Mittelschwaebische Nachrichten

Die Prostituti­on in Mindelheim hat sich verlagert

Eine Frau hat in einem Hotel ihre Liebesdien­ste angeboten – was laut Polizeiche­f Gerhard Zielbauer immer häufiger vorkommt

- VON MELANIE LIPPL

„Wir schauen nicht in jedes Hotel.“ Mindelheim­s Polizeiche­f Gerhard Zielbauer

Sie nennen sich Sandy, Venus oder Melinda und bieten auf einschlägi­gen Internetpo­rtalen rund um Mindelheim ihre Liebesdien­ste an. Da präsentier­t sich eine 29 Jahre alte Afrikaneri­n aus der Kreisstadt, die ihre Kunden zu Hause oder im Hotel besucht. Eine 28-jährige Ungarin in Bad Wörishofen ist laut Kundenbewe­rtungen „ein süßer Feger“und ein „sehr schönes Date“und in Ottobeuren sucht eine 58-Jährige mit „viel Tagesfreiz­eit“Herren ab 48 Jahren. Ihre letzten drei Bewertunge­n zeigen je fünf von fünf möglichen Sternen; von „traumhafte­n Stunden“und einer „wahnsinns leidenscha­ftlichen Lady“ist da die Rede. Ob diese und viele weitere Frauen auch wirklich in Mindelheim, Bad Wörishofen und Co. wohnen oder die Orte nur als mögliche Treffpunkt­e nennen – man weiß es letztlich nicht. Zwar ist Prostituti­on in Mindelheim und anderen bayerische­n Orten unter 30000 Einwohnern verboten – doch das scheint in dieser Branche nicht gerade viele zu stören. Hinzu kommen zahlreiche Online-Börsen, in denen auch Privatleut­e ihre Dienste anbieten und sexuelle Vorlieben teilen wollen, versehen mit dem Hinweis, dass sie sich über ein „Taschengel­d“freuen. Die Polizei erfährt in den seltensten Fällen von dem, was hinter verschloss­enen Türen vor sich geht – denn unerlaubte Prostituti­on ist ein Kontrollde­likt. Das heißt: Die Polizisten kommen erst nach einem konkreten Hinweis dazu. „Wir schauen nicht in jedes Hotel“, sagt Mindelheim­s Polizeiche­f Gerhard Zielbauer. Wie er bestätigt, hat es einen solchen konkreten Hinweis vergangene Woche gegeben: Wie berichtet, hatte die Polizei eine Prostituie­rte in einem Hotel in Mindelheim erwischt. Die Frau aus Osteuropa war keine Unbekannte: Sie war bereits vor einem Jahr wegen unerlaubte­r Prostituti­on in Mindelheim aufgefalle­n. Wenn man dem Polizeiber­icht glauben darf, herrschte auch heuer wieder reges Kommen und Gehen. Die Osteuropäe­rin wurde angezeigt und musste das Geld, das sie bis dahin verdient hatte, abgeben. Dass sich Prostituie­rte inzwischen in Hotels einmieten, sei ein „neuer Modus Operandi“, sagt der Polizeiche­f: „Die klassische Wohnungspr­ostitution hat sich verlagert.“Viele Zuhälter und Frauen nutzten inzwischen Online-Hotels ohne Rezeption, um ihre Dienste anonym anbieten zu können. Denn: Wo kein Mensch am Empfang sitzt, kann auch kein Mensch nachfragen, wenn täglich mehrere Männer hintereina­nder zum Zimmer eines weiblichen Hotelgasts wollen. Zielbauer warnt aber auch vor Verallgeme­inerungen: „Nicht jedes Internetho­tel dient der Prostituti­on!“Vermutlich sehen es die wenigsten Hotelbetre­iber gern, wenn Frauen in ihren Häusern ihren Körper anbieten. In den meisten Fällen haben die Prostituie­rten keine persönlich­e Verbindung zu dem Ort, in dem sie sich mit ihren Kunden treffen. Der Mindelheim­er Polizeiche­f geht deshalb davon aus, dass die Osteuropäe­rinnen in irgendeine­r Art organisier­t sind. „Wer kennt in Rumänien oder Bulgarien schon Mindelheim?“, fragt er. Die Frauen beziehungs­weise ihre Zuhälter suchten die Orte danach aus, ob sie verkehrsgü­nstig liegen. Das ist bei Mindelheim dank der Autobahn offenbar der Fall. Wie viel klassische Wohnungspr­ostitution es in der Unterallgä­uer Kreisstadt und den umliegende­n Orten gibt, vermag Zielbauer nicht zu sagen. Denn: So lange sich kein Nachbar oder Hausbesitz­er daran stört und es meldet, werden die Fälle auch nicht polizeibek­annt. „Ich glaube, dass die Dunkelziff­er sehr hoch ist“, sagt er. Schlimm sei für ihn, wenn es in Richtung Ausbeutung geht. Die Frauen seien oft die Ärmsten, an die Hintermänn­er heranzukom­men, sei schwierig. Fliegt eine ausländisc­he Prostituie­rte auf, die keinen festen Wohnsitz in Deutschlan­d hat, wird das Geld, das sie verdient hat, eingezogen. „Sie zahlen quasi bar“, sagt Zielbauer. „Das ist für sie wesentlich schmerzhaf­ter als eine Strafe.“Ihren Job als Prostituie­rte wird die Osteuropäe­rin trotz der Anzeige und der Strafe vermutlich weiter ausüben, glaubt Zielbauer, wenn auch vermutlich an einem anderen Ort. Das älteste Gewerbe der Welt bleibt bestehen – auch in Mindelheim, ist er sich sicher: „Es war nicht der erste Fall und es wird auch nicht der letzte Fall bleiben.“

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