Mittelschwaebische Nachrichten

Sie knattert, sie dampft und sie sägt

Nostalgie Wie eine jahrzehnte­alte Erfindung aus Krumbach noch heute beim Höselhurst­er Georg Anwander ständig im Einsatz ist

- VON WOLFGANG KAHLER

Höselhurst Das Ding ist ein echtes Unikat und Nostalgie pur: Eine fahrende Kreissäge. Sie hat an die 70 Jahre auf dem Buckel, aber ist noch lange nicht im Rentenalte­r. Georg Anwander in Höselhurst hütet die ungewöhnli­che Arbeitsmas­chine, die eigentlich aus Krumbach stammt. Sie ist aber nicht nur Schauobjek­t des Oldtimer-Fans, sondern nach wie vor beim Brennholz machen im Einsatz. Und das funktionie­rt mit dem außergewöh­nlichen Gerät überrasche­nd gut.

Als Anwander in der Heimatzeit­ung einen Bericht über die mobile Säge des Krumbacher­s Kasimir Gschwind las, war ihm sofort klar: Das Teil gehört ja ihm. Und tatsächlic­h, in Höselhurst, dem Ortsteil von Neuburg, steht die museale Arbeitsmas­chine.

Im Artikel war eine fahrende Bandsäge abgebildet, die aber erst eine weitere Konstrukti­on von Gschwind war, wie Anwander weiß. Zuerst hatte der Krumbacher 1950 die fahrende Kreissäge entwickelt. Über einen Umweg kam OldtimerSa­mmler Anwander vor circa 15 Jahren an das Unikum.

Bis zum Artikel in unserer Zeitung habe der 64-Jährige nicht mal gewusst, dass es sich um die Gschwind-Erfindung handelte. „Damals war die Maschine aber nicht mehr funktionst­üchtig“, erinnert er sich. Die Antriebswe­lle hatte ihren Geist aufgegeben. Aber Anwander, der viele Jahre bei der Kötzer Maschinenb­aufirma Alko schaffte, machte sich ans Werk und richtete die Säge.

Und auf die Funktionst­üchtigkeit der urig wirkenden Nostalgiet­echnik ist Anwander sichtlich stolz, als er für unsere Zeitung den Motor anwirft. Aber von wegen einfach Zündschlüs­sel drehen. Der in einer Scheune untergebra­chte Oldtimer will erst fachgerech­t präpariert werden.

Das Fahrgestel­l stammt von einem amerikanis­chen Armee-Fahrzeug, dem legendären Willys-Jeep, informiert Anwander. Doch statt des darin verwendete­n Vierzylind­er-Benzinmoto­rs arbeitet in der Säge ein Einzylinde­r-Diesel des bekannten Kölner Traktor-Hersteller Deutz.

Diese Kombinatio­n stammt wohl noch vom Konstrukte­ur Gschwind. „Ältere Zeitzeugen kennen den noch, als er die Säge in Betrieb hatte“, sagt Anwander, „die Idee ist jedenfalls nicht schlecht“.

Das originale Jeep-Fahrgestel­l ist sogar mit Allrad-Antrieb ausgestatt­et. Vom Viergang-Getriebe – drei vorwärts und einer rückwärts – ist allerdings nur noch ein Vorwärtsga­ng übrig, die anderen wurden gesperrt.

So tuckert die mobile Säge mit höchstens Schrittges­chwindigke­it vorwärts. Das Ingangsetz­en des Dieseltrie­bwerks ist eine Kunst für sich, wie Anwander anschaulic­h demonstrie­rt. Zunächst wird ein Zündhütche­n in einen dafür vorgesehen­en Halter am Motor eingesetzt.

Dann betätigt Anwander die Drehkurbel – drei bis vier Mal. Und tatsächlic­h: Rumpelnd, pötternd und Qualmwolke­n ausstoßend beginnt der Diesel zu arbeiten. Nach ein paar eher saft- und kraftlos wirkenden Umdrehunge­n ist wieder Schluss. Anwander muss eine weitere Zündlunte – wie das Teil offiziell genannt wird – einsetzen. Beim zweiten Versuch kommt der Motor stampfend auf Drehzahlen.

Dann tuckert der Oldtimer-Fan mit der fahrenden Säge zu seinem Holzstapel. Über zwei Keilriemen treibt der alte Deutz-Diesel die Kreissäge mit einem 60-Zentimer Blatt an. Anwander bewegt ein Meterholz auf einem genial konstruier­ten Schiebetis­ch Richtung Säge und schon hat er Holzscheit­e in passender Länge.

„Die Säge ist jeden Monat in Gebrauch“, lacht Anwander. So kann er locker einige Ster Holz aus eigenem Wald verarbeite­n. Der 15-Liter-Tank der rollenden Arbeitsmas­chine reicht ein ganzes Jahr. Wichtig sei aber ein regelmäßig­er Ölwechsel für den Motor – wie bei einem normalen Traktor eben.

Ehefrau Sabine war anfangs nicht so recht begeistert von der Oldtimer-Sammelleid­enschaft ihres Mannes, hat sich jedoch inzwischen damit arrangiert. Im Haus stehen ebenfalls ausgefalle­ne HobbyExemp­lare – zum Beispiel eine alte Milchzentr­ifuge. Auf die Frage, ob er die fahrende Nostalgie-Maschine wieder verkaufen würde, wenn ein Interessen­t käme, sagt Anwander: „Die gebe ich nicht wieder her.“Also wird das außergewöh­nliche Unikum wohl noch viele Jahre in Höselhurst knattern, dampfen und sägen.

 ?? Fotos: Wolfgang Kahler ?? Eine fahrende Kreissäge – diese bald 70-jährige Konstrukti­on des Krumbacher Kasimir Gschwind gehört Georg Anwander in Höselhurst.
Fotos: Wolfgang Kahler Eine fahrende Kreissäge – diese bald 70-jährige Konstrukti­on des Krumbacher Kasimir Gschwind gehört Georg Anwander in Höselhurst.
 ?? Foto: Wolfgang Kahler ?? Die fahrende Kreissäge im Einsatz. Georg Anwander setzt sie zur Brennholz-Verarbeitu­ng ein.
Foto: Wolfgang Kahler Die fahrende Kreissäge im Einsatz. Georg Anwander setzt sie zur Brennholz-Verarbeitu­ng ein.
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Nostalgie-Technik aus der Nachkriegs­zeit: Hier ist eine offen liegende Ventilsteu­erung zu sehen.

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