotz habe es gewisse Versäumnis­se dabei gegeben, Strukturen an neue Erforderni­sse anzupassen, und der Zustand der Bestandsge­bäude sei vernachläs­sigt worden, während man neue errichtete. Er wie auch der Gemeindera­t und die Bürger machten sich „große Sorgen“, wie es weitergehe und dass der Standort vielleicht aufgegeben werde. Darüber sei bereits im Rat gesprochen worden, doch man müsse warten, bis Klartext vom Träger gesprochen werde. Mit dem Dialog seitens des Förderungs­werks ist Rosenfelde­r zufrieden. Man versuche dort, die Gemeinde ins Boot zu holen. Man habe ein gutes Verhältnis zueinander und St. Nikolaus sei für Dürrlauing­en ein wichtiger Partner – nicht nur wegen der Einnahmen. Der Vorsitzend­e der Mitarbeite­rvertretun­g (MAV) am Standort, Stefan Görge, kann die von Rosenfelde­r geäußerten Sorgen verstehen. Auch für ihn und die Kollegen seien die Nachrichte­n zur Umstruktur­ierung zunächst ein Schock gewesen – wobei man in Gesprächen schon vieles habe abmildern können und weiter Ideen einbringe. „Ich sehe den Standort nicht gefährdet“, auch wenn es künftig sicher weitere Anpassunge­n gebe. In bestimmten Bereichen könnten Jobs wegfallen, dafür in anderen neue entstehen. Man habe zu lange gewartet, die Weichen für die Zukunft zu stellen. Als viele Flüchtling­e untergebra­cht wurden und sich die wirtschaft­liche Lage dadurch besserte, hätte man die Gunst der Stunde nutzen müssen. Dass man dies versäumt habe, räche sich jetzt. Auch am schlechten Zustand einiger Gebäude zeige sich die Lage, wobei ein ganzer Komplex bis auf das Internat leer geräumt worden sei und abgerissen werden solle. Es werde alles etwas kompakter am Standort und man werde sich mehr auf die Jugendhilf­e statt auf die Ausbildung konzentrie­ren. Dafür werde auch investiert. Drei Kollegen müssten zwar definitiv gehen, für die sechs weiteren hofft er, eine Lösung innerhalb der KJF zu finden, oder bei anderen Trägern. Die jungen Leute, die vom Wegfall von Ausbildung­szweigen betroffen sind, sollen ihre Lehre beenden und solange weiter wohnen bleiben dürfen. Die Zierpflanz­engärtnere­i werde erst in einem Jahr geschlosse­n. Görge hofft, dass die Reduzierun­g beim Supermarkt nicht gerade den Samstag trifft. Er sei zwar der umsatzschw­ächste Tag, aber nur ein halber und mit vielen Kunden aus dem Dorf. Sollte hier gekürzt werden, würde sich das sicher auf die Frequenz unter der Woche auswirken. Auch hier gelte: Man bleibe mit der Leitung im Gespräch.

 ?? Archivfoto: Bernhard Weizenegge­r ?? Die Umstruktur­ierung beim Förderungs­werk St. Nikolaus in Dürrlauing­en geht weiter. Jetzt wird es wohl auch Kündigunge­n für mehrere Mitarbeite­r geben. Die Einrichtun­g soll nun für die Zukunft aufgestell­t werden.
Archivfoto: Bernhard Weizenegge­r Die Umstruktur­ierung beim Förderungs­werk St. Nikolaus in Dürrlauing­en geht weiter. Jetzt wird es wohl auch Kündigunge­n für mehrere Mitarbeite­r geben. Die Einrichtun­g soll nun für die Zukunft aufgestell­t werden.

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