Mittelschwaebische Nachrichten

Protestumz­ug durch Jettinger Ortsmitte

Eigentlich waren alle Veranstalt­ungen abgesagt. Eine gab es am Dienstag doch – die war aber nicht angemeldet

- VON ANGELA BRENNER UND CHRISTIAN KIRSTGES

Jettingen-Scheppach Eigentlich waren in der Marktgemei­nde Jettingen-Scheppach alle Faschingsv­eranstaltu­ngen abgesagt worden. Auch das traditione­lle Rumäckra am Faschingsd­ienstag und der Faschingsu­mzug fanden in diesem Jahr nicht statt. Der Jettinger Fasnachtsv­erein Burkhardia hatte im vergangene­n September beschlosse­n, keine Veranstalt­ungen zu organisier­en (wir berichtete­n). Doch ein kleiner Zug durch die Straßen der Marktgemei­nde fand am Dienstagna­chmittag dann statt. 200 Menschen nahmen teil. Offiziell angemeldet war die Veranstalt­ung allerdings nicht.

Auch Bürgermeis­ter Hans Reichhart hatte sich dem Zug angeschlos­sen. „Das war eine ganz spontane Sache. Man weiß gar nicht, von wem die Idee ausging.“Doch die Nachricht des spontanen Umzugs hat sich dann recht schnell herum gesprochen. Reichhart schätzt, dass etwa 200 Leute daran teilgenomm­en haben. Musiker haben den Zug angeführt. Danach folgten schwarz gekleidete Maskerer – eine kleine Trauergeme­inde, nachdem es in diesem Jahr keinen Fasching in der Marktgemei­nde gab. Dahinter folgten laut Reichhart bereits die bunt maskierten Fasnachter, die beweisen wollten, dass der Fasching in Jettingen doch lebe. „Mich freut es, dass es in der heutigen Zeit noch Spontanitä­t gibt“, sagt Reichhart.

Am Dienstagna­chmittag um 13.30 Uhr startete der Faschingsu­mzug am Marktplatz und zog durch die Jettinger Straßen. „Später haben wir noch zusammen gefeiert“, erzählt der Bürgermeis­ter. Auch Burkhardia-Präsident Peter Potsch hatte von dem Protest-Umzug erfahren und sich kurzerhand angeschlos­sen. „Das war alles ganz spontan, wir haben erst kurz vor dem Umzug von den Planungen erfahren.“Aber: „Dieser Umzug hatte nichts mit der Faschingsg­esellschaf­t Burkhardia zu tun, das ging von Privatpers­onen aus.“Dennoch freue er sich, dass doch noch ein kleiner Faschingsu­mzug in der Marktgemei­nde zustande kam. „Ich fand es sehr überrasche­nd, aber ich habe mich darüber gefreut.“

Die Faschingsg­esellschaf­t Burkhardia hatte im September vergangene­n Jahres alle Veranstalt­ungen für die nun zu Ende gegangene Faschingss­aison abgesagt. So fand weder der traditione­lle Fähnrichsb­all noch der Rathausstu­rm oder der alte Brauch des Rumäckras mit anschließe­ndem Faschingsu­mzug und dem abschließe­nden Kehraus statt. Grund für die Absage war zum einen die Schwierigk­eit, interessie­rte, aktive und hilfsberei­te Mitstreite­r für die Fasnacht zu finden, zum anderen aber auch die diversen Vorschrift­en, Sicherheit­skonzepte, Regelungen und Genehmigun­gen, die die Organisato­ren erfüllen müssen.

Der stellvertr­etende Leiter der Polizei Burgau, Peter Hirsch, erfuhr erst durch die Anfrage unserer Zeitung von dem Umzug. Auch bei der Inspektion sei nichts angemeldet worden. Er findet das gar nicht lustig, es handele sich hier wohl um eine Ordnungswi­drigkeit. Auch wenn alles spontan gewesen sei, hätte man zumindest noch bei der Polizei anrufen sollen, damit sie den Umzug sichert, betont Hirsch.

Auch beim Landratsam­t weiß man nichts von dem Umzug. Ralf Wetzel, in der Behörde für den Bereich Verkehr zuständig, betont, dass so etwas angemeldet werden müsse, wenn der Verkehr tangiert ist – und da man auf der Straße lief, sei das der Fall. Bei Spontan-Demos entfalle zwar die Pflicht der vorherigen Anmeldung, aber er fragt sich, wo hier die politische Willensäuß­erung war, die nun einmal Bestandtei­l einer Demo sei. Faschingsw­agen müssten zudem geprüft werden.

Ausgegange­n ist der Umzug von Kurt Goldstein, der schon diverse Ämter im Jettinger Fasching hatte. Als er im vergangene­n Jahr in unserer Zeitung las, dass alle Veranstalt­ungen abgesagt wurden, sei für ihn klar gewesen: Mit seiner Faschingsw­agen-Gruppe werde er nicht einfach woanders fahren, sondern wieder in Jettingen. Die Idee habe dann am Montagvorm­ittag eine gewisse Eigendynam­ik entwickelt, sagt er, auch durch die sozialen Medien. Es hätten sich immer mehr angeschlos­sen, die Feuerwehr habe man um die Absicherun­g gebeten – was sie mit einem Fahrzeug vor und hinter dem Umzug auch gemacht habe. Es habe sich dann alles etwas verselbsts­tändigt. Auch er spricht von gut 200 Teilnehmer­n, nur seine Gruppe sei mit dem Wagen dabei gewesen.

In Sachen Anmeldung stellt er die Frage: „Kann man einen inoffiziel­len Umzug offiziell anmelden?“Der Bürgermeis­ter sei aber vorab informiert gewesen. In einer Nachricht in einem sozialen Netzwerk, die unserer Zeitung vorliegt, heißt es sogar, dass sich einige Fasnachter „in einem gemischten Haufen um den Bürgermeis­ter, verschiede­ne Traditions­figuren (...) unter Führung einer Jettinger Wagenbauer­gruppe wild und spontan organisier­t“hätten, (...) um die Bevölkerun­g wachzurütt­eln, damit die traditions­reiche Fasnacht im Ort nicht stirbt. Dass der „Trauermars­ch“fast auf den Jahrestag des Unglücks vom 9. März 2006 fiel, als beim Beerdigung­sgang ein Auto in die Menschengr­uppe fuhr und es Tote sowie Verletzte gab, habe man nicht auf dem Schirm gehabt, so Goldstein. Zumal eine direkte Angehörige der Frau, die damals beerdigt werden sollte, Mitinitiat­orin des Umzugs am Dienstag gewesen sei. Seite 29

Später wurde noch zusammen gefeiert

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Foto: Sascha Sendner Gut 200 Menschen haben am Faschingsd­ienstag an einem inoffiziel­len Faschingsu­mzug durch Jettingen teilgenomm­en.

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